96 in der Champions League, was für eine Vorstellung. Noch vor 16 Monaten war unser geliebter Verein in der größten Krise der Vereinsgeschichte. Der Abstieg schien sicher, einige "Experten" hier bei Spox.com waren sogar der Meinung, dass 96 der Abstieg gut tun würde, um in der 2. Bundesliga den Neuanfang zu starten.

Der neue Trainer Mirko Slomka hat die Negativserie zum Einstand abgewendet, kurz bevor er entlassen worden wäre und die Mannschaft für den sensationellen Schlussspurt fitgemacht. Die Fans haben aus dem Endspiel in Bochum ein Heimspiel gemacht und sicher nicht unwesentlich zum Klassenerhalt beigetragen.

Wenn man etwas mehr als den Klassenerhalt schafft und auf dem kürzesten Weg- dem Pokal- noch Einnahmen generieren kann, wäre das ideal. Zur neuen Saison wurde der Umbruch angepackt. Ur-Hannoveraner wie Jan Rosenthal, Jiri Stajner, Arnold Bruggink und Hanno Balitsch verließen den Verein. Alle haben- wenn sie fit waren- eine wichtige Rolle für die erste Elf gespielt un plötzlich sollen Moritz Stolperkrampf und Lars Stindl aus der zweiten Liga für unseren Klassenerhalt sorgen?!.. Äußerst Zweifelhaft. Jan Schlaudraff und Mike Hanke wurden in der Vorbereitung zu den neuen Hoffnungsträgern erkoren und haben tatsächlich gute Leistungen gebracht. Die Vorfreude auf die Saison war groß.

Bis zum 15. August.

In der ersten DFB-Pokal-Runde ging’s nach Elversberg zu einem Regionalligisten- man hätte es schlimmer treffen können. Allerdings ist das Spiel dort leblos und sehr Torchancenarm. Es geht in die Verlängerung und anschließend ins Elfmeterschießen. Durch den verschossenen Elfmeter von Mikael Forssell sind wir neben St. Pauli der einzige Erstligist, der in der ersten Pokalrunde die Koffer packen muss. Ein grausamer Tag. Endzeitstimmung, davon hat man eigentlich genug hier.


Nicht Bundesligareif?

Schlaudraff und Hanke verschwinden aus der ersten Elf, dafür wird ein unbekannter Norweger namens Abdellaoue verpflichtet. Ob der noch helfen kann?

Am ersten Spieltag gegen Frankfurt gelingt uns der Auftaktsieg- mit etwas Glück und Ya Konan. Matchwinner war aber wohl Kocka Rausch, der gegen Elversberg nicht im Kader war. Ein starker Leistungsanschub, ein kluger Schachzug von Slomka.

In den folgenden Spielen siegt die Truppe von der Leine munter weiter, Ya Konan und „Moa" erweisen sich als kongeniales Sturmduo. Die wenigen Niederlagen werden immer wieder als Anzeichen für den Absturz Hannovers gesehen, vergeblich. Zum Ende der Hinrunde zaubert die Mannschaft von der Leine eine Serie von 5 Siegen in Folge; so etwas hat man hier wohl noch nie gesehen. Die Vorrunde wird auf dem vierten Platz beendet.
Dass es so weitergeht, war nicht zu erwarten. Spätestens zur Rückrunde müssen sich die Konkurrenten doch auf die Überraschungsmannschaft eingestellt haben, ist ja eigentlich eine Tradition.



Allerdings wird genauso konstant weitergepunktet wie in der Hinrunde. Der Höhepunkt der Saison, sicherlich der 3-1 Sieg über Bayern München am 5. März 2011. Damit steht Hannover 96 fünf Punkte vor dem Riesen aus Süddeutschland und die Europapokal-Qualifikation scheint nicht mehr zu nehmen, einige Träumer denken sogar an den zweiten Platz. Berechtigt!

Kurz darauf folgen allerdings zwei Klatschen beim Effzeh aus Köln und beim designierten Deutschen Meister aus Dortmund. Die Münchner holen den Rückstand innerhalb eines Monats auf, Leverkusen hat sich einen großen Vorsprung auf Platz 3 verschafft. Damit geht es nur noch um den Zweikampf 96 vs. FCB. Die Bayern stehen wegen des CL-Finales in München unter enormen Druck. Ein Prestigeprojekt, da dabei zu sein. Nicht umsonst wird diesen Sommer massig Geld ausgegeben. Dass man allerdings wirklich in der Europa League- dem Verlierer-Cup, wie Franz Beckenbauer den Vorgänger dieses Wettbewerbes nannte- landen kann, scheint aus Sicht vieler Bayern immer noch unmöglich.

Es wird eine Hetzjagd gegen 96 betrieben, in dem der Untergang der Bundesliga in der Fünfjahreswertung beschrieben wird. Eine Mannschaft, die die Saison- mit immerhin 34 Spieltagen- vor dem FC Bayern beende, sei auf keinen Fall fähig, international mitzuhalten. Die internationale Erfahrung in der Mannschaft fehlt zwar weitestgehend, aber- abgesehen von der Startniederlagenserie- hat Slomka sowohl in der letzten als auch diesen Serie eine konstante Punkteausbeute mit 96 geholt. Champions League-erfahren ist der Coach auch und das Erfolgsduo Slomka/Schmadtke wird schon wissen, an welchen Stellschrauben im Kader gedreht werden muss.

Außerdem erweist sich die Mannschaft als entwicklungsfähig. In der Hinrunde, in den Spielen gegen St. Pauli und Nürnberg stand vor den Spielen durch Ya Konan-Ausfälle schon fest, dass man den Spieltag mit null Punkten beendet. Jetzt wurde unter anderem der FC Bayern ohne einen Ya Konan geschlagen und gestern hat man Freiburg ohne Sergio Pinto und eben diesen Torjäger von der Elfenbeinküste geschlagen, als wäre es die normalste Sache der Welt.


Weckt Interesse- selbst bei Bayern!

Bei Gerüchten um 96-Spieler, die möglicherweise zu den Bayern wechseln könnten, werden diese Akteure dann aber ins Lächerliche gezogen. Ya Konan könne sich in München maximal auf die Tribüne setzen und Pogatetz sei ein Knochenbrecher auf Kreisliganiveau.

Und dass nun ausgerechnet die Fünfjahreswertung, die den Bayern als Abonnement-Erster in jeder normalen Saison egal ist, als Legitimation dargestellt wird, die Retter des deutschen Fußballs zu sein und die Champions League vor Hannover 96 zu retten, ist ebenso lächerlich. So manchem scheint nun wirklich der Arsch auf Grundeis zu gehen.

Die Champions League wäre für 96 eine einzigartige Chance, sich in der oberen Tabellenhälfte und vielleicht sogar im oberen Tabellendrittel zu etablieren. Die Einnahmen dort sind wesentlich größer und entschädigen dann auch für die Mehrbelastung; im Gegensatz zur Europa League. Von daher ist das möchtegernliebgemeinte „für 96 kommt die CL noch zu früh" totaler Mumpitz.

Beide Mannschaften haben ähnliche Restprogramme, Bayern ist aufgrund der Tordifferenz zwei Punkte voran. Wer am Ende auf dem dritten Platz steht, hat das dann auch verdient. Die Münchner haben’s aktuell sogar in der eigenen Hand, denkt daran.

Für uns ist auch der vierte Platz wunderschön. Sollte ein Hannoveraner eine neue Erwartungshaltung entwickelt haben, bitte ich ihn doch stark darum, zu überlegen, mit was für Sorgen wir letztes Jahr bedeckt waren. Aber für ein paar Wochen wird das Träumen wohl noch erlaubt sein, ehe man in der neuen Saison aufpassen muss, nicht ein Opfer der Dreifachbelastung zu werden und in den Abstiegskampf zu geraten.

Und vielleicht übersteht man dann ja auch mal wieder die erste Pokalrunde.