Nadal und Zverev, Gegenwart und Zukunft

Harter Fight: Rafael Nadal und Alexander Zverev kämpften fünf Sätze lang
© getty

Es hatte etwas von "Zurück in die Vergangenheit", dank der großen Auftritte von Rafael Nadal und Roger Federer. Dabei ist die Zukunft bereits da - und sie heißt Alexander Zverev.

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Es waren zwei große Erkenntnisse, die nach dem gut vierstündigen Zermürbungskampf in der Rod Laver Arena zu Melbourne blieben: Rafael Nadal, der alte Meister, der zuletzt von dauerndem Verletzungspech heimgesucht war, ist wieder ein Titelkandidat bei Grand-Slam-Festspielen. Und Alexander Zverev, der junge Deutsche, ist gegenwärtig weltweit der beste Tennisspieler unter 20. Was sie beide in einer Tag-und-Abendvorstellung auf dem Centre Court boten, der Sieger Nadal und der Verlierer Zverev, hinterließ jedenfalls die bisher prägendsten, eindrucksvollsten Bilder und Szenen bei diesen Australian Open der Saison 2017.

Zverev kämpft und krampft

"Er ist die Zukunft unseres Sports. Aber auch schon die Gegenwart", sagte Nadal über den Hamburger Teenager, den er, der Mann mit dem Stier-Logo auf der Kappe, mit 4:6, 6:3, 6:7 (5), 6:3 und 6:2 buchstäblich über die volle Distanz niedergerungen hatte. Von Krämpfen geschüttelt, hatte sich Zverev im fünften, alles entscheidenden Satz nur noch mühsam auf den Beinen halten können - es triumphierte stattdessen noch einmal der neuerdings wieder unverwüstliche Mallorquiner. Nadal trifft in der Runde der letzten 16 nun auf den gallischen Tennis-Künstler und -Spaßvogel Gael Monfils, der Philipp Kohlschreiber mit 6:3, 7:6 (1) und 6:4 ausschaltete. Einen Tag nach der Galavorstellung von Roger Federer gegen den Tschechen Tomas Berdych hinterließ mit Nadal so auch der zweite beherrschende Spieler der Nullerjahre imponierende Eindrücke in Melbourne. "Es ist, als lebte hier die Vergangenheit mit den beherrschenden Spielern Federer und Nadal auf", bemerkte Ex-Star John McEnroe, wie gewohnt in Melbourne als TV-Plaudertasche im Einsatz.

Zverev, der stärkste Vertreter der sogenannten NextGen, der nächsten Tennis-Generation, zwang Nadal in einer wilden Berg- und Talfahrt mit immer wieder spektakulären Ballwechseln zur Preisgabe seines ganzen Könnens - zu einer Leistung wie aus seinen besten Tagen. "Ich musste ans Limit gehen", bekannte der 14-malige Grand-Slam-Champion, der einen 0:1- und 1:2-Satzrückstand mit seiner gewohnt unerschütterlichen Moral und Leidenschaft wettmachte. Und Zverev: Er wirkte zunächst untröstlich, wie versteinert, als er den Centre Court verließ, dabei gefeiert vom Publikum wie der zweite Sieger dieser Partie. "Ich merke, dass ich immer näher an diese Spieler herankomme", sagte er hinterher, "es war ein großes Spiel, ein großer Fight. Gegen einen der fittesten Spieler überhaupt."

Darren Cahill sieht Zverev als kommende Nummer 1

Dass er schon ein gutes Stück weiter ist als viele seiner ebenfalls hochgehandelten Altersgenossen, wie etwa die Amerikaner Taylor Fritz und Francis Tiafoe oder der Schwede Elias Ymer und der Russe Karen Kachanov, zeigte Zverev bei diesem Grand-Slam-Gastspiel in Melbourne vom Start bis zum Ende in Runde drei auf bemerkenswerte Weise: Er schlug in der ersten Runde, nach 1:2-Satzrückstand und Break im vierten Durchgang, noch den Veteranen Robin Haase, einen taktisch hochversierten Niederländer. Dann bezwang er Tiafoe, den 18-jährigen US-Perspektivmann, in Runde zwei souverän - und setzte trotz seiner Niederlage gegen Nadal ein kraftvolles, finales Ausrufezeichen. Ein Sieg gegen einen der ganz Großen der Branche, bei einem Major-Wettbewerb: Er schien nicht aufgehoben für Zverev, sondern bloß aufgeschoben für nächste Gelegenheiten, ob nun in Paris, Wimbledon oder bei den US Open. "Ich bin im Lager derer, die ihn als kommende Nummer eins sehen", sagte Darren Cahill, der einstige Coach von US-Legende Andre Agassi, nach Zverevs Niederlage gegen Nadal.

Für den Familienbetrieb Zverev war das Unternehmen Melbourne allerdings noch nicht beendet: Denn Mischa, der ältere Bruder von Alexander, spielt am Sonntag erstmals in seiner Karriere in einem Grand-Slam-Achtelfinale. Dummerweise allerdings gegen keinen Geringeren als den Weltranglisten-Ersten Andy Murray. "Er geht da sicher als klarer Außenseiter ins Rennen. Aber er hat das Potenzial und die Mentalität, um Andy enorm zu ärgern", sagte Experte Boris Becker. Neben dem älteren der beiden Zverev-Brüder sind am siebten Australian-Open-Tag auch noch Frontfrau Angelique Kerber (gegen die Amerikanerin CoCo Vandeweghe) und Mona Barthel (gegen Venus Williams) im Einsatz - das deutsche Frauen-Duo genau wie Zverev auf dem Centre Court angesetzt.

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