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Von: milan07
19.10.2015 | 9293 Aufrufe | 1 Kommentare | 2 Bewertungen Ø 10.0
Pablo Escobar und sein Lieblingsspielzeug
Der Fußball und die Kriminalität
Erster Teil einer Serie über die Verstrickung der organisierten Kriminalität in den Weltfußball

Der Fußball und die Kriminalität

Teil 1: Pablo Escobar und sein Lieblingsspielzeug

Der internationale Fußball ist zu einem Millionengeschäft geworden. In Form von Fernsehgelder, Spielertransfers oder Merchandising fließen jedes Jahr Milliarden zwischen den Vereinen, ihren Fans und Investoren. Es ist kein Geheimnis, dass überall wo Geld fließt, auch die Kriminalität nicht weit ist. Neben offiziellen Institutionen profitierten schon immer auch die organisierte Kriminalität von diesem Geschäft, was jedoch nur selten an die Öffentlichkeit gelangt. In einer kleinen Serie möchte ich mich daher in drei Blogs der Verstrickung der organisierten Kriminalität in den Fußball widmen. Los geht es heute mit dem ersten Teil der Serie. Viel Spaß!

Der Fall Andrés Escobar

Der 2. Juli 1994 wird wohl für die Ewigkeit einen schwarzen Fleck in der Geschichte des kolumbianischen Fußballs darstellen. Es war der Tag, an dem die Verstrickung der organisierten Kriminalität mit der Fußballkultur des Landes, vor der man bisher stets die Augen verschloss, ihren traurigen Höhepunkt erreichte. Es war der Tag, an dem sportlicher Misserfolg einem nationalen Fußballidol das Leben kostete. Andrés Escobar liebte den Fußball. Er liebte es, dass niemand wie beim Stierkampf sterben musste, dass sich das Spiel nicht um den Tod, sondern das Leben drehte. Ihm war damals nicht bewusst, welch traurige Ironie seine Aussagen einige Jahre später bekommen sollte. Ende der 90er Jahre verbreitete sich eine noch nie dagewesene Euphorie im kolumbianischen Fußball. Die nationale Liga war wieder erstarkt und auch die Nationalmannschaft des Landes schien so talentiert wie nie zuvor zu sein. Man nahm den Erfolg dankend an, niemand hinterfragte damals jedoch, wie dieser Aufschwung zu erklären war. 1989 gewann Atlético Nacional, ein Verein aus Medellín, der zweitgrößten Stadt des Landes, als erste kolumbianische Mannschaft die Copa Libertadores. Man setzte sich im Elfmeterschießen gegen den Club Olimpia aus Paraguay durch. Den ersten Elfmeter verwandelte damals ein junger Innenverteidiger namens Andrés Escobar, der letztendlich als einer von fünf Torschützen zu einem knappen Sieg und dem Titelgewinn beitrug.

Der kolumbianische Fußball erlebte eine neue Blütezeit, dementsprechend groß waren die Erwartungen an die Nationalmannschaft auch bei der Weltmeisterschaft 1994 in den Vereinigten Staaten. Selbst Außenstehende, wie der große Pelè, bezeichneten das Team als einen Geheimfavoriten auf den Titelgewinn. Nach einer Niederlage gegen Rumänien konnte sich die Mannschaft dann jedoch schon am zweiten Spieltag gegen den Gastgeber USA keine weitere Enttäuschung leisten. Der Druck der kolumbianischen Öffentlichkeit war enorm, die Fans erwarteten einen Sieg, doch es kam anders. Es war Andrés Escobar, der mit einem Eigentor die zweite Pleite im zweiten Spiel und damit das Ausscheiden der Mannschaft besiegelte. Ein Aussetzer, den er mit seinem Leben bezahlen sollte. Nur wenige Tage nachdem die Mannschaft in die Heimat zurückkehrte, wurde der damals 27-jährige am 2. Juli auf einem Parkplatz in Medellín mit zwölf Schüssen ermordet. Bis heute sind die Hintergründe der Tat nicht geklärt, allerdings gilt es als wahrscheinlich, dass sich kolumbianische Drogenbosse, die sogenannten Narcos, für verlorene Sportwetten rächen wollten. Seine Mitspieler warnten Escobar zuvor, konnten ihn jedoch nicht zu besonderer Sicherheit überreden. Der Innenverteidiger plante damals seine Freundin zu heiraten und nach Italien, zum AC Mailand zu wechseln. Er bestand darauf keine Angst zu zeigen und bezahlte dafür mit seinem Leben.

Die Entstehung des Narco-Fußballs

Der Tod Andrés Escobars machte auf ein Problem aufmerksam, vor dem die meisten Verantwortlichen, sowie die Öffentlichkeit bisher noch bewusst oder unbewusst die Augen verschlossen. Der Aufschwung des kolumbianischen Fußballs war nicht mit sportlichen Gründen, sondern mit Geldern zu erklären, die direkt aus Drogenkartellen in die Vereine des Landes flossen. Ablösesummen bei Spielertransfers, Eintrittsgelder oder Prämien waren für die Narcos ein optimales Mittel zur Geldwäsche. Die damals oftmals hoch verschuldeten Vereine sahen in ihnen dagegen eine einmalige Gelegenheit, sich finanziell besser aufzustellen. Der kolumbianische Fußball lag zu dieser Zeit am Boden. Das Interesse an der eigentlich so beliebten Sportart war gering wie nie. Die Stadien waren leer, die Vereinsstrukturen veraltet und die Spieler unterbezahlt. Eine Wahl hatten sie zudem nicht wirklich. Zum Einen entstand ein regelrechter Wettbewerb in der Liga darum, wer am meisten vom Drogengeld profitieren konnte. Ohne einen Narco an der Spitze des Vereins, war es schlichtweg nicht mehr möglich, wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum Anderen wollte kein Verantwortlicher sich gegen die mächtigsten und gefährlichsten Männer des Landes stellen.

Als ein Vorreiter der Verstrickung in den Fußball gilt Gonzalo Rodríguez Gacha, der damals die rechte Hand Pablo Escobars war. Auf einer Hauptversammlung des Erstligaklubs Millonarios FC machte er 1982 den Klubbesitzern ein unmoralisches Angebot. Er bezahlte die hohen Schulden und kaufte den bisherigen Besitzern ihre Anteile für den dreifachen Wert ab. El Mexicano, wie Gacha in Fachkreisen genannt wurde, beschenkte die Fans mit zahlreichen neuen Spielern, denen er bis zu 50.000 Pesos Gehalt bezahlte, während er hinter den Kulissen mit den Transfers Geld im Millionen-Bereich wusch. Mit dem Drogengeld kam der sportliche Erfolg und weder die Fans, noch die Verantwortlichen wollten die Gründe dieses Erfolges hinterfragen. Sie waren zufrieden, obwohl die Realität alles andere als zufriedenstellend aussah. Der kolumbianische Fußball war zu einem Spielzeug des Drogenhandels geworden, denn Gacha blieb nicht der einzige Drogenboss, der Gefallen am Fußballgeschäft fand. Selbst der berüchtigste unter ihnen, Pablo Escobar, kaufte sich persönlich seine Spielzeuge. Er übernahm die beiden Vereine aus seiner Heimatstadt Medellín, Atlético Nation und Independiente Medellín. Miguel Rodriguez, der Begründer des Cali-Kartells, kaufte sich in den Verein América de Cali ein. Schon bald stand hinter der halben Liga ein Drogenpatron als Geldgeber. Angehörige beschrieben später, wie Escobar und Co. Gefallen am Fußball fanden. Sie haben den Fußball geliebt, seien wieder zu Kindern geworden, wenn es um ihren geliebten Sport ging. So ginge es ihnen dabei nicht nur um Geld, sondern auch um Sieg oder Niederlage. Die erste Fußballliga des Landes wurde zu einem Spielzeug der Drogenkartelle.

Die Fessel der Kriminalität

Der Tod Andrés Escobars schuf ein neues Bewusstsein für die Problematik, die Verstrickung zwischen Fußball und Kriminalität saß jedoch zu tief, um sie aufzulösen. Die Narcos gehörten damals laut der amerikanischen Zeitschrift Forbes zu den reichsten und einflussreichsten Menschen der Welt. Sie kontrollierten die Politik des Landes, sie kontrollierten den Staatsapparat des Landes und sie kontrollierten den Fußball. Schiedsrichter wurden gekauft oder ermordet und Spieler mit großzügigen Geschenken bestochen. So besuchte die Nationalmannschaft sogar Pablo Escobar in seinem Privatgefängnis Le Catedral. Nicht weil sie es so wollte, sondern weil sie es mussten. Niemand war in der Lage, sich gegen die Übermacht zu stellen, welche das Geschäft so fest im Griff hatte wie niemand zuvor. Die Befreiung des Fußballs aus der Fessel der Kriminalität ließ lange auf sich warten und ging Hand in Hand mit Razzien gegen die Drogenkartelle. Pablo Escobar wurde am 2. Dezember 1993 von einer kolumbianisch-amerikanischen Elite-Einheit erschossen. Das selbe Schicksal ereilte Jose Rodriguez Gacha schon 1989. Miguel Rodríguez wurde am 6. August 1995 in seinem Apartment von der nationalen Polizei verhaftet, ebenso wie viele andere einflussreiche Narcos. Mit ihnen verschwanden zwar die Köpfe des Narco-Fußballs, das Problem der Kriminalität im Fußballgeschäft Kolumbiens hat sich dadurch allerdings nicht in Luft aufgelöst. César Villegas, der ehemalige Präsident des kolumbianischen Vereins Santa Fe wurde im März 2002 auf offener Straße erschossen, nachdem ihm zuvor mehrfach vorgeworfen wurde, Gelder von Drogenkartellen angenommen zu haben. Am 11. Oktober 2009 war ein kolumbianisches Fußballteam in Venezuela verschleppt und ermordet worden. Zuletzt wurde der ehemalige Nationalspieler des Landes, Faustino Aspirilla, mit Morddrohungen von kriminellen Banden konfrontiert und musste sein Heimatland aus Sicherheitsgründen verlassen. Hierbei handelt es sich nur um wenige Beispiele dafür, wie stark der kolumbianische Fußball bis heute von der Fessel der Kriminalität betroffen ist. Eine Fessel, aus der man sich wohl erst lösen kann, wenn sich nicht nur der Fußball, sondern das gesamte Land grundlegend ändert.


Der Fußball und der Frieden

Ein Beispiel dafür, dass Fußball in Kolumbien auch dazu in der Lage ist, Gutes zu tun bietet der ehemalige Nationalspieler und Nationalheld Carlos Valderrama. So benutzte er in den vergangenen Jahren seine Rolle als Fußballidol immer wieder, um sich für den Frieden in Kolumbien einzusetzen. Dabei reiste er gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitspieler Mauricio Serna durch das ganze Land um für eine Aussöhnung durch Fußball zu werben. 2013 riskierte der damals 52-jährige seine eigene Sicherheit, um sich für eine Aussöhnung mit der linksgerichteten kolumbianischen Guerillabewegung FARC einzusetzen. Er forderte sie öffentlich zu einem Spiel für den Frieden auf und bekam eine unerwartet positive und friedliche Antwort. Die Volksarmee betonte in einem Schreiben an den ehemaligen Nationalspieler, dass unter ihnen viele Fußballfans seien und begrüßten den Vorschlag. Sie sagten Valderrama ihre Unterstützung zu, um sich gegen das mafiöse Management der Vereine zu wehren. Auch wenn Valderramas politisches Engagement von den Politikern, sowie der Presse des Landes oftmals belächelt wurde, sind seine Bemühungen dennoch ein schönes Beispiel dafür, wie Fußball einem instabilen Land wie Kolumbien auch helfen kann.

Das war's dann auch schon mit dem ersten Teil meiner kleinen Serie. Kommentare und Bewertungen sind gerne gesehen, ich hoffe es hat euch gefallen. In den kommenden ein bis zwei Wochen wird der zweite Teil erscheinen.

KOMMENTARE
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keyser
20.10.2015 | 20:10 Uhr
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keyser : 
20.10.2015 | 20:10 Uhr
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keyser : 
Ich kann mich noch gut an den Schock erinnern als ich von Escobars Ermordung gehört habe. Die Zusammenhänge waren mir damals noch nicht bewusst, aber als ich älter wurde, hat mich diese Geschichte nie losgelassen.

Diese traurige Geschichte ist es Wert in Erinnerung gehalten zu werden, deswegen danke für diesen Blog, bin schon auf den nächsten Teil gespannt.,
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