Wenn man ein halbes Jahr in Chile verbringt und versucht die Ziele eines Work&Travel-Aufenthalts zu erfüllen, kommt man mit vielen Menschen ins Gespräch. Wenn sich dieses halbe Jahr auch noch zufällig im Jahr einer Fußball-WM abspielt, für die sich Chile endlich mal wieder qualifiziert hat, haben Gespräche mit Chilenen meistens ein Thema. Schon mit dem Flughafenpersonal fanden erste Diskussionen darüber statt, auf welcher Position Arturo Vidal am besten aufgehoben sei und ob er in Leverkusen denn wirklich so ein wichtiger Spieler ist, wie die chilenischen Zeitungen gerne überschwänglich berichten.

Im Laufe meines Aufenthalts stellte sich aber heraus, dass der Spieler, in den die Chilenen die meiste Hoffnung für die damals anstehende WM und die Zukunft setzen, nicht Arturo Vidal heißt, sondern ein junger Spieler von Udinese Calcio ist: ALEXIS SANCHEZ. Sobald man die Frage stellte, wer denn bitte dafür sorgen soll, dass Chile den WM-Titel nach Chile holt, was die vorherrschende Prognose war, fiel sein Name. Spätestens seit der WM hat Sanchez auch bewiesen, warum er in seinem Heimatland so beliebt und von europäischen Top-Clubs so begehrt ist. Seine ungemeine Popularität in Chile zeigt auch das Suchergebnis bei google.cl: 647.000 Ergebnisse stehen z.B. 425.000 von Arturo Vidal und 294.000 bei der chilenischen Legende Ivan Zamorano gegenüber. Natürlich hat er sein enormes Potential erst im Ansatz gezeigt und hat auch noch einige Schwächen, die er zwangsläufig abstellen muss. Trotz allem ist seine rasante Entwicklung aber ein Portrait wert.



Biographie:

Alexis Sanchez wurde am 19. Dezember 1988 in Tocopilla, einer 24.000-Einwohnerstadt im Norden Chiles, geboren. Da die Stadt über keinen großen Fußballklub verfügt, schnürte er seine Fußballschuhe schon bald für den CD Cobreloa, einen Verein aus der ungefähr 250km entfernten Stadt Calama. Dort schaffte er bereits mit 16 Jahren den Sprung in den Kader der ersten Mannschaft. Udinese Calcio wurde schnell auf "el niño maravilla" (dt.: das Wunderkind) aufmerksam, das im chilenischen Profi-Fußball für soviel Furore sorgte und verpflichtete ihn im Alter von 17 Jahren für umgerechnet 3 Millionen €. Eine derart hohe Ablöse Summe wurde in Chile bis dato noch nie für einen 17-Jährigen bezahlt. Im selben Jahr (2006) gab er sein Nationalmannschaftsdebüt für Chile. Er startete also mit einigen Vorschusslorbeeren seine europäische Vereinskarriere, die allerdings erst mit zwei Jahren Verzögerung wirklich begann, da er je ein Jahr an Colo Colo in Chile und das legendäre River Plate in Buenos Aires ausgeliehen wurde. Bei beiden Leihstationen konnte er überzeugen und sich so einen Platz in Udineses erster Mannschaft erkämpfen. 2008 wurde er von Tuttosport zur Wahl des besten U-21 Spielers in Europa nominiert, die er mit mehr als 90.000 Stimmen gewann. Für Udinese Calcio hat er bis heute in zwei Saisons 64 Spiele bestritten, in denen er 8 Tore erzielen konnte.

Stärken & Schwächen:

Zusammen mit seinem Landsmann Mauricio Isla, der ähnlich talentiert ist, bildet er bei den Italienern eine extrem gefährliche rechte Seite. Der 1,70m kleine und 73 kg leichte Sanchez ist vom Typ her ein quirliger Rechtsaußen, der seine Stärken eher in der Torvorbereitung als im Abschluss hat. Er ist unheimlich schnell und trotz seiner geringen Körpergröße und seines geringen Gewichts sehr durchsetzungsfähig und robust. Er ist mit allen technischen Fähigkeiten ausgestattet, die man von einem südamerikanischen Offensivspieler erwartet: Ballsicherheit, schnelle Ballan- und mitnahme und eine große Portion Schlitzohrigkeit und Kreativität gehören zu seinem Repertoire. Seine absolute Stärke und die Fähigkeit, die ihn zu einer echten Waffe machen kann, sind aber seine Tempodribblings, bei dessen Ausführung er sehr stark an den jungen Cristiano Ronaldo erinnert. Auch was Gestik und Mimik auf dem Platz angeht, sind die beiden sich erstaunlich ähnlich. Doch leider leidet er auch noch an den Schwächen, die CR früher hatte (bzw. bis heute hat). Bei Sanchez ist der Hang zu beobachten, den Gegenspieler in manchen Situationen lächerlich machen zu wollen. Dies führt zum einen zu Unmut beim Gegner und zum anderen auch zu unnötigen Kabinettstückchen, die einen schnellen Spielzug verhindern. Gut zu sehen war dieses Verhalten z.B. beim WM-Spiel der Chilenen gegen Honduras, wo es maßgeblich an Sanchez’ Verspieltheit lag, dass Chile nur 1:0 gewinnen konnte. Des Weiteren übersieht er noch in zu vielen Situationen den besser postierten Nebenmann und verstrickt sich in oft erfolglose Alleingänge anstatt das Team mit einzubinden. Noch trifft er zu oft die falschen Entscheidungen, wann ein Pass und wann ein Abspiel nötig wäre und beraubt sich dadurch einer noch höheren Erfolgsquote, was Tore und Vorlagen angeht.

Allerdings scheint er sehr hart an diesen Schwächen zu arbeiten und zeigt hier wohl denselben Ehrgeiz wie sein portugiesisches Pendant. Sobald er diese Schwächen abstellen kann und seine Egozentrik nicht zu groß werden lässt, fehlt ihm nicht mehr viel zu einem absolut kompletten Spieler für die offensiven Außenpositionen. Eine Position, auf der es in Zukunft nicht allzu viele Top-Spieler geben wird und die ein ganzes Team entscheidende beeinflussen kann (siehe Messi bei Barcelona oder Robben in München,…). Seine Zukunftsaussichten sind also glänzend, zumal er auch nicht jetzt schon den Sprung zu einem europäischen Top-Klub wagt und sich stattdessen in aller Ruhe bei Udine entwickeln will, wo er dank seiner Landsleute Isla und Corvetto auch ein für ihn perfektes Umfeld genießt.



Fazit:

Alexis Sanchez ist ein klassischer Straßenfußballer, der schon in jungen Jahren sein enormes Potential gezeigt hat und jetzt mit gerade mal 21 Jahren zur ersten Elf bei Udinese Calcion gehört. Ihn auszeichnend ist eine ungemein hohe Durchsetzungsfähigkeit und Flexibilität, die er sowohl in der chilenischen, der argentinischen und der italienischen Liga bereits bewiesen hat. Nie hat er lange gebraucht um sich Einsatzzeiten und Spielanteile zu sichern. Die chilenische Nationalmannschaft ist schon jetzt auf ihn zugeschnitten und mit 33 Einsätzen und 11 Toren ist er hier auch schon eine der erfahrenen Stützen. Schon die U-20 führte er im Jahr 2007 zu Bronze bei der WM in Kanada. Er ist mittlerweile der populärste Spieler Chiles und besitzt in Südamerika auch großes Werbepotential, das sich z.B. in einem Werbevertrag mit dem größten Mobilfunkbetreibers Chiles äußert. Seine einzige Schwäche könnte sein, zumindest auf dem Fußballplatz, sehr eigenwilliger Charakter sein, der allerdings von erfahrenen bzw. guten Trainern und Mannschaftskollegen zu händeln sein müsste.Meiner Meinung nach kann Alexis Sanchez einer der besten Flügelspieler der Welt werden und in die Fußstapfen von Cristiano Ronaldo treten.