Wimbledon: Angelique Kerber zittert sich in dritte Runde

Von Ulrike Weinrich
Angelique Kerber, Wimbledon
© getty

Angelique Kerber ist trotz eines Fehlstarts zum fünften Mal in Folge in die dritte Runde von Wimbledon eingezogen. Die Weltranglistenzehnte aus Kiel tat sich beim 3:6, 6:2, 6:4 gegen die junge US-amerikanische Qualifikantin Claire Liu äußerst schwer, wendete nach einer Leistungssteigerung den drohenden K.o. aber doch noch ab. In der Partie um den Sprung ins Achtelfinale trifft Kerber am Samstag auf die Japanerin Naomi Osaka (Nr. 18), gegen die sie eine 2:1-Siegbilanz hat.

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Von Ulrike Weinrich aus Wimbledon

Nach 1:54 Stunden zwischen Hoffen und Bangen verwandelte Kerber ihren zweiten Matchball, rief "Come on!" und war sichtlich erleichtert, ihr frühstes Ausscheiden in Wimbledon seit 2013 doch noch vermieden zu haben. Liu, die Nummer 237 im WTA-Ranking und damit die am schlechtesten eingestufte Spielerin im bis dato verbliebenen Draw, spielte zeitweise wie entfesselt auf. Allerdings auch, weil ihr Kerber die Initiative überließ.

Ihr Trainer Wim Fissette war anschließend trotzdem nicht zufrieden. "Das war spielerisch nicht das, was wir erwartet haben", sagte der Belgier: "Aber gut spielen kann man nicht immer, kämpfen schon. Das hat sie getan."

Claire Liu - ein Teenie mit Rasen-Feeling

Die 18-jährige Liu kam allerdings auch mit den besten Empfehlungen und Erinnerungen zu "The Championships", wie das dritte Major des Jahres ebenso simple wie vielsagend genannt wird. Die Kalifornierin aus Thousand Oaks hatte im vergangenen Jahr den Juniorinnen-Titel in Wimbledon geholt - übrigens als erstes US-Girl nach einem Vierteljahrhundert amerikanischer Dürre auf dem heiligen Rasen.

Bereits 2016 hatte Liu zudem das Nachwuchs-Doppel in London gewonnen. Und in der ersten Runde schickte sie am Dienstag die einst so hoch gehandelten Ana Konjuh aus Kroatien nach Hause.

Kerber startete gut - doch Liu drehte auf

Auf Court 12, ganz im Süden der paradiesischen Anlage, und mehr als einen Steinwurf vom Centre Court entfernt, dem Theater der Träume für jeden Tennisprofi, begann Kerber hochkonzentriert. Mit sicheren Aufschlägen und druckvollen Grundlinienschlägen. Doch nach dem 2:0 für die zweimalige Grand-Slam-Siegerin kam Liu immer besser auf und schaffte mit einem beherzten Volley das Re-Break.

Der Außenseiterin war bei schwülwarmen Temperaturen anzumerken, dass sie nichts zu verlieren hatte - anders als die hochgehandelte Kielerin. Auch dies war sichtbar. Mit einem Ass konnte Kerber zunächst den ersten Satzball der Amerikanerin abwehren, doch wenig später besiegelte eine verzogene Vorhand ins Aus das Ende des Auftaktdurchgangs zu Gunsten von Liu, die erstmals gegen eine Top-Ten-Spielerin antrat.

"Angie" schimpfte: "Es geht NICHTS!" - dann kam die Wende

Immer wieder suchte Kerber danach den Blickkontakt zu Coach Fissette. In der Folge gelang es der ehemaligen Nummer eins aber, sich in ihren allseits gefürchteten Kampfmodus zu spielen. Nicht ohne zwischendurch ihrem angestauten Frust freien Lauf zu lassen. "Es geht NICHTS!", rief sie nach einem weiteren Fehler. Doch der Klassenunterschied wurde nun immer deutlicher. Als Kerber beim Stand von 2:1 zwei Breakbälle von Liu abwehrte, war der Bann gebrochen.

Nach dem glatten Gewinn des zweiten Satzes fiel die Vorentscheidung, als Kerber ihrer Gegnerin den Aufschlag zur eigenen 4:3-Führung abnahm. Das ominöse siebte Spiel, es brachte die Weltranglistenzehnte in einem Breakfestival (insgesamt elf Breaks) endgültig auf die Siegerstraße.

Der Mythos Wimbledon, er soll die Protagonisten dieses alljährlichen Schauspiels eigentlich beflügeln, auf keinen Fall lähmen. Leichter gesagt als getan. Die Linkshänderin setzte deshalb im Vorfeld auch auf eine nüchterne Betrachtungsweise: "Man versucht, das alles wegzuschieben. Man geht schließlich da raus - und der Platz ist genauso groß, die Gegner sind dieselben wie bei den anderen Turnieren." Gegen Liu klappte dies, als sie mit dem Rücken zur Wand stand.

Die Sehnsucht nach dem großen Coup ist groß

In diesen Tagen wird Kerber auch immer wieder auf das Finale von 2016 an gleicher Stelle angesprochen, in dem sie der damaligen Branchenführerin Serena Williams (USA) mit 5:7, 3:6 unterlag. "Ich habe mir inzwischen Teile dieses Spiels angeschaut. Für mich war es ein wirklich großes Match. Serena hat das Match gewonnen - aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich es verloren habe", meinte Kerber im Rückblick. Will heißen: Viel vorwerfen konnte sich "Angie" damals nicht.

Doch die Sehnsucht ist groß, in der Kathedrale des Tennis-Sports Historisches zu schaffen. Zumal ihr viele Experten den Coup im All England Lawn Tennis Club zutrauen. "Angie hat sich nach einem schwierigen Jahr 2017 längst wieder gefangen und hat den alten Biss zurück. Sie gehört bei den Grand Slams immer zu den Anwärterinnen auf den Sieg, weil sie weiß, wie es sich anfühlt", betonte die US-Ikone Chris Evert. Auch Toni Nadal, Onkel und Ex-Coach von Rafael Nadal setzt auf Kerber: "Sie hat beste Chance, das zu schaffen", sagte er jüngst im tennisnet-Interview.

Wozniacki das bislang letzte "Opfer" des Favoritinnen-Sterbens

Bereits fünf Spielerinnen aus den Top Ten waren vor der dritten Runde gescheitert. Nachdem es Turnierfavoritin Petra Kvitova (Tschechien), die in dieser Saison bereits fünf Titel geholt hat, sowie Caroline Garcia (Frankreich), Sloane Stephens (USA) und Elina Svitolina (Ukraine) bereits in der ersten Runde erwischt hatte, schied Australian-Open-Siegerin Caroline Wozniacki aus Dänemark am Mittwochabend in Runde zwei aus.

Die Weltranglistenzweite war mit dem Turniererfolg in der Tasche aus Eastbourne in den Südwesten von London gekommen. Doch im Duell mit der routinierten Linkshänderin Ekaterina Makarova (Russland), 2014 immerhin Wimbledon-Viertelfinalistin, hatte Wozniacki eine Menge, worüber sie sich beklagen konnte.

"Caro" haderte mit sich - und den Flugameisen

Unter anderem auch über die nervigen Flugameisen, die in diesem Jahr wegen der hohen Temperaturen wieder in Scharen präsent sind. "Ich habe während des Matches sogar nach Insekten-Mittel gefragt, denn zu einem Zeitpunkt sind wirklich viele von ihnen rumgeflogen", berichtete Wozniacki nach ihrem frühsten Aus bei einem Grand-Slam-Turnier seit zwei Jahren (Wimbledon 2016).

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