Allas Begone!
Es waren wilde Zeiten in Dallas zu Beginn des neuen Jahrtausends. Die Dallas Mavericks, ehemals Prügelknabe der Liga, danach ein Team, dass im Brackwasser des unteren Mittelmaßes recht unbemerkt vor sich hindümpelte, machten eine wundersame Verwandlung durch. Aus den Underdogs wurde ein Team, vor dem man sich hüten musste. Der Grund dafür waren damals die "Big Three", Michael Finley, Steve Nash und selbstverfreilich Dirk Nowitzki. Der Sprung in die Playoffs wurde zur Gewohnheit, die Mavericks zählten schnell zu den gefährlichsten Teams nicht nur des Westens, sondern der gesamten NBA. Kein anderes Team stand damals derartig für "Run and Gun Offense". Das Markenzeichen war aber zugleich auch der große Schwachpunkt. Nicht umsonst bekamen sie den Namen "Allas" verpasst. Allas, no D. ...
Die Mavericks haben es nunmehr geschafft, in 10 Spielzeiten hintereinander mehr als 50 Siege zu feiern, waren 2006 in den Finals (was da passiert ist... naja, ihr wisst es ja) und zählen mitterlweile, trotz der Enttäuschungen in den Playoffs in den letzten Jahren, zu den etablierten Größen der NBA. Und obwohl sie nicht mehr nur auf Offensive ausgelegt waren, ein Bollwerk war ihre Verteidigung nie.
Tempi passati! Rick Carlisle und seine Mannen haben in dieser Saison das vollendet, was schon Avery Johson versucht, aber nie wirklich erreicht hat. Er hat die Mavs zu einem der besten Defensivteams der Liga transformiert. Etwas, was ich in meinen Lebzeiten kaum mehr für möglich gehalten hatte.

Zoned In

Drei Grundsteine für diesen Erfolg kann man recht leicht ausmachen:
Zum einen die individuelle Klasse der "alteingesessenen" Mavericks. Nowitzki wird nie ein All NBA Defensive Player, aber eine Steigerung ist doch von Jahr zu Jahr bemerkbar. Jason Kidd ist, wie eh und je, schlau wie eine Eule und gewitzt wie ein Fuchs. Er mag nicht der Schnellste sein, aber oft genug macht er dieses Manko durch seine Erfahrung und Gerissenheit wieder wett. Jason Terry klaut mehr Bälle als je zuvor in seiner Karriere. Dass Shawn Marion ein erstklassiger Verteidiger ist (und zwar gleich auf 3 Positionen), war nie ein Geheimnis. Selbiges gilt auch für Caron Butler, obwohl er selbst und viele andere immer in erster Linie den Werfer Caron gesehen haben. J.J. Barea ist kein großartiger Verteidiger, dazu ist er ist zu klein und zu schwach, aber er hat einen Weg gefunden, diese Tatsachen zu seinem Vorteil zu nutzen: Kein anderer Spieler in der NBA hat in dieser Saison so viele Offensive Fouls gezogen! Zu guter letzt Brendan Haywood: Er spielt solide in der Defense, bleibt aber bislang DIE große Enttäuschung des Jahres in Dallas. Vielleicht war der Vertrag, mit mit dem man ihn geködert hat, wirklich zu groß.

Das taktische Stichwort heißt "Zonenverteidigung". Obwohl sie ja eigentlich schon ein "alter Hut" ist (obwohl "alt" hier wohl das falsche Wort ist, immerhin war sie in der NBA bis 2001 (!) verboten) hat Dallas sie in diesem Jahr zu einer neuen , mächtigen Waffe umfunktioniert. Kein anderes Team der NBA wechselt so oft von der klassischen Mann- zur Zonenverteidigung. Bei vielen Teams ist sie der letzte Ausweg oder ein überraschendes, aber nicht dauerhaft einsetzbares Mittel um den Rhythmus der Offensive (kurz) zu unterbrechen. In Dallas wird oft 4 oder mehr Angriffen hintereinander mit dieser Taktik begegnet. Das verlangt perfekte Abstimmung und viel Konzentration von allen Beteiligten. Wird sie nämlich nicht nahezu perfekt durchgezogen, wird sie schnell zum sportlichen Selbstmord. Umso erstaunlicher ist es, wie wunderbar es bei Dallas funktioniert. Vor allem bewundernswert ist die Leichtigkeit und Häufigkeit, mit der innerhalb kürzester Zeit zwischen Mann- und Zonenverteidigung gewechselt wird. Gift für den "Flow" der Gegner. Das jüngste Opfer: Die Miami Heat mit Dwayne Wade und LeBron James, zwei der besten wenn es darum geht den Korb anzugreifen. Genau das hat die Zonenverteidigung mustergültig verhindert, die beiden Ausnahmekönner mussten sich öfter als ihnen lieb ist auf Sprungwürfe beschränken. Die treffen sie zwar noch immer gut genug, aber sie sind einem Sturm an Korblegern, Dunks und Freiwürfen allemal vorzuziehen.

Tenacious C

Punkt 3 widme ich ganz der wichtigsten Neuerwerbung des Jahres: Tyson Chandler!
Innerhalb kürzester Zeit hat er sich nicht nur zum Publikumsliebling entwickelt, er ist vor allem aus dem Erfolgskonzept der Mavericks nicht mehr wegzudenken. Das liegt natürlich zum einen an seinen Fähigkeiten auf dem Platz. Jetzt wo er wieder fit ist kann man ihn ruhigen Gewissens zur Center-Oberklasse zählen. Für seine 2,16 Meter ist er noch erstaunlich flink auf den Beinen, ist athletischer als jeder Center in der Geschichte des Teams. Das Ergebnis: Blocks, Rebounds, krachende Dunks und immer wieder großartige Defense. Offensiv ist er zwar kein Dwight Howard und schon gar kein Shaq, aber trotzdem weit über Dampier, Haywood und alle anderen Center, die je für Dallas gespielt haben, zu stellen. Er ist derzeit die Nummer 2 der Liga in Körben nach Lobpässen und die berühmte "Hack"-Taktik funktioniert gegen ihn nicht. Über 80% seiner Freiwürfe finden ihr Ziel.
Noch wichtiger als das ist aber vielleicht der emotionale Aspekt. Er bringt mehr mit als Athletik und Muskelberge, er bringt vor allem Leidenschaft, Einsatz und jede Menge Feuer! Stats sind ihm egal, solange das Team gewinnt, und über Blocks und Dunks seiner Kollegen freut er sich auf der Bank bisweilen mehr, als wenn er selber die Bretter erzittern lässt. Diese Einstellung kann ansteckend sein und sie scheint sich wirklich auf das ganze Team ausgebreitet zu haben. Tyson Chandler ist wie ein spielendes Maskottchen, ein riesiger, brachialer Gute-Laune-Bär. Und für den derzeitigen Erfolg unglaublich wichtig. Dirk Nowitzki hat seine Verpflichtung nicht umsonst mit Kevin Garnetts Wechsel zu Boston verglichen.

"Defense wins Championships." Dafür wird es, fürchte ich, wohl auch dieses Jahr nicht reichen. Aber es ist trotzdem eine Entwicklung, die jedem Fan das Herz aufgehen lassen muss.