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Ich baue eine Hütte mit Dirk Nowitzki

Alexander SchlüterOTHER
07. August 201716:51
Immer im Schlepptau von Dirk Nowitzki: DAZN-Reporter Alex Schlüter (r.) getty
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Wie bei jeder Reise mit der NBA wurde beim Africa Game viel Show geboten - aber die Spieler wurden auch mit der bitteren Armut in Johannesburg konfrontiert. DAZN-Reporter Alex Schlüter berichtet von seinen Erfahrungen mit Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Thierry Henry und vielen anderen.

TAG 1: "Dir geht hier sofort die Pumpe"

Es ist Mittwoch, irgendwo in Afrika. Na gut, wir sind ziemlich genau in Johannesburg, denn hier findet nach 2015 bereits zum zweiten Mal das NBA Africa Game statt. Sind wir ehrlich, das Event hatte für mich vor ein paar Wochen noch so viel Reiz wie eine Bundestagsdebatte über Ortsheimatpflege. Das änderte sich aber spätestens, als Dirk Nowitzki uns verriet, dass er in diesem Sommer dabei sein würde.

Er hatte ohnehin geplant, die Familie seiner Frau in Kenia zu besuchen. Zudem hatte man uns vorab erzählt, dass das Africa Game eine einmalige Möglichkeit biete, die NBA-Spieler und -Trainer mal in einer anderen Umgebung intensiv kennen zu lernen. So viel vorab: Wir sollten nicht enttäuscht werden.

Nun hat Dirk also Kind und Kegel eingepackt und ist aus Kenia in den Nordosten Südafrikas geflogen. Hier soll er das Team World am Samstag als Co-Captain aufs Feld führen. Dort wird er unter anderem auf Dennis Schröder treffen, der mit seinen gambischen Wurzeln für das Team Africa auflaufen wird. Die beiden Deutschen im Duell, dazu all die anderen Topspieler, das kann nur gut werden.

Vorher stehen aber noch einige andere Events an, zuallererst die feierliche Eröffnung des Africa Games 2017. Nachdem Dirk ein paar offizielle Wort ins Mikro gesprochen hat, entdeckt er uns zwischen den versammelten Medienvertretern. "Stark Jungs, ihr habt echt den langen Ritt auf euch genommen?" Haben wir, der Chef zahlt, das passt schon.

Direkt nach der Pressekonferenz geht es für die Profis in die Halle, wo sie die Coaches beim Jugend Camp unterstützen sollen. Hier trainieren in den nächsten Tagen einige der größten Talente Afrikas mit den NBA-Stars zusammen. Dirk hat zwar in diesem Sommer, anders als in den Jahren zuvor, durchtrainiert, vor der Höhenluft im 1.700 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Joburg hat er aber Respekt: "Dir geht hier sofort die Pumpe. Ich hoffe, ich komme an eine der Wurfstationen und muss erstmal nicht so viel laufen", scherzt er und schlendert in die Trainingshalle.

Immer im Schlepptau von Dirk Nowitzki: DAZN-Reporter Alex Schlüter (r.) getty

Dort ist Erik Spoelstra bereits voll in seinem Element. Der Heat-Coach, der in drei Tagen die Weltauswahl an der Seitenlinie betreuen soll, leitet mit vollem Körpereinsatz die ersten Übungen mit den Nachwuchsspielern: Ballvortrag von links, auf der Weakside wird ein Block genutzt - Pass - Wurf. So einfach die Übung, so detailversessen korrigiert Spoelstra jeden kleinen Fehler, achtet exakt auf die richtigen Winkel beim Pass und beim Laufweg um den Block.

Dirk ist beim Pick'n'Roll gelandet. Konditionell scheint ihn das nicht zu überfordern, aber er staunt ordentlich, als die afrikanischen Youngster reihenweise per Monsterjam abschließen. Es ist spannend zu beobachten, wie die Nervosität der Youngster, mit jeder Minute, die sie gemeinsam mit den großen Stars auf dem Court stehen, schwindet. Am Ende der Trainingseinheit ist die Stimmung so gelöst, dass Joel Embiid mit seinem Team eine Art Folklore-Huddle anstimmt. Inmitten der tanzenden Afrikaner komme ich mir arythmisch vor wie selten zuvor. Ich bin froh, dass zumindest Dirk mit da ist.

TAG 2: Ein Besuch im Township

Der zweite Tag beginnt mit einer weiteren Einheit im Trainingscamp. Es stehen Teambuilding-Maßnahmen auf dem Programm. Gruppenfangen, Ball hochhalten mit einem Spannbettlaken. Embiid führt sein in einer Kette laufendes Team mit geschlossenen Augen durch die Halle. Leaderqualitäten, die man in Philadelphia mit Wohlwollen registrieren wird.

Im Zentrum des Tages steht aber der Besuch in einem der größten Townships der Stadt auf dem Plan. Es ist ein Ausflug voller Kontraste. Mit vier großen Bussen geht es, eskortiert von zahlreichen Polizeiwagen, nach Orange Farm, einem der Armenviertel Johannesburgs. Menschliches Elend, zusammengepresst in 2x2 Meter große Wellblechhütten - besucht von den NBA-Millionären. Und doch ist es eine gute Sache.

Für NBA Cares sollen die Stars mit anpacken, es sollen Häuser gebaut werden, wofür der NBA-Trupp in einzelne Gruppen aufgeteilt wird. Dirk legt sich gemeinsam mit C.J. McCollum, Erik Spoelstra und Alvin Gentry ins Zeug. Es dauert nicht lange, bis auch ich die Arbeitshandschuhe anhabe - gut so, das ist kein Ort, um einfach in der Gegend rumzustehen.

Dirk schleppt mit C.J. die Steine, Spoelstra beschäftigt sich mit dem Mauern und Coach Gentry steht im Zentrum des Steinquadrats und gibt Anweisungen. Meine Aufgabe ist es, den Zement anzurühren. "Good job, Buddy!" schnappe ich aus der Hausmitte auf. Mit einem leicht stolzen "Thanks, Coach!" wuchte ich den Spaten wieder in den Schlick. Die Laune ist gut, es wird gescherzt, gelacht und wie es sich für Sportler gehört auch ein wenig gebattled.

Als McCollum irgendwann sieht, dass das Nachbarteam um Andre Drummond schon deutlich höhere Mauern gezimmert hat, verabschiedet sich der Blazer mit den Worten: "Leute, es war eine wundervolle Zeit in dieser Franchise, aber ich bin ein Ringchaser. Ich lasse mich da rübertraden."

Und doch wird nicht nur gelacht, es gibt auch viele nachdenkliche Mienen. Die Armut ist immer präsent. Rund 350.000 Menschen leben hier im ständigen Kampf um die eigene Existenz. Ich habe das Gefühl, dass sie keinen der Spieler kennen, die schillernde Welt der NBA liegt weit außerhalb ihres Kosmos. In den Träumen der Kinder, die durch die Zäune verstohlen in unsere Richtung schielen, kommen sicher keine Basketballstars vor - es geht hier ums Überleben.

Die Lebenserwartung in Orange Farm ist niedrig, die HIV-Quote umso höher. Die zugestaubten Häuser, die im Dreck spielenden Kinder - all das geht auch an den Profis nicht spurlos vorbei. Irgendwann greift Drummond zum großen Verpflegunskorb, der eigentlich für die NBA-Leute vorgesehen ist, und verteilt die Äpfel und Müsliriegel an die Bewohner des Viertels. Bostons Jaylen Brown kommt als einer der Letzten, lediglich in Shorts bekleidet zum Bus zurück.

Ein sichtlich gerührter Erik Spoelstra soll dies später als den rührendsten Moment des gesamten Trips beschreiben: "Er hat einfach angefangen, seine Klamotten auszuziehen und sie alle zu verschenken. Da war keine Kamera in der Nähe, er hat das von sich aus getan."

Dann aber geht es zurück und der NBA-Trott verlässt das Armutsgebiet begleitet von Polizeisirenen wieder in Richtung Luxushotel. "Die Armut ist auf diesem Kontinent einfach unglaublich, man will helfen, ist sich aber bewusst, dass man nicht überall helfen kann", sagt Dirk im Anschluss. Mit Spendengeldern werden im Township in den nächsten Monaten nicht nur weitere Häuser, sondern auch eine Schule gebaut. NBA Cares - so gut man eben kann.

TAG 3: Ein einsamer Thierry Henry

Es ist Freitag und zum ersten Mal trainieren die beiden Teams unter ihren Coaches. Team Africa studiert unter der Leitung von Baumeister Gentry und Mike Malone einige einfache Plays ein. Ein paar Horns-Sets, viel Drive-and-Kick. "Keep it simple!" ist der häufigste Satz aus dem Mund des Nuggets-Coaches. Dennis Schröder hat sichtlich Spaß mit Victor Oladipo. Die beiden trainierten schon zusammen, bevor sie 2013 gemeinsam gedraftet wurden, seitdem sind sie gute Freunde geworden.

"Es wäre fantastisch, wenn wir irgendwann zusammen in einem Team spielen könnten", erzählt mir Dennis später. "Wir haben schon mal ein bisschen rumgesponnen, wie das klappen könnte. Vielleicht ergibt sich ja eines Tages wirklich die Gelegenheit."

Während sich der Hawk und der Neu-Pacer auf dem Court die Bälle zupassen, taucht an der Seitenlinie ein anderer Weltstar auf. Thierry Henry schaut sich das Training an und wird anschließend von einigen Offiziellen auf den Court geführt. Es werden Hände geschüttelt, ein paar Worte ausgetauscht, so richtig warm werden der Ex-Fußballer und die NBA-Jungs aber noch nicht miteinander. Während die Spieler noch ein paar Würfe nehmen, tippelt Thierry sichtlich verlegen von einem Bein auf das andere. Notiz an mich selbst: Erfolg kann offenbar wirklich einsam machen.

Im anschließenden Training des World Teams geht es deutlich weniger verkrampft zu. Erik Spoelstra lässt Groß gegen Klein antreten, Dirk bringt den Ball - ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Den folgenden Dreiercontest gewinnt Team Big aber beeindruckend deutlich.

C.J. McCollum kann das die Laune trotzdem nicht vermiesen: "Jungs, das hier ist vielleicht das einzige All-Star-Game, zu dem ich es je schaffen werde - solange ich nicht in die Eastern Conference wechsele." Es folgt ein allgemeines Lachen, mit Ausnahme von Kristaps Porzingis und Kyle Lowry ...

Am Nachmittag steht der Besuch eines SOS-Kinderdorfes an. Es geht auf den dortigen Freiplatz, wo die Kids unmittelbar ihre Berührungsängste ablegen. Während DeMarcus Cousins ein spontanes 1-gegen-1-Turnier ausruft, steigt unter dem anderen Korb ein Dance-Battle, bei dem sich Kemba Walker und Oladipo trotz passabler Moves den Youngstern deutlich geschlagen geben müssen.

Für die Kinder ist es, so kitschig es klingt, ein Tag, den sie nie vergessen werden - für die Profis ist es eine besondere Erfahrung. Als draußen bereits die Busse warten, kommt Cousins mit einem Jungen in Pelicans-Shirt vorbei. Eigentlich wollte ich noch ein paar Worte von Boogie einfangen, entscheide aber spontan, dass ich meine Rolle heute gern abgebe, und drücke dem Jungen das Mikro in die Hand. Es folgt ein Interview der besonderen Art und ein weiterer besonderer Moment.

TAG 4: Ein Rotwein mit Geschwindner

Es ist soweit - Gameday! Während Spoelstra und Spurs-GM R.C. Buford gestern noch bis tief in die Nacht an der Hotellobby fachsimpelten, haben sich die Spieler früh auf ihre Zimmer verzogen. Niemand erwartet vom Spiel heute die höchste Intensität, aber in 1.700 Metern Höhe kann ein unausgeschlafener NBA-Star auch bei solch einem Spiel schlecht aussehen. Der Ticketpro Dome in Johannesburg ist gut gefüllt, die Stimmung prächtig. Selbst Henry hat etwas mehr Anschluss gefunden: Landsmann Ronny Turiaf ist eingeflogen und sitzt in Sahneoutfit inklusive Cowboyhut Courtside neben dem Ex-Gunner.

Zu Beginn der Partie dominiert Team World nach Belieben. Die Idee mit Dirk als Point Guard hat Spo offensichtlich beim späten Bier von Buford noch ausgeredet bekommen - gut so!

In der Viertelpause sollen Shots von der Mittellinie versenkt werden, um Spendenbeträge zu sammeln. Die Spieler sollen dabei von den anwesenden Promis unterstützt werden. Sänger Akon, ein echter Local Hero, wird aufgerufen und scheitert unter tosendem Beifall nur knapp. Auch Henry ist auf das Feld gekommen, aber irgendwie übersieht ihn der Hallensprecher und beendet das Wettwerfen vorzeitig. Es ist einfach nicht Thierrys Woche.

Für uns steht in der Halbzeit ein besonderes Highlight an: Wir dürfen mit der tiefsten Stimme des Planeten ein Interview führen. Dikembe Mutombo äußert sich mit viel Stolz über das Event auf seinem Heimatkontinent und spricht positiv über die Entwicklung von Schröder in Atlanta, wo Dikembe mittlerweile seinen Lebensmittelpunkt hat. Der winkende Zeigefinger darf am Ende natürlich nicht fehlen.

Angetrieben von den afrikanischen Fans dreht die Gastgeber-Auswahl nach dem Seitenwechsel auf, sodass sich zur Freude der wenigen neutralen Zuschauer in der Halle (dem internationalen Teil der Medientribüne) ein wirklich enges und durchaus ansehnliches Spiel entwickelt.

Nach dem Abendessen geht es für die Spieler und uns auf die Abschlussparty. Der Nobelclub in Joburg Downtown bietet neben viel teurem Alkohol einen Rap-Liveauftritt und eine den NBA-Maßen gerechte Megafotobox. Drummond entdeckt das 2,11 Meter große Kind in sich und liefert sich mit seiner Entourage ein regelrechtes Schnappschussduell.

Als es um 3 Uhr in den nächsten Club gehen soll, finden wir den Absprung und fahren zurück ins Hotel. In der Lobby empfängt uns Dirks Buddy Holger Geschwindner samt Rowein und einigen spannenden Storys über sein Wurftraining mit den Mavs-Spielern der letzten Jahre. Thierry ist auch da. Er flachst mit dem einstigen Spurs-Kettenhund Bruce Bowen. Es hat sich am Ende also doch alles zum Guten gewendet.

Nach kurzer Nachtruhe heißt es Koffer packen und fertig machen zur Abreise. Die meisten Spieler fliegen zurück in die USA, um langsam aber sicher wieder ins Teamtraining einzusteigen. Auch Siegertrainer Spoelstra hat seine Koffer gepackt.

Der 46-Jährige, den man während der Saison so selten Lachen sieht, hat ein Grinsen auf dem Gesicht: "Wir hatten alle wirklich enorm viel Spaß, aber was wir von dieser Reise vor allem mitnehmen, sind die Erlebnisse mit den Menschen hier. Im Township, im Kinderdorf, das waren für die Spieler Erfahrungen, die sie enorm reifen lassen werden. Wenn ich zurück in Miami bin, werde ich all meinen Spielern empfehlen, auch so eine Reise zu machen." Also wir wären dabei...

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