NBA

Wenn der Trainer mit dem Spieler

Von Philipp Dornhegge
Kevin Martin spielt für die Minnesota Timberwolves bisher eine überraschend starke Saison
© getty

Nach einem starken Saisonstart haben die Minnesota Timberwolves (11-12) zuletzt etwas den Faden verloren. Gegen die Memphis Grizzlies (10-12) (Mo., 0 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) will das Team um Superstar Kevin Love wieder eine ausgeglichene Bilanz erreichen. Einer der Hoffnungsträger ist dabei einmal mehr Kevin Martin, der in den letzten Jahren schon abgeschrieben wurde, in Minnesota aber eine Wiederauferstehung feiert. Zu verdanken hat er dies auch Coach Rick Adelman.

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Es gibt Spieler, die haben zu einem bestimmten Trainer ein so besonderes Verhältnis, dass sie nur unter diesem Trainer richtig zu funktionieren scheinen. Spieler, deren Spielweise so ausgelegt ist, dass sie sich in einem bestimmten System mit einer bestimmten Rolle einfach am wohlsten fühlen. Die Beziehung zwischen Kevin Martin und Rick Adelman ist dafür ein gutes Beispiel.

Der Shooting Guard und der Head Coach liefen sich zum ersten Mal über den Weg, als Martin 2004 von den Sacramento Kings an 26. Stelle gedraftet wurde. Eine grandiose (aber letztlich nicht von Erfolg gekrönte) Ära ging für die Kalifornier seinerzeit zu Ende: Vlade Divac verließ das Team im Sommer Richtung L.A., Peja Stojakovic wurde zunehmend von Verletzungen gebeutelt, Chris Webber und Jason Williams standen vor ihren jeweils letzten Spielzeiten für die Kings.

Martin stellte also in gewisser Weise die Zukunft dar, einen Hoffnungsschimmer in zunehmend tristen Zeiten. Und obwohl Sacramento mit Martin nicht annähernd an frühere Leistungen anknüpfen konnte, spielte der Go-to-Guy selbst nach einer gewissen Anlaufzeit stark. Adelman brachte seinem Schützling das Handwerkszeug bei, um in der NBA erfolgreich zu sein.

"Adelman ist ein Coach, der seine jungen Leute hart arbeiten lässt", sagt Martin im Rückblick. "Für mich war der Anfang nicht immer leicht, aber wenn man die nötige Zeit investiert und sich seinen Respekt erarbeitet, dann zahlt sich das aus."

Zwischen All-Star-Zahlen und Misserfolg

Nach dem Abschied des Coaches 2006 explodierte Martin und verbesserte sich in der kommenden Spielzeit von 10,8 auf 20,2 Punkte pro Spiel. Dieses Niveau hielt er über mehrere Jahre, obwohl er und die gesamte Franchise unter einem ständigen Kommen und Gehen auf der Trainerbank zu leiden hatten. Bis zu seinem Abschied während der Saison 2009/2010 hatte Martin mit vier weiteren Übungsleitern zu tun.

Trotz guter Zahlen wurde er erst wieder richtig glücklich, als er schließlich in Houston landete - und wieder mit Adelman zusammen arbeiten durfte. "Er hat etwas Zeit gebraucht, um herauszufinden, wie er spielen muss", so Adelman. "Nach zwei oder drei Jahren hatte er die Kniffe und Tricks drauf. Er war immer technisch versiert, aber erst mit der Erfahrung konnte er seine Fähigkeiten voll ausspielen", erinnert sich der Lehrer.

Mit Martin und Adelman spielen die Rockets einen packenden Basketball, der Erfolg bleibt aber aus. Zwei Mal nacheinander scheitern die Texaner als Neunter im Westen an der möglichen Qualifikation für die Playoffs. Für das Front Office waren diese Jahre, wie sich später herausstellt, nur eine Übergangsphase, in der GM Daryl Morey seinen Kader und seine Finanzen auf die Zukunft ausrichtete.

Martin und Adelman schweißte diese Zeit dennoch weiter zusammen. Als Adelman 2011 gehen musste, litt Martins Leistung erheblich. Verletzungen und ein ungewohntes System unter Kevin McHale führten zu einem Absturz des Punkteschnitts von 23,5 auf 17,1 Zähler pro Spiel.

Harden-Trade schadet Martins Ruf

Als die Rockets Martin für James Harden nach Oklahoma City verschiffen, wird aus einem der effektivsten Scorer der Vorjahre (Martin ist ein vorzüglicher Distanzschütze und zieht dennoch jede Menge Fouls) in der öffentlichen Wahrnehmung plötzlich ein eindimensionaler Shooter, der sich scheinbar auf dem absteigenden Ast befindet.

Eine ordentliche, aber nicht spektakuläre Saison bei den Thunder, wo er erstmals seit seiner zweiten Saison wieder Bankspieler ist und seinen niedrigsten Punkteschnitt seit jener Spielzeit verbucht (14,0), bestätigt diesen Eindruck eher, als dass sie ihn widerlegt.

Die Thunder haben deshalb auch keine Probleme damit, Martin vor der laufenden Spielzeit gleich wieder ziehen zu lassen. Sie glauben, dass ihre jungen und unerprobten Talente (allen voran Reggie Jackson und Jeremy Lamb) den Verlust kompensieren können.

Dabei ist Martin zu diesem Zeitpunkt gerade mal 30 Jahre alt. Das wissen die Timberwolves und geben Martin einen Vierjahresvertrag über 28 Mio. Dollar. Viel zu viel, so damals die landläufige Reaktion.

Wiedervereinigung in Minnesota

Doch Minnesota hat einen Mann, der genau um die Qualitäten Martins weiß: Rick Adelman. Der 67-Jährige hat inzwischen als achter Coach die 1000-Siege-Marke geknackt und soll die Timberwolves wieder in die Playoffs führen. In den Jahren 2011 und 2012 scheiterte er auch und vor allem an Verletzungen, die seine Schlüsselspieler heimsuchten.

In diesem Jahr sollte alles besser werden. Was jedoch definitiv fehlte, war ein ausgewiesener Distanzschütze auf den Flügelpositionen. Ein Mann wie Kevin Martin.

"Wir sind zuversichtlich, dass er unter diesem Trainer und in diesem System um die 18 Punkte machen kann", sagte der neue GM Flip Saunders bei der Verkündung der Verpflichtung Kevin Martins und bezog sich auf den Karriereschnitt des Neuzugangs.

Martin wiederum war von Anfang "begeistert von der Richtung, die die Franchise unter Saunders eingeschlagen hat und von dem System, das Adelman spielen lässt."

Career-Highs bei Freiwürfen und Steals

Alle Parteien freuten sich auf die Zusammenarbeit, aber das Ausmaß, mit dem Martin einschlug, hätte wohl niemand erwartet: 21,5 Punkte stehen pro Partie zu Buche, die Dreierquote liegt bei starken 41,5 Prozent. 92,8 Prozent Freiwurfquote und 1,4 Steals pro Partie sind gar Career-Highs.

Dabei liegen seine Minuten mit 34,5 pro Partie in einem "normalen" Bereich und knapp unter der Spielzeit, die er zu seiner Hochzeit in Sacramento und Houston bekommen hatte.

"Er ist eine echte Gefahr auf dem Flügel, holt Freiwürfe heraus und macht leichte Punkte", ist Minnesotas Superstar Kevin Love begeistert vom neuen Kollegen. "Er war immer bei 20 Punkten pro Spiel, das ist also nichts Neues für ihn. Er hilft uns sehr."

Martin: "Er ist ein besonderer Coach"

Martin hilft auch Love ganz explizit, weil er das Feld breit macht, ständig einen Gegenspieler bindet und es der anderen Mannschaft nicht erlaubt, sich nur auf den All-Star-Power-Forward zu fokussieren.

Martin hilft Nikola Pekovic, weil der montenegrinische Wühler unter dem Korb mehr Eins-gegen-Eins spielen kann, und er hilft Ricky Rubio, weil der jetzt erstens mehr Platz hat, um Pick'n'Rolls aufzuziehen und zweitens eine Anspielstation vorfindet, die seine vorzüglichen Pässe für offene Dreier in Zählbares ummünzt.

Hätte man es also doch von Anfang an besser wissen müssen? War nicht eigentlich klar, dass Martin in Minnesota einschlagen würde? Der Trainer sagt Ja und erklärt ganz nüchtern: "Ich wusste, was er draufhat. Und er weiß, was wir hier umsetzen wollen."

Martin wiederum wird schon etwas redseliger, wenn es um seinen zweiten Frühling und das spezielle Verhältnis zu Adelman geht: "Er ist ein Trainer, der dich einfach dein Spiel spielen lässt. Er ist ein besonderer Coach, ein absoluter Fachmann. Spieler mögen es einfach, für ihn zu spielen." Auf kaum einen Spieler trifft das wohl mehr zu als auf Kevin Martin selbst.

Kevin Martin im Steckbrief

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