NBA

Mehr Placebo-Effekt als Allheilmittel

Von Jan Dafeld
Blake Griffin soll bei den Clippers bald sein Comeback feiern
© getty

Ausgerechnet ohne seinen (vermeintlichen) Superstar Blake Griffin gewannen die Los Angeles Clippers zehn Spiele in Serie und legten damit ihre längste Siegesserie seit zwei Jahren hin. Ist der Power Forward für das Team also womöglich entbehrlich? Oder liegen dem Aufstieg andere Umstände zugrunde? Das Spiel gegen die Cleveland Cavaliers (ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) könnte Aufschlüsse geben.

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In wirklicher Feierlaune schien am Abend des 25. Dezember 2015 kein Spieler der Clippers zu sein - trotz eines relativ ungefährdeten Siegs über den Stadtrivalen, die Lakers, und der damit beendeten Niederlagenserie von drei Pleiten in Folge.

Vielleicht lag es daran, dass bereits am morgigen Tag das nächste Match gegen die Jazz auf der Tagesordnung stand. Womöglich war auch der Umstand, dass die bisherige Saison der Clippers nur wenig Grund für überschwängliche Zuversicht geliefert hatte, verantwortlich. Oder aber die Gewissheit, dass Blake Griffin mit einer angerissen Quadrizeps-Sehne lange ausfallen würde, trübte die Stimmung.

Mäßiger Saisonstart

Was es letztendlich auch gewesen sein mag - die Situation von Los Angeles' zweitem NBA-Team erschien durchaus besorgniserregend. Rund ein halbes Jahr zuvor war man aufgrund eines kollektiven Zusammenbruchs, wie ihn die NBA in ihrer 70-jährigen Geschichte nur selten erlebt hatte, gegen die Rockets aus den Playoffs ausgeschieden. Mit 13 Niederlagen aus den ersten 29 Spielen starteten die Clippers obendrein mäßig in die Saison. Die Probleme der letzten Spielzeit schienen nicht gelöst worden zu sein.

Die Lage mutete zwar noch nicht wirklich alarmierend an, die vorherigen Kampfansagen in Richtung des Champions aus Golden State wirkten allerdings zunehmend lächerlich. Und ausgerechnet jetzt sollte mit Griffin auch noch der beste Scorer, zweitbeste Rebounder und zweitbeste Passer des Teams ausfallen.

Defense macht Siegesserie möglich

Was zur ersten Regular-Season-Krise der Franchise seit dem Trade für Chris Paul hätte führen können, mündete jedoch im genauen Gegenteil: Lob City gewann die nächsten zehn Spiele allesamt und legte damit seine längste Siegesserie seit zwei Jahren hin. Über diesen Zeitraum stellten die Clippers das zweitbeste Net Rating, waren ligaweit Nummer drei in der Defensive und Nummer vier in der Offensive.

Vor allem die defensiven Verbesserungen - zuvor rangierte Los Angeles im grauen Mittelfeld der Liga - waren bemerkenswert. "Wir sind ein besseres Team in der Defensive. Über unsere Offensive habe ich mir nie wirklich Sorgen gemacht", erklärte Head Coach Doc Rivers, "unsere Defense hat sich eindeutig verbessert. Wir bewegen uns, wir spielen zusammen."

"Selbst wenn jemand einen Fehler macht, ist direkt der Nächste da, der für ihn die Deckung übernimmt. Unser Vertrauen ineinander hat sich definitiv verbessert", stieß auch Jamal Crawford in das selbe Horn und Austin Rivers ergänzte: "Unsere Kommunikation ist jetzt wesentlich besser. Ich denke, das sind die größten Verbesserungen, die wir bisher in unserer Defense hatten."

Trügerische Verbesserungen

Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache: Die Clippers gewannen in dieser Spielzeit 17 ihrer 19 Spiele, in denen der Gegner unter der 100-Punkte-Marke blieb. Sieben dieser Siege wurden ohne Griffin eingefahren. Dennoch täuschen diese Eindrücke über einige Dinge hinweg, die womöglich erst auf den zweiten Blick offensichtlich werden.

Zum einen trafen alle Gegner während der Siegesserie der Clippers schlechter als 40 Prozent von außen. Dies ist in Teilen zwar auch auf die verbesserte Perimeter-Defense der Small-Ball-Lineups von Rivers zurückzuführen, allerdings weiß jeder, der sich etwas mehr mit Statistiken im Basketball befasst, dass gegnerische Dreierquoten (zumindest über kürzere Zeiträume) enorm von einem nicht beeinflussbaren Faktor abhängen: Glück.

Noch um einiges aussagekräftiger ist allerdings eine andere Beobachtung, die man beim Betrachten der Siegesserie machen kann: Die Qualität der gegnerischen Teams. Nur eine der geschlagenen Mannschaft weist derzeit einen Winning Record auf. Darüber hinaus traf L.A. auf fast kein Team, dem nicht ebenfalls ein zentraler Schlüsselspieler fehlte. Anthony Davis, Al Jefferson, Nicolas Batum, CJ McCollum, Bradley Beal, Rudy Gobert und Derrick Favors sind nur die Spitze des Eisbergs der Spieler, die in dieser Phase gegen die Clippers passen mussten.

Inwieweit die guten Statistiken des Teams also tatsächlich mit einer verbesserten Defense zusammenhängen, bleibt vorerst abzuwarten.

Redick in der Form seines Lebens

Dennoch: Auch wenn die Winning Streak der Clippers durch einige glückliche Begleitumstände ermöglicht wurde, so sind nicht alle Entwicklungen der letzten zwölf Spiele komplett zu vernachlässigen.

Das Rekordjahr von JJ Redick zum Beispiel. Der Shooting Guard der Clippers drehte in der Abwesenheit Griffins richtig auf und schraubte seine Leistungen in einem bereits guten Jahr auf ein noch höheres Level. "Adam Levine" verbesserte seinen Scoring-Schnitt in dieser Phase um fast fünf Punkte auf mehr als 20 pro Spiel, gipfelnd in seiner 40-Punkte-Nacht gegen die Rockets.

Im fortgeschrittenen Alter von 31 Jahren ist Redick drauf und dran die beste Saison seiner Karriere aufs Parkett zu zaubern. Aktuell kommt er auf Career Highs in puncto Scoring, Field Goal Percentage, Three Point Field Goal Percentage, Player Efficiency Rating und Usage Rate. Darüber hinaus besteht für Redick weiterhin die Chance als erster Spieler der Ligageschichte eine 50-50-90-Saison zu schaffen. Mit 48,9 Prozent aus dem Feld, 50 Prozent von außen und 89,5 Prozent von der Freiwurflinie liegt er derzeit nur haarscharf darunter.

"Keine Signale an irgendwen versenden"

Auch wenn Redicks Touches mit der Rückkehr Griffins wieder etwas abnehmen dürften, macht ihn seine bestechende Form zu einer noch größeren Waffe als er es ohnehin schon war. Durch Griffins Präsenz in der Zone wird Redick zwangsläufig weiter offene Würfe bekommen - ein Mittel, dass Rivers seit dessen erstem Tag in L.A. vor allem im ersten Viertel liebend gern nutzt. Kein anderer Spieler der Clippers schließt in den ersten zwölf Minuten mehr Angriffe ab als Redick.

Trotz ihrer (vermeintlichen?) Wiedererstarkung sind die Töne aus Lob City zumindest vorerst leiser geworden. "Wir wollen keine Signale an irgendwen versenden", so Rivers, "das muss am Ende Jahres passieren. Wir versuchen derzeit einfach nur uns zu verbessern."

Schwerer Road Trip steht bevor

Ein lobenswerter Vorsatz, zumal die schweren Brocken erst jetzt auf die Clippers warten. Gegen die Rockets feierte das Team zumindest schon mal einen erfolgreichen Auftakt des anstehenden Auswärtstrips. Nach dem Aufeinandertreffen mit den Cavaliers (ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) warten die Knicks, die Raptors, die Hawks und die Pacers - und damit vier Teams mit Winning Records - auf die Clippers.

Ob Lob City also tatsächlich wieder in der erweiterten Spitzengruppe der NBA angekommen ist, werden die anstehenden Spiele zeigen - auch weil das Comeback von Griffin kurz bevorsteht. Der Forward kündigte an, im Laufe des Road Trips wieder ins Team zurückzukehren. Gegen Cleveland wird Griffin allerdings wohl erneut ausfallen. Ein Grund zur Freude sollte dies für Fans der Clippers jedoch definitiv nicht sein.

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