NBA

"Habe zwölf Jahre in einer Blase gelebt"

Von Daniel Herzog
Martell Webster sprach mit SPOX über Musik, Basketball und Familie
© getty

Martell Webster spielte zehn Jahre in der NBA - und ist mittlerweile als Rapper unterwegs. SPOX traf das Multitalent zum Interview über die Bedeutung von Musik, das Leben als Basketballer und über ein mögliches Comeback. Außerdem sprach er sehr offen über seine tote Mutter, seinen Vater, der viel zu spät auftauchte und über die dunklen Seiten des Profi-Lebens.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Mr. Webster, Rapper oder Basketballer - wie würden Sie sich im Moment beschreiben?

Martell Webster: Ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin einfach ein Mensch, der versucht, sein Leben zu meistern. Ich bin ein gottgläubiger Mensch, ein Ehemann, ein Vater - ich bin sehr vieles.

SPOX: Auf jeden Fall waren Sie schon immer ein Mensch, der sich ein Leben außerhalb des Basketballs aufbauen wollte. Sie haben mit Immobilien gehandelt und interessieren sich für Fotografie. Jetzt sind Sie Rapper - wann hat das mit der Musik angefangen?

Webster: Musik war schon immer ein Teil von mir. So richtig hat es angefangen, als ich im Alter von vier Jahren zu meiner Großmutter ziehen musste. Ihr Sohn hat Bass gespielt und gab Live-Sessions, bei denen ich immer zugeschaut habe.

SPOX: Und Sie haben dann angefangen, dazu zu rappen?

Webster: Nein, das hat alles mit Rodney, einem meiner besten Freunde, angefangen. Ich habe ihn ungefähr sechs Monate nach dem Umzug zu meiner Großmutter kennengelernt. Er wohnte in derselben Straße und hatte einen dieser weißen Fisher-Price-Kassettenrekorder. Ein riesiges Teil. (lacht) Wir haben immer die Kassetten überklebt, damit wir sie öfter benutzen konnten. Er hat Beats gemacht und ich habe einfach angefangen, dazu zu rappen. Da war ich ungefähr fünf. Ich war wohl dazu bestimmt, ein Rapper zu werden - oder auch nicht. (lacht) Aber ich habe sehr früh damit angefangen.

SPOX: Ich glaube, ich hatte den gleichen Kassenrekorder - Ihre ersten Texte haben Sie aber erst viel später geschrieben, oder?

Webster: Genau, das war in Minnesota, nach meiner zweiten großen Verletzung. Ich hatte sehr viel Zeit und habe mir ein kleines Tonstudio in meinem Büro eingerichtet. In dieser Phase habe ich meine große Leidenschaft für die Musik entwickelt. Ich hatte eben auch nicht wirklich etwas anderes zu tun.

SPOX: Diese Leidenschaft ist heute zum Beruf geworden. Sie haben vergangenes Jahr ihr Debütalbum "Emerald District" veröffentlicht. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie das Zeug zum professionellen Rapper haben?

Webster: Dafür ist eigentlich mein guter Freund Charles Hopper, der auch an meinem ARTT Mixtape mitgewirkt hat, verantwortlich. Er hat sich meine Musik angehört und gesagt, ich solle es versuchen. Er hat mich inspiriert, Musik nicht nur für mich, sondern auch für die Öffentlichkeit zu machen.

SPOX: Nun sind Sie natürlich nicht der erste NBA-Spieler, der sich in die Welt der Musik gewagt hat. Ich erinnere an dieser Stelle mal an Shaquille O'Neal, Kobe Bryant oder Gary Payton. Wenn man sich Ihre Texte anhört, scheinen Sie das Ganze aber etwas ernster zu nehmen - was wollen sie mit Ihrer Musik transportieren?

Webster: Das Leben. Ich habe nicht die Antworten auf alle Fragen, das hat wahrscheinlich niemand. Die Musik ist eine Art Therapie für mich, um mit meinen Problemen und meinen Schwächen klarzukommen. Als Athlet halten dich alle für einen Gott, aber das bin ich nicht und ich will auch nicht so gesehen werden. Ich habe in meinem Leben sehr viele Fehler gemacht. Diese Geschichten will ich in meinen Texten verarbeiten. Dafür bekomme ich viele positive Rückmeldungen, aber eben auch negative. So ist das Leben. Aber ich brauche diesen Kanal, damit ich immer weitermachen kann.

SPOX: Damian Lillard ist ein weiterer Spieler, der mit guter Musik von sich reden macht. Haben Sie jemals zusammen etwas aufgenommen?

Webster: Wir haben etwas aufgenommen, aber nie veröffentlicht. Er hat mich vor circa vier Jahren besucht und wir sind in meine "Man Cave" gegangen - ein Tonstudio, das ich mir im Keller eingerichtet habe. Ich habe vier Töchter und das ist mein Rückzugsort - nur Männer sind erlaubt. (lacht) Dame ist sehr talentiert und sein neues Album ist großartig.

SPOX: Wenn Sie das Gefühl vergleichen, vor vielen Zuschauern Musik zu machen und Basketball zu spielen - worin sehen Sie die größten Unterschiede?

Webster: Auf dem Court geht es viel rauer zu als auf der Bühne. Du wirst angeschrien und beschimpft. Ich habe das alles erlebt. Im einen Moment bist du der König und im nächsten der einsamste Mensch der Welt. Wenn ich aber auf die Bühne gehe und Musik mache, ist es eher so, als könnte ich die Zuschauer mit meiner Energie kontrollieren. In der Regel kommen die Leute ja zu deinen Konzerten, weil sie deine Musik mögen und tanzen wollen. Aber um ehrlich zu sein, macht mir das Auftreten gar keinen großen Spaß. Ich habe das mein ganzes Leben lang gemacht. Für mich ist es eher der Prozess, im Tonstudio zu stehen und aus nichts langsam etwas entstehen zu lassen. Das ist das, was mir Spaß macht und auch der Grund, warum ich Musik mache.

SPOX: Verstehe ich es richtig, dass für Sie Basketball weniger anstrengend ist als Musik zu machen?

Webster: Ich spiele Basketball, seitdem ich elf bin und über die Jahre ist es eben mehr und mehr zur Routine geworden. Aber Musik ist eine Ausdrucksform, ein Spiegelbild der Seele. Seine Gefühle auf der Bühne zum Ausdruck zu bringen, das ist eine Herausforderung - aber ich liebe es. Beim Basketball erzählt man auch eine Geschichte, braucht dafür aber keine Worte, nur seine Bewegungen. Das ist schon cool.