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Von: Benbaba
06.03.2014 | 5959 Aufrufe | 5 Kommentare | 6 Bewertungen Ø 7.5
Vom Mann auf dem Strich
"Herr Schiedsrichter!"
Aus der Unscheinbarkeit in die großen Stadien der Welt: Der nicht immer ganz ernst gemeinte Weg eines Schiedsrichters.

Egal ob in der Kreisklasse C oder im Finale der Champions League - ein Faktor vereint jedes Fußballspiel auf der ganzen Welt: Es braucht einen Schiedsrichter. Eine mögliche Karriere verhält sich ähnlich wie beim Rasenball. Man muss klein anfangen und sich Stück für Stück hocharbeiten. Aber für das, was am Ende auf einen wartet, lohnt es sich auf jeden Fall - oder?

Der imaginäre Schiedsrichter

Wer kennt es nicht? Treffen wir uns um fünfe auf´m Bolzplatz, wa?! Bolzplatz, das ist in Normalfall viel Bolz und sehr wenig, meist gar kein Platz. Wiese, Acker, Rübenfeld - egal. Ein Team zieht die Shirts aus, präsentiert stolz die Bierplauzen, baut aus den soeben abgelegten Kleidungsstücken Maß genau abgegangene Tore und ab geht die Sause. Von einem Schiedsrichter weit und breit nichts zu sehen. Und doch leitet auch das Match zwischen Jasons Allcopsarebastards und Alis Eristguterjungejungs in Köln Chorweiler ein Unparteiischer, der sogenannte imaginäre Schiedsrichter.

Seine Regelauslegung ist einfach. Foul ist nicht dann, wenn der Schiri pfeift, sondern dann und zwar erst und nur dann, wenn der schmerzhafte Schrei des gefoulten einen gewissen Lautstärkepegel überschreitet. Wo dieser Grenzbereich liegt, variiert und liegt einer simplen Formel zugrunde: Härte der teilnehmenden Akteure mal Entfernung des nächsten hübschen Mädels minus Farbenfreude des getragenen Schuhwerks.

Auch das Seitenaus ist genau definiert. Trabt ein Spieler dem Ball gemütlich hinterher: Klar Aus, gar keine Diskussion. Ein beherzter Sprint mit anschließender Rettungs-Grätsche wird jedoch belohnt: Klar drin, überhaupt keine Diskussion. Ach und Grundlinie? Drei Ecken, ein Elfer - was für ne dämliche Frage. Die Spielzeit ist hierbei das kleinste Problem. Spätestens wenn 51% aller Anwesenden, dabei geht es wohl gemerkt um Gewicht, um die etwas fülligeren Spieler nicht zu benachteiligen, keine Puste mehr haben und im Drei-Minuten-Rhythmus Verletzungen vortäuschen, beginnt die Nachspielzeit. Hat Kevin allerdings Bauchschmerzen, greift die Regel des sofortigen Spielabbruchs -Ehrensache!

Der Kreisliga-Schiedsrichter

Im Gegensatz zum imaginären Schiedsrichter ist der Kreisliga-Schiedsrichter real, realer geht es kaum. Existenzen, deren Lebensgeschichte Ihnen oftmals in voller Härte ins Gesicht geschrieben steht. Teils mag es daran liegen, dass sie in der Grundschule immer ins Tor mussten, teils vielleicht auch daran, dass sie auf der gestrigen Scheunenfete schon wieder der letzte am Bierstand waren und sich im Gegenzug für das Versprechen nicht erkannter Abseitsentscheidungen am Folgetag unzählige Kaltgetränke spendieren ließen. Aber er ist da. Das gelbe Dress mal mehr, mal weniger eng am Körper liegend, ist er der wichtigste Mann der heutigen Veranstaltung, der Unparteiische.

Dass sein Gespann, bestehend aus den beiden Anwesenden, die zufällig den Finger in der Nase hatten, als die Frage nach potenziellen Linienrichtern aufkam, meist wenig verlässlich ist und der ein oder andere Kicker in solchen Spielen schon mal drei bis vier gelbe Karten sieht, tut nichts zur Sache. Der Mann ist da und bereit, sich meist 22 Spielern, null bis einem Auswechselspieler, null bis einem Trainer und null bis 24 Zuschauern zu stellen. Seine Regelauslegung gleicht dem wohl beliebtesten Satz der Männer in den Chatrooms dieser Welt: Lass uns erstmal anfangen alles kann, nichts muss! Erlaubt ist, was beiden Spaß macht!

Einzig auf einer Verhaltensregel besteht er mit Vehemenz: Wer auch immer sich in Rufweite zum Offiziellen befindet und was immer er diesem zu sagen, empfehlen oder vorzuwerfen hat, ein jeder Satz hat mit einem "Herr Schiedsrichter" zu beginnen. So liegen meist nur Nuancen zwischen einem klärenden Gespräch und einer Roten Karte, falls vorhanden, plus Eintrag in den Spielberichtsbogen, falls vorhanden. "Herr Schiedsrichter, hast Du Mongo eigentlich nur Scheiße im Hirn?" - Kein Problem! "Meinen Sie nicht, dass dieser Ball die Seitenlinie nicht eventuell doch mit vollem Umfang überquert haben könnte?" - Runter mit dir, ich muss mir echt nicht jeden Scheiß bieten lassen.

Der Bezirksliga-Schiedsrichter

Du hast es geschafft! Eko, die Leute reden wieder von dir! Wer in der Bezirksliga kickt, der ist mal locker der King in seinem Dorf. Wer in der Bezirksliga pfeift zwar nicht, aber zumindest wird man ernst genommen. Statt am Spielfeldrand stehen die Zuschauer unter Umständen sogar auf kleinen Erhöhungen, dann meist Tribünen genannt. Regionale Journalisten sind vor Ort und die Jungs, die da kicken, können tatsächlich kicken. Spiele gehen auf einmal nicht mehr 17:2 aus und fatale Fehlentscheidungen können dem Match schon auch mal einen Ausschlag in die eine oder die andere Richtung geben.

Außerdem wird die Gage immer besser. Gab es in der Kreisliga noch Fahrtgeld plus nen gepflegten Anschiss, kann man sich hier easy den Bierscheck für die nächste Feier klar machen, Prost! Da heißt es natürlich aufpassen! Niemand gibt freiwillig solche Unsummen für einen Mann aus, der dann irgendwie fehl am Platz ist und entscheidet. Also abends nach dem 14 Pils Schluss machen und mit dem Rad nach Hause, das hilft.

Ton- und Ausdruckmäßig haben sich die Jungs auf dem Rasen ihrer höheren Spielklasse im Übrigen meist angepasst. Von den Rängen kommt zwar immer noch der ein oder andere verbale Bitchslap, die Spieler wissen sich jedoch zu benehmen, ist die Bezirksliga doch das Fenster zur Fußballwelt, wie man sagt.

Der Linienrichter

Machen wir uns nichts vor. Der Weg an die Spitze des Olymps ist für einen Schiedsrichter nicht weniger hart, als für einen Fußballer. Da man aber schlecht Ballnetze und Tore über den Platz schleppen kann, muss man sich anders hochschlafen. Sowas geht nirgends besser, als auf dem Strich. Gemeint ist natürlich der lange Kreidestrich, der ein Fußallfeld ab gewissen Spielklassen ummantelt. Also ran an die Fahne und gut aufpassen. Abseits ist nämlich nicht dann, wenn das lange Arschloch zu spät spielt, sondern genau dann, wenn das lange Arschloch zu schnell spielt, man es nicht rechtzeitig auf Ballhöhe geschafft hat und zur Sicherheit mal die Fahne hebt. Kein Tor ist schließlich besser als ein Tor. Oder doch im Zweifel für den Angreifer? Schon jetzt werden die Weichen für die spätere Linie gestellt. Wähle weise, eifriger Padawan!

Das große Problem des Linienrichters liegt allerdings schon in seiner Berufsbezeichnung. Er steht an der Linie. Während sich der Schiedsrichter also, je nachdem wo sich die fieser gesinnte Fangruppierung befindet, mal ein bisschen weiter hier oder da auf dem Platz aufhalten kann, ist der Linienrichter an seiner Seite geradezu gefesselt. Es gibt kein Entrinnen. "Hast du Achselbrand, dass du immer die Fahne heben musst, du Vollblinder", ist der Anfang einer der noch netteren Unterhaltungen, die man während der 90+Karlsberg+Cola+X Minuten so führen muss.

Da ist durchhalten angesagt. Es winkt der nächste Schritt. Ein kleiner Schritt in den internationalen Wettbewerb, aber ein großer Rückschritt für einen Schiedsrichter:

Der Torrichter

"Ab ins Loch mit ihm", ist der Satz, der so ziemlich alle Knastfilme dieser Welt vereint. Kaum größer ist der Wirkungsbereich des sogenannten Torrichters, einer der tollsten Erfindung der Moderne, gleich hinter Quiz Duell, der Mädchengang und chilaxen. Eingepfercht in seinem natürlichen Lebensraum von 2x3 Metern, hat der Torrichter zwar ein cooles Europa-Pokal-Emblem auf seinem Ärmel, dafür aber kaum Aufgaben. Im Grunde hat er nur eine Pflicht. Und eben weil er nur eine hat, kann er dieser mit voller Hingabe nachgehen. Also leicht in die Hocke, Kopf und Oberkörper nach vorne geneigt und mit Argusaugen die Torlinie im Blick haben. Bloß nicht aus den Augen verlieren, bloß nicht!

"Der war drin, ich habs genau gesehen!" Viel mehr bleibt dem Torrichter nicht zu sagen. "Klares Foul, Spieler A hat Spieler B das Schienbein gebrochen und danach einem Totschläger im rechten Schienbeinschoner verschwinden lassen" muss er runterschlucken, selbst wenn er es gesehen hätte - wobei er dann natürlich den schlimmsten aller Torrichter-Fehler begangen hätte, nämlich die Torlinie aus den Augen zu verlieren. Aber auch da heißt es: Dranbleiben! Es ist noch kein Herbert Fandel vom Himmel gefallen. Es kommen bessere Tage:

Der Vierte Offizielle

Geschafft. Jahre lang ist man Linie gefahren, da steht man auf einmal zwischen den Trainerstühlen. Nun heißt es: Ruhe bewahren und beruhigen. Das Verlassen der Coaching-Zonen ist strengstens untersagt. Das ist brutal wichtig. Außerdem sind Schuhwerk, sowie potentielle Kettchen- und Piercing-Stellen der Kicker zu überprüfen.

Ab und an hält man mal die Leuchttafel hoch und zeigt, welche Stunde geschlagen hat. Und was, wenn einen das gar schreckliche Gesicht Kloppos des Schrecklichen plötzlich schrecklich erschreckt, oder der graue Werner das gesamte Schiedsrichtergespann zum wiederholen Male als Euch-Haben-Sie-Doch-Ins-Gehirn-Geschissen-Hirnis bezeichnet? Ganz einfach: Man geht petzen. Ob mit Walkie-Talkie oder durch wildes Gestikulieren, er muss her. Der Mann, der auf dem Platz über allem steht. Der Macher unter den Machern, der Entscheider unter den Entscheidern, die Pfeife unter den Pfeifen:

Der Bundesliga-Schiedsrichter

Er teilt das gleiche Schicksal wie Fluglotsen, Chirurgen und Müllmänner: Wenn er seinen Job gut macht, fällt das eigentlich niemandem so wirklich auf. Aber weeeeehe er liegt daneben. Eine Fehlentscheidung verwandelt ein normales Fußballspiel schnell in einen Film von James Cameron: Die Erde tut sich auf, Feuer, Wind, Explosionen alle gegen einen und einer gegen die Gewissheit. Die Gewissheit, in regelmäßigen Abständen sowas von daneben zu liegen, wie Männer, die sich immer noch nicht trauen, endlich auf die Jeder-fünfte-Mann-hat-Erektionsschwierigkeiten-Werbung zu reagieren.

Von heroisch mahnend über energisch schimpfend bis bedächtig aufklärend: Ein Bundesliga-Schiedsrichter hat jeden Modus drauf und obgleich die Anzahl der ihn Beschimpfenden ungleich höher ist, ist die Beleidigung als solche deutlich weiter weg, nahezu unwirklich. Dafür muss sich der Unparteiische in den höchsten deutschen Spielklassen dem wohl größten Feind stellen, der Zeitlupe. Sie hat all das, was er nicht hat: Zeit und eine Lupe. Schamlos deckt sie jeden noch so kleinen Fauxpas auf und macht das Schimpfen der Fans und Vereinsverantwortlichen gleichermaßen einfach, wie das Leben des Mannes in Gelb schwer.

Aber bleiben wir ehrlich. Hat jemals jemand einen kleinen Bub "Wenn ich groß bin, möchte ich gerne Schiedsrichter werden", sagen hören? Ich zumindest nicht. Darum plädiere ich pünktlich zum Karneval für ein Kölsches Motto in der Bundesliga: Levve un levve losse! Wenn einer von uns das besser könnte, dann stünde vermutlich er in diesem adretten Dress auf dem Spielfeld mit der Trillerpfeife in der Hand, der Karte in der Arschtasche und dem Arsch in der Hose, sich Woche für Woche einem Millionen-Publikum zu stellen und Gefahr zu laufen, sich bei der Ausübung seiner Pflicht, die er in bester Absicht erfüllt, zum Affen zu machen.

KOMMENTARE
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Voegi
MODERATOR
06.03.2014 | 20:01 Uhr
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Voegi : 
06.03.2014 | 20:01 Uhr
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Voegi : 
herrliches ding. hach ja, meine geliebten schiris... ^^
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ausLE
MODERATOR
06.03.2014 | 22:03 Uhr
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ausLE : 
06.03.2014 | 22:03 Uhr
-1
ausLE : 
Erinnert mich ein wenig an den Blogpokalbeitrag von Toxic

Stark!
Schöner Blickwinkel über die Schiris!

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mrbrunotti
09.03.2014 | 01:20 Uhr
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mrbrunotti : 
09.03.2014 | 01:20 Uhr
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mrbrunotti : 
Ich als Schiri finde den blick auf die dinge dann doch auch recht amüsant. obwohl meiner meinung nach durchaus mehr auf die spielertypen eingegangen hätte werden können
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Kistler
09.03.2014 | 11:09 Uhr
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Kistler : 
09.03.2014 | 11:09 Uhr
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Kistler : 
Bin hier ein bisschen hin und her gerissen.
Einerseits sinds zusammengefasste Stammtischmythen, was ich nicht so einfallsreich finde und andererseits sind doch ein paar Klassiker dabei wie der zweite Abschnitt des Linienichters und der mittlere Abschnitt des Kreisliga Schiris.
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Maccaroni
09.03.2014 | 11:16 Uhr
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Maccaroni : 
09.03.2014 | 11:16 Uhr
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Maccaroni : 
Starkes Ding! Hat mich gut unterhalten und hätte noch stunden weiterlesen können!
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