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08.03.2017 | 4229 Aufrufe | 2 Kommentare | 3 Bewertungen Ø 9.0
Enriques Entlassung in Barcelona
Baut ihm ein Denkmal!
Der FC Barcelona und Luis Enrique trennen sich am Ende der Saison. Der Trainer hat Historisches erreicht.

Das Medienecho war riesig nach der 4:0-Niederlage bei Paris Saint-Germain im Achtelfinale der Champions League. Von einem Totalschaden schrieb die "AS" und sah eine Mannschaft, die "taktischer, physischer und moralischer Unsinn" sei. Die "Mundo Deportivo" schrieb von der "schmerzlichsten Nacht in der jüngeren Vereinsgeschichte" und in den sozialen Netzwerken machte der Hashtag #enriqueout die Runde.

Alle sahen die Schuld für das blamable Auftreten Barcas im Prinzenpark von Paris beim Trainer. Die ganze Mittelmeerstadt war in Aufruhr. Wie konnte es soweit kommen?


Luis Enrique hat gleich in seiner ersten Spielzeit Historisches erreicht mit Barca. In seiner Debütsaison 2014/15 gewann er das Triple, mit einem schnellen, modifizierten aber höchst effektivem Fußball, dem die Topklubs Europas, allen voran Real Madrid, Paris, die Bayern und auch Juventus zum Opfer fielen.
Drei Titel im ersten Jahr das hatte zuvor nur Pep Guardiola geschafft.

Enrique moderierte gekonnt die Degradierung der Vereinslegende Xavi vom Mannschaftskapitän zum Einwechselspieler und installierte stattdessen Ivan Rakitic im Barca-Mittelfeld. Und er integrierte mit Luis Suarez einen echten Mittelstürmer ins Barca-Spiel. Damit schuf Enrique etwas Einmaliges: El Tridente, den Dreizack, bestehend aus Neymar und Messi auf den Seiten und Suarez im Zentrum. Der Mann mit der passenden Rückennummer neun wurde aber nicht nur mit Flanken von den Außenbahnen gefüttert, sondern spielte mit den Edeltechnikern an seiner Seite mit und machte das Trio wahrlich unbändig. Mit weit über 100 Toren stellten die drei Südamerikaner einen neuen Vereinsrekord auf. Die drei Superstars waren von Defensivaufgaben fast komplett ausgeschlossen, Enrique ließ die drei einfach machen.

Die Stadt war berauscht. Nach dem blamablen Ausscheiden in der Champions League gegen den FC Bayern 2013 und einer titellosen Anschlusssaison war man endlich zurück im europäischen Hochadel.

Im zweiten Jahr verteidigten Trainer und Mannschaft die Meisterschaft und den Pokal und gewannen darüber hinaus den europäischen Supercup und den Weltpokal. Und in dieser Saison triumphierte Enrique mit Barca auch im letzten noch fehlenden Titel, dem spanischen Supercup.

Ähnlich erfolgreich war nur Pep Guardiola. Den Startrainer verehren sie bis heute in Barcelona.

Anders als Guardiola ist Enrique von großer Dankbarkeit oder gar einem Legendstatus weit entfernt.

Enriques Vergangenheit hängt ihm bis heute nach

Für Guardiola ist Barca bist heute sein Herzensklub, daraus macht er keinen Hehl. Während seiner Amtszeit von 2008 bis 2012 stand nicht er nur sportlich, sondern auch politisch voll und ganz hinter dem Verein.

Barcas offizielles Vereinsmotto lautet "més que un club" - "Mehr als ein Verein". Es ist eine Anspielung darauf, dass der Verein Sammelbecken für die katalanischen Separatisten ist. Guardiola, der sich nicht als Spanier, sondern Katalane sieht, sprach sich mehrmals für die Unabhängigkeit der Region aus, das machte ihn zum heldenhaften Protagonisten.

Luis Enrique ist in Gijon, einer Hafenstadt in Asturien, geboren. Er spricht kein katalanisch, nicht fließend zumindest und jetzt, in Zeiten, in denen die Fans ihren Verein nicht auf Platz eins sehen und sich die Mannschaft in Paris blamiert hat, machen sie ihm das zum Vorwurf.

In den 1990er Jahren spielte er fünf Jahre lang für Real Madrid dem Erzfeind Barcelonas. Seine Zeit in der Hauptstadt haben ihm viele bis heute nicht verziehen. In den Augen der Katalanen steht Real für alles, wovon sich die Unabhängigkeitsbewegung frei machen möchte: Zentralspanien, faschistische Vergangenheit, Königstreue.

Erst 1996 wechselte Enrique zu Barca und spielte acht Jahre für die Katalanen.

So richtig warm wurden Fans und Trainer aber nicht.

Jetzt zieht sich der 46-jährige zurück. Die Erschöpfung, der Traineralltag, die enorme Erwartungshaltungen haben ihn aufgezehrt. Ähnlich war es bei Guardiola 2012.

Dabei schien Enrique wie gemacht für den Verein. Er begann seine Trainerkarriere bei Barcas B-Mannschaft, führte diese in die Segunda Division und erreichte mit Platz drei die beste Saisonplatzierung der Vereinsgeschichte. Er wechselte nach Rom, von dort aus zu Celta de Vigo.

Nach dem Tod Tito Vilanovas und einer titellosen Saison unter Gerado Martino wollte Barcas Vereinsführung wieder Konstanz auf dem Trainerstuhl und machte etwas, was bereits in der Vergangenheit zum Erfolg geführt hatte. Sie holten Enrique zurück, installierten also jemanden auf dem Posten des Cheftrainers, der die Vereinsphilosophie und das Selbstverständnis bereits kannte. Das hatte schon bei Frank Rijkaard und Pep Guardiola funktioniert.

Enrique bemühte sich im Laufe seiner Amtszeit, Talente aus Barcas berühmter Jugendakademie la Masia in seine Mannschaft punktuell zu integrieren, doch seine Entscheidungen zündeten nicht.

Sergi Roberto kann auf der Position des Rechtsverteidigers den nach Turin transferierten Dani Alves nur unzureichend ersetzen.

Denis Suarez, eigentlich auch aus der eigenen Jugend, wurde aus Villareal zurückgeholt, kommt aber über Kurzeinsätze nicht hinaus. Und Sergi Samper, das vielleicht vielversprechendste Talent aus der Barca-Akademie, wurde nach Granada verliehen, weil ihm Enrique den Sprung ins Profiteam nicht zutraute.

Mit einigen gestandenen Superstars, allen voran Messi und Suarez, hat er ein distanziertes Verhältnis, das ist ein offenes Geheimnis.

Angeblich soll Messi als Bedingung für seine eigene Vertragsverlängerung eine stärkere Mannschaft gefordert haben, die um alle Titel mitspielen kann. Die Vereinsführung arbeitete während der Saison fieberhaft daran, die Verträge von Iniesta, Rakitic, Suarez und ter Stegen, also den Stützen des Champions-League-Triumphs 2015, zu verlängern.

Vor der Saison hatte Luis Enrique behauptet, der aktuelle Kader sei der Beste, den er in Barcelona bislang zur Verfügung hatte. Der Saisonverlauf spiegelt etwas anderes wider. Zwar ist in der Liga alles offen, aber Barca scheint die Gewissheit der eigenen Stärke, die Selbstverständlichkeit des Siegens abhandengekommen zu sein. Der modifizierte Stil, für den Enrique lange gefeiert wurde, scheint nun Teufelszeugs zu sein, eine ungewünschte Revolution. Die Fans wollen wieder das klassische Kurzpassspiel und eigene Talente sehen. Im Camp Nou, der gigantischen Arena mitten in der katalanischen Hauptstadt, reicht es nicht, nur zu gewinnen. Das anspruchsvolle Publikum will immer auch Spektakel.

Nach der Schlappe in Paris habe Luis Enrique viel mit seiner Frau das Spiel Eile mit Weile, am ehesten in Deutschland vergleichbar mit Mensch ärgere dich nicht gespielt und oft gewonnen. Das war seine eigene, ironisch-forsche Art, mit der aus seiner Sicht übertriebenen Kritik umzugehen.

Gegen Enriques Geburtsstadt Gijon gewannen die Katalanen im neuen 3-4-3-System locker mit 6:1. Danach verkündete der Trainer seinen Abschied. In drei kurzen Sätzen, am Ende der üblichen Pressekonferenz. Fast beiläufig erklärte er, er brauche eine Pause. Dann stand er auf und ging. Unspektakulärer ging es kaum.

Der Auftritt am Wochenende war das erste Spiel nach Enriques Bekanntgabe, nach der Saison aufzuhören. Die Mannschaft spielte gegen Celta de Vigo schnell und schön und gewann mit 5:0.

Und am Ende waren sogar Louis-Enrique-Sprechchöre im Stadion zu hören. Erst jetzt, bei solchen Gala-Auftritten ihrer Mannschaft, scheinen die Fans zu bemerken, was sie an ihrem Trainer haben.

Einen 5:0-Sieg braucht Barca auch im Rückspiel gegen Paris Saint-Germain, um tatsächlich ins Viertelfinale einzuziehen. Das wäre mehr als eine Sensation, es wäre ein Wunder.

Im Camp Nou, in dem 98.000 Zuschauer erwartet werden, scheint eine spektakuläre Aufholjagd nicht unmöglich. Dann würden sie ihrem Trainer, der es trotz Titel und Toren nie so wirklich in die Herzen der Fans geschafft hat, vielleicht doch ein Denkmal bauen. Verdient hätte er es eigentlich schon jetzt. Er ist einer der erfolgreichsten Barca-Trainer aller Zeiten.

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Chriis
08.03.2017 | 13:22 Uhr
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08.03.2017 | 13:22 Uhr
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Chriis : 
Sehr schön zusammengefasst. Enrique hat Barca wieder ins Titelrennen gebracht. Trotzdem sehe ich Pep's Barca als das beste was es je gab. Ich finde auch das Enrique diese Saison einige komische Entscheidungen bzgl. Spieler getroffen hat. z.B Gomez immer in der Startelf obwohl er in jedem Spiel schlecht war. Die Mannschaft hat sich jetzt gefangen aber leider ein wenig zu spät für die CL.
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Chriis
08.03.2017 | 13:22 Uhr
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Sehr schön zusammengefasst. Enrique hat Barca wieder ins Titelrennen gebracht. Trotzdem sehe ich Pep's Barca als das beste was es je gab. Ich finde auch das Enrique diese Saison einige komische Entscheidungen bzgl. Spieler getroffen hat. z.B Gomez immer in der Startelf obwohl er in jedem Spiel schlecht war. Die Mannschaft hat sich jetzt gefangen aber leider ein wenig zu spät für die CL.
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