Glaubt man deutschen Fernsehkommentatoren, so bietet der englische Fußball doch allerlei Sonderbarkeiten. Zum einen ist es quasi ausgeschlossen, eine Spielertraube der englischen Nationalmannschaft zu sehen, ohne sofort an die "berüchtigte Fairplay-Mentalität der Engländer" erinnert zu werden; zum anderen werden brutalste CL-Fouls einfach mit der "normalen Härte der Premier League" abgetan. Und auch bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft verging bis vor einigen Monaten kein Freistoß ohne den dezenten Hinweis, dass Thomas Hitzelsperger wegen seines harten Schusses "auf der Insel ja ausschließlich unter dem Spitznamen 'The Hammer'" bekannt sei.

Natürlich sind all diese Klischees nicht ohne Wahrheit. Beispielsweise dürfte die englische Härte einigen Mitgliedern des deutschen Bundestages noch in schmerzvoller Erinnerung sein, wenn sie an das .. nun ja, etwas rustikale Einsteigen des Londoner Bürgermeisters in einem an sich harmlosen deutsch-englischen Benefizspiel zurückdenken. Hitzelspergers Wechsel zu West Ham verführte Spitzenjournalisten der Sun erst kürzlich zu gar tollkühnen Wortspielen. Und ebenso könnte sich Frankreichs Hand-Gottes-Henry künftig ein wenig mehr am einstigen Fairplay Robbie Fowlers orientieren.

Doch das ist eben nur eine Seite der Medaille. Denn Dinge auf der Insel haben sich langsam geändert. An Thomas Hitzelsperger kann sich nach dessen unrühmlichen Abgang unter Trainer O'Leary wohl kaum einer mehr erinnern. Die Daily Mail warnt Rooney mittlerweile öffentlich davor, sich ja nicht zu aggressiven Fouls oder verbalen Ausrastern hinreißen zu lassen. Und selbst Steven Gerrard ist sich nicht einmal mehr für eine Schwalbe gegen Andorra [!] zu schade.

Zeit also, die Ansammlung zahlreicher Fußballklischees der letzten Jahre ein wenig zu überdenken. Und welch bessere Gelegenheit könnte es dafür geben als die unmittelbar vor der Tür stehende Weltmeisterschaft? Mit der EURO 2008 war das ja so eine Sache mit den Engländern...

Deshalb werde ich in diesem Blog - in meiner unfreiwillig patriotischen Rolle als in England lebender Deutscher - von den Geschehnissen auf der Insel in Zeiten des allgemeinen Wahnsinns berichten. Ziel ist nicht, auf möglichst feuilletonistisch-rotweintrinkende Art sarkastisch-ironisch den überzogenen Patriotismus anzuprangern (das wurde in den letzten Jahren schon oft genug verbrochen ). Ziel ist es auch nicht, über die ach-so-schreckliche Germanophobie der Engländer zu jammern (das hatten wir ja neulich auch schon). Nein, die Idee ist lediglich, in diesem Blog ein paar alltägliche Beobachtungen im (aufgepasst!) Mutterland des Fußballs mit dem geneigten Leser zu teilen. Sich über den englischen Fußball ebenso wie über die öffentliche Einstellung zu diesem auszutauschen. Oder gar Vergleiche mit den geilen Deutschen anzustellen. Undsoweiter undsofort..!

Auf zahlreiche Leser und lobpreisende Kommentare hoffe ich. Natürlich. Ebenso wie auf ein spannendes Achtelfinale...