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Von: milan07
25.10.2015 | 5944 Aufrufe | 1 Kommentare | 1 Bewertungen Ø 9.0
Das Jahr in dem der Calcio seinen Glanz verlor
Der Fußball und die Kriminalität
Zweiter Teil einer Serie über die Verstrickung der organisierten Kriminalität in den Weltfußball

Der Fußball und die Kriminalität

Teil 2: Das Jahr in dem der Calcio seinen

Glanz verlor

Der internationale Fußball ist zu einem Millionengeschäft geworden. In Form von Fernsehgelder, Spielertransfers oder Merchandising fließen jedes Jahr Milliarden zwischen den Vereinen, ihren Fans und Investoren. Es ist kein Geheimnis, dass überall wo Geld fließt, auch die Kriminalität nicht weit ist. Neben offiziellen Institutionen profitierten schon immer auch die organisierte Kriminalität von diesem Geschäft, was jedoch nur selten an die Öffentlichkeit gelangt. In einer kleinen Serie möchte ich mich daher in drei Blogs der Verstrickung der organisierten Kriminalität in den Fußball widmen. Weiter geht es heute mit dem zweiten Teil der Serie. Viel Spaß!

Der Calciopoli und der tiefe Fall einer Fußballnation

Das Jahr 2006 könnte jedem Fan des italienischen Fußballs in so schöner Erinnerung bleiben. Am 9. Juli streckte Kapitän Fabio Cannavaro den WM-Pokal in den Berliner Nachthimmel und Italien wurde zum vierten mal Weltmeister. Dennoch steht das Jahr 2006 nicht für den großen Titelgewinn, sondern im Schatten des größten Skandals, den der europäische Fußball je gesehen hatte. Wie heute bekannt ist, wurden in der Saison 2004/05 insgesamt 78 Spiele in der Serie A direkt oder indirekt manipuliert. Betroffen waren internationale Spitzenmannschaften wie Juventus Turin, der AC Mailand oder Lazio Rom. Nachdem Telefongespräche zwischen Juve-Manager Luciano Moggi und verschiedenen Verantwortlichen italienischer Vereine über Spielmanipulation, sowie Geldströme zwischen italienischen Staatsanwälten und der Fußballagentur GEA World öffentlich wurden, erschütterte der Skandal nicht nur das ganze Land, sondern den gesamten Weltfußball. Der Calciopoli war geboren und damit ein Einschnitt im italienischen Fußball eingeleitet, woran selbst der Gewinn der Weltmeisterschaft nichts ändern konnte. Nach dem Turnier in Deutschland machte man den Angeklagten den Prozess und die Strafen fielen zunächst vermeintlich drastisch aus. Juventus Turin traf es mit dem Zwangsabstieg in die Serie B und der Aberkennung von zwei Meistertiteln am härtesten. Der AC Mailand, Lazio Rom und der AC Florenz kamen mit Punktabzug, Geldstrafen, Geisterspielen und Ausschlüssen aus den internationalen Wettbewerben davon. Auch Reggina Calcio wurde mit einer Geldstrafe belegt. Auch personell bedeutete der Skandal einen Einschnitt. Luciano Moggi wurde lebenslänglich von allen Aufgaben im italienischen Fußball entbunden und zu einer Haftstrafe von über fünf Jahren verurteilt. Milan-Präsident Adriano Galliani wurde für fünf Monate, Lazio-Präsident Claudio Lotito sogar für zweieinhalb Jahre gesperrt. Beide sind bis heute nach abgesessener Strafe in ihrem Klub verantwortlich.

Neun Jahre später gilt nicht das Vergehen an sich als eigentlicher Skandal, sondern die Urteile und Konsequenzen für die Verbrecher des Calciopoli. Luciano Moggi hat nie eine Gefängniszelle betreten und ist inzwischen wieder ein gern gesehener Gast bei Heimspielen in Turin. Weitere Verantwortliche, wie Galliani und Lotito, sind inzwischen wieder an der Spitze ihrer Vereine angekommen. Weder Juventus Turin, die nach einem Jahr in der Zweitklassigkeit den Direktaufstieg ohne Probleme meisterten, noch die weiteren Vereine hatten bereits wenige Jahre später noch mit Konsequenzen zu kämpfen. In Italien ging es den Verantwortlichen mehr darum, den Vorfall so schnell wie möglich vergessen zu machen und seine eigenen Hände rein zu waschen. Wie es zu dem Skandal kommen konnte, ist bis heute nicht voll und ganz geklärt. Fest steht, dass es nicht das Werk einzelner Täter war, sondern kriminelle Organisationen hinter den Vorfällen steckten. Der Calciopoli offenbarte auf erschreckende Art und Weise, dass die italienische Mafia auch vor dem Fußball nicht Halt machte. Im Gegenteil war sie sogar sehr präsent und dabei ging es schon lange nicht mehr nur um Sportwetten.

Der Fußball in den Händen der Mafia

Raffaele Cantone, ein Antimafia-Staatsanwalt aus Rom, beschäftigt sich seit 2007 mit der Thematik und begründet die Präsenz der Mafia im italienischen Fußball mit zwei zentralen Faktoren: Geld und Macht. Zum Einen will man an einem Geschäft teil haben, in dem so viel Geld zirkuliert, wie in kaum einem anderen. Zudem sei der Fußball eine Eintrittskarte zu der einflussreichen Gesellschaft Italiens, da man auf dieser Bühne Kontakte zu Unternehmern, Politikern und anderen hohen Amtsträgern knüpfen kann. Laut Cantone seien bis heute große Teile des unterklassigen Fußballs in Süditalien unter Kontrolle der sizilianischen Cosa Nostra, sowie der kalabresischen 'Ndrangheta, doch auch die großen Klubs des Landes seien schon in das Visier der organisierten Kriminalität geraten. Der Staatsanwalt wurde im Jahr 2004 durch einen Fall bekannt, in dem ein Versuch der neapolitanischen Camorra scheiterte, den Erstligaklub Lazio Rom zu übernehmen. Angeblich seien die Verhandlungen bereits weit fortgeschritten gewesen, bis Ermittlungen der Polizei die Übernahme verhindern konnten. Ebenso sollen ihm Hinweise vorliegen, welche darauf hindeuten, dass auch andere Großklubs des Landes bereits Verhandlungen mit kriminellen Organisationen geführt haben sollen, auch hier kam es jedoch nie zu einer Übernahme. Zwar konnte dadurch das größte Übel verhindert werden, doch gelöst war das Problem damit bei Weitem nicht, denn viele Beispiele, bei denen die Mafia ihre Finger im Spiel hat, sind offene Geheimnisse.

So stand die Jugendabteilung des US Palermo lange Zeit unter Kontrolle der Cosa Nostra, die Jugendspieler aus den eigenen Familien in den Mannschaften plazierte, um bei einem Weiterverkauf die Provision zu kassieren und im Gegenzug freien Eintritt zu allen Heimspielen für hochrangige Mafiosi bekam. In unterklassigen Ligen, wie bei dem kampanischen Lokalverein Mondragonese, werden sogar Schweigeminuten für verstorbene 'Ndrangheta-Spitzen abgehalten. Renato Pagliuca, einem einflussreichen Mafiaboss, war es über den Verein in den 90er Jahren gelungen, Kontakt zu Mario Landolfi, einem späteren Minister im Kabinett Silvio Berlusconis, aufzunehmen. Zudem ist es nicht nur das Ziel, eigene Familienmitglieder in den Klubs zu plazieren, sondern auch die anderen Jugendspieler der Vereine für die eigenen Sache zu gewinnen. So wurde beispielsweise bei Potenza Calcio, einem Verein aus der Region Basilikata im Süden des Landes, der vorherige Trainer gewaltsam, indem man sein Auto anzündete und ihm mit Mord drohte, vertrieben, um ihn durch einen Mafioso zu ersetzen, der dadurch die Jugendspieler anwerben sollte. Selbst beim SSC Neapel ist bekannt, dass die Camorra an Eintrittsgeldern, Trikotverkäufen und Parkplatzgebühren lange Zeit mitverdiente und zudem Teile der Ultra-Szene kontrolliere. Ähnlich soll es laut Pressestimmen auch beim AC Mailand, Juventus Turin und anderen großen Vereinen vorgegangen sein. Es sind nur einige Beispiel, die beweisen, dass die Mafia selbst im Fußball überall auftaucht.

Neues Gesicht nach deutschem Vorbild

Der Blick in die Zukunft macht allerdings Hoffnung, denn der italienische Fußball ist bei weitem nicht mehr so korrupt und infrastrukturell schwach wie zu Beginn des Jahrhunderts. Zwar taucht auf Parkplätzen der Stadien gelegentlich mal ein sogenannter Pizzo, ein illegaler Parkwächter, auf, um Schutzgeld für seine Organisation einzutreiben oder ein Spieler einer Familie der Cosa Nostra, 'Ndrangheta oder Camorra schafft den Sprung in ein Team aus unterklassigen Ligen, der große Einfluss der italienischen Mafia im Fußballgeschäft ist jedoch weitestgehend verschwunden. Kaum ein Verein der hochklassigen Ligen tritt heute noch Schutzgelder ab oder bezahlt Provisionen an mafiöse Organisation. Der Versuch der Mafia, große Vereine des Landes als Mittel zur Geldwäsche und Sicherung des Einflusses, zu übernehmen, ist gescheitert und wird in Zukunft mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr möglich sein. Fälle von bekannten Spielern aus Mafia-Familien , wie die von Giuseppe Sculli oder Gaetano D'Agostino gibt es heute kaum noch. Die Kontrolle von Ultra-Szenen durch die Mafia, sowie die Organisation von Ausschreitungen, wie im Jahr 2010 bei einem Spiel zwischen dem SSC Neapel und Lazio Rom, gilt als einzige Thematik nach wie vor als ein großes Problem.

Nun will man in Italien nach vorne schauen. Der Calciopoli ist Vergangenheit und der italienische Fußball ist aus der Asche wiederauferstanden. Viele Klubs der hochklassigen Ligen stehen inzwischen wirtschaftlich auf gesunden Beinen. Zudem wurde das Jugendsystem nach deutschem Vorbild grundlegend verändert. Verantwortliche, welche die Jugendarbeit und wirtschaftliche Konsolidierung in den Vordergrund stellen, wie der ehemalige Nationaltrailer Cesare Prandelli, gelten als die neuen Gesichter des italienischen Fußballs. Der Calcio scheint sich von seinen Skandalen erholt zu haben und kann wieder in eine bessere Zukunft blicken.

Das war's dann auch schon mit dem zweiten Teil meiner kleinen Serie. Kommentare und Bewertungen sind gerne gesehen, ich hoffe es hat euch gefallen. In den kommenden ein bis zwei Wochen wird der dritte Teil erscheinen.

KOMMENTARE
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topogigio
01.11.2015 | 12:03 Uhr
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topogigio : Nicht nur Mafia
01.11.2015 | 12:03 Uhr
0
topogigio : Nicht nur Mafia
Kein wort uber inter?? Die den ganzen Skandal ausgenutzt (inszeniert ) haben um siegreich zu sein ??? Tronchetti Provera Präsident von Italien Telekom,und inter Vizepräsident, hat alles (Illegaler weise) Auspioniert eben durch Telekom ????
Dass eben inter durch sein damaliger Präsident Facchetti viel mehr an Schiri Obman Bergamo telefoniert hat, geschenke angeboten hat, und in der Kabine des Schiri Bertini um sieg gebettelt hat ???
Dass der Staats Anwalt Des FIGC Palazzi inter für schuldig erklärt hat aber erst nach der lächerlichen Verjährung wo sie nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden konnten !!!! Dass Pulvirenti Präsident von Catania calcio 5 Spiele zu je 100.000 euro gekauft hat und nur 5 jahre sperre bekommen hat ?? Moggi OHNE EIN WIRKLICHES BEWEIS WURDE LEBENSLANG GESPERRT ....................................

Dafür gebe ich dir eine NULL !!!
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