ATP: Mats-Merkel-Serie, Teil 3 - "Blut ist immer dicker als Wasser"

Von Jens Huiber
Denis Shapovalov hat seine Mutter Tessa immer an seiner Seite
© getty

Mats Merkel ist für Adidas als Scout und Coach unterwegs. Bei den US Open hat sich der 33-jährige Deutsche neben seinen Aktivitäten für adidas auch um den Taiwanesen Chun Hsin Tseng gekümmert. In Teil 3 unserer Serie spricht Merkel über die Bedeutung der Eltern für die Entwicklung junger Spieler.

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tennisnet: Herr Merkel. Alexander Zverev hat mit Ivan Lendl einen zusätzlichen Coach in sein Team geholt, an selber Stelle hatte ja auch schon Juan Carlos Ferrero fungiert. Allerdings als Ergänzung zu Alexander Zverev sr.. Gibt es einen Zeitpunkt, an dem sich junge Spieler von ihren Eltern abnabeln?

Mats Merkel: Diesen Zeitpunkt muss es nicht geben. Ich bin der Meinung, dass es extrem wichtig ist, dass Eltern bei ihren Kindern weiter mitwirken. Man sieht dies nun ja vermehrt auch bei den Herren. Früher hieß es ja immer: Ach, die Mädchen sind ja immer nur mit ihren Eltern unterwegs, hauptsächlich mit ihren Vätern. Man sieht diesen Trend aber eben auch bei den Männern: Shapovalov mit der Mutter, Tsitsipas mit dem Vater.

tennisnet: Bei Alexander Zverev sind es oft sogar beide Eltern.

Merkel: Ich glaube, dass Sascha unheimlich davon profitiert hat, in seiner Karriere seine Eltern um sich herum zu haben. Zum einen, weil die Eltern mit Mischa jemanden hatten, wo man nach dem "Learning by doing"-Prinzip verfahren konnte. Man macht keinen Fehler zweimal. Und es ist so unheimlich schwierig für Eltern loszulassen. Wenn man überlegt, dass die Eltern ein Kind bis an ein bestimmtes Level gebracht haben - und dieses Kind dann abzugeben, wie vielleicht die Familie Tsitsipas an Mouratoglou, das ist nicht einfach. Denn keiner kennt Stefanos so gut wie der Vater. Oder Denis so gut wie die Mutter.

"Die Rollenverteilung muss stimmen"

tennisnet: Kann die große Nähe auch schaden?

Merkel: Es bedeutet ja keineswegs, dass es schlecht ist, wenn die Eltern dabei sind. Im Gegenteil: Wenn die Eltern schlau sind, und so wie bei Zverev jetzt ein Lendl oder davor ein Ferrero dazugeholt wird, dann kann diese Mischung funktionieren. Aber die Rollenverteilung muss stimmen.

tennisnet: Wie sollte die Rolle der Eltern aussehen?

Merkel: Diese Rolle ist extrem wichtig und ausschlaggebend für den Erfolg. Denn letztendlich kann ein Elternteil viel härter und direkter mit einem Spieler ins Gericht gehen als ein Coach jemals könnte. Blut ist immer dicker als Wasser.

tennisnet: Haben Sie in den letzten Jahren auch schon Eltern-Kinder-Kombinationen gesehen, wo Sie gedacht haben: Das kann nicht funktionieren.

Merkel: So etwas sieht man auf den Junioren-Turnieren tatsächlich sehr oft. Zum einen, weil die Eltern nicht das Geld haben, die Kinder mit einem Coach reisen zu lassen. Und dann werden die Eltern ja wirklich dazu gezwungen, auf den Platz zu gehen und ihr eigenes Kind anzuleiten und zu beraten. Und so kommen sie dann in diese Coaching-Rolle, in die sie vielleicht gar nicht unbedingt gedrückt werden wollen. Aber es passiert. Teilweise erfolgreich, teilweise geht es auch absolut in die Hose.

"Die Durchfallquote ist enorm hoch"

tennisnet: Warum?

Merkel: Es ist zu viel Reibung da, zu wenig Wissen. Und auch zu wenige finanzielle Möglichkeiten, um dem Sohn oder der Tochter eine Struktur zu erstellen, die es ermöglicht, den Spieler auszubilden. Denn gut zu sein in der Jugend bedeutet ja nicht, auch als Erwachsener erfolgreich zu sein. Die Durchfallquote ist enorm hoch.

tennisnet: Und da sind frische Impulse wichtig ...

Merkel: Das sieht man ja auch bei den Besten. Günter Bresnik etwa holt sich immer wieder gute Leute für Dominic Thiem dazu, sei es ein Gary Muller, ein Joakim Nyström oder ein Galo Blanco. Günter macht das ganz spezifisch für bestimmte Events. Er weiß auch, wie man Dominic im Kopf frisch hält. Und das ist absolut wichtig. Denn das Jahr auf der Tour ist lange und hart.

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