Finaler Kampf der Cinderellas

Von Martin Gödderz
Fünf Freunde müsst ihr sein! Niels Giffey (r.) hat großen Anteil am Aufstieg der UConn Huskies
© getty

Ein derartiges Finale hat es in der NCAA-Geschichte noch nie gegeben. Zwei der am meist unterschätzten Teams des Landes im epischen letzten Spiel der March Madness. Wenn die Connecticut Huskies mit dem Deutschen Niels Giffey in der Nacht von Montag auf Dienstag (3:10 Uhr deutscher Zeit) auf die Kentucky Wildcats treffen, ist Spektakel garantiert. Der Ausgang? Völlig offen!

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Das Märchen von Aschenputtel ist den Deutschen hinlänglich bekannt, schließlich wurde es wie so viele Erzählungen dieser Art von den Gebrüdern Grimm verfasst. Die arme Magd, die zur Frau des Prinzen wird. Eine wahrlich traumhafte Story, die über Verfilmungen den Weg in die USA fand und schließlich ihr Zelt im Sport aufschlug, denn der Sport liebt sie, diese Cinderella-Stories.

Die Geschichten vom unterschätzten, kleinen, nicht ernstgenommenen Team, das mit irrem Teamgeist an die Spitze des Wettbewerbs vorstößt. Der Überraschungssieg. Nichts elektrisiert den Sport mehr. Sylvester Stallone ist dank eben jener Geschichte zur Filmlegende geworden: Rocky, die sportgewordene Cinderella-Story.

Nun gibt es eine ganze Reihe dieser Geschichten. Griechenlands EM-Titel im Fußball 2004, die 2004er Pistons in der NBA oder der Super-Bowl-Run der New York Giants 2007 sind nur einige Beispiele dafür, wie ein unterschätztes Team alle Favoriten schlug. Dass gleich zwei Aschenputtels in einem Finale aufeinandertreffen, das ist allerdings höchst ungewöhnlich.

Geschichtsträchtiges Finale der Underdogs

Die March Madness allerdings trägt ihren Namen nicht umsonst, der Wahnsinn ist Gesetz und so wundert es kaum noch, dass mit den im Osten an Platz 7 gesetzten Connecticut Huskies und den im mittleren Westen auf Platz 8 gelisteten Kentucky Wildcats zwei Teams im Finale des NCAA-Abschlussturniers stehen, die die Träume aller Bracketmaniacs zunichte gemacht haben.

Es gab noch nie ein Finale zwischen zwei derart hoch gesetzten Teams, die zusammengezählte Summe der Seeds (15) geht als höchste in die College-Geschichte des Basketballs ein. Ein 7-Seed stand generell noch nie im Finale.

Auf der einen Seite stehen die Huskies, die selbst nach dem Finaleinzug nicht einmal von allen Experten ernst genommen werden. Ein Team mit einem Point Guard, der wie ein 14-Jähriger aussieht, mitteltalentierten Rollenspielern und einem etwas schlaksigen, blonden Deutschen, trainiert von einem Headcoach, der sich gerade einmal in seinem zweiten Jahr befindet.

Auf der anderen Seite die Kentucky Wildcats. Das vor der Saison wieder in den Himmel gelobte Team bestehend aus lauter Frischlingen, das eine der schlechtesten Spielzeiten der letzten Jahre mit in den März brachte. Denn bis zur March Madness enttäuschenden Freshmen um die Harrisons und Julius Randle. Nur die wenigsten trauten ihnen den Durchmarsch ins Finale zu.

Calipari: "Ich weiß nicht, wie sie spielen"

Nun stehen sich die beiden vor dem Turnier als Underdogs gehandelten Teams plötzlich im Spiel der Spiele gegenüber. Es könnte eines der spannendsten Finalspiele der NCAA-Geschichte werden. Der Ausgang ist vollkommen offen. Ausreichend gescoutet haben sich die beiden Teams vorher nicht, zu unrealistisch war die Chance eines Aufeinandertreffens, was auch Kentuckys Coach John Calipari unterstrich: "Ich weiß, wie gut sie sind, aber ich weiß nicht, wie sie spielen."

Die Huskies kommen mit der Gewissheit ins Spiel, den Über-Favoriten auf den Turniersieg besiegt zu haben. Das Team um den Deutschen Niels Giffey schlug im Final Four die Florida Gators und durchbrach damit nicht nur die Titelträume des mit etlichen erfahrenen Seniors gespickten Nummer-1-Seeds, sondern auch die 30 Spiele andauernde Siegesserie von Scottie Wilbekin und Co.

Vorher hatte UConn schon dafür gesorgt, dass im Elite Eight Geheimfavorit Michigan State dran glauben musste. Nummer-3-Seed Iowa State verlor im Sweet Sixteen, Nummer-2-Seed Villanova wurde bereits in der zweiten Runde eliminiert.

Giffey als wichtiges Puzzleteil

Dabei gewannen die Huskies nicht einfach nur, sie demonstrierten ihre Siege. Gegen die Gators nahm Shabazz Napier Gegner Scottie Wilbekin komplett aus dem Spiel und Forward DeAndre Daniels legte 20 Punkte sowie 10 Rebounds auf.

Der letzte Spieler mit ähnlichen Stats in einem Halbfinale? Ein gewisser Carmelo Anthony 2003. In den Spielen zuvor überragte 1,85-Meter-Aufbau Shabazz Napier in der Offensive sowie die insgesamt tadellose Team-Defensive.

Mittendrin im Traum der Huskies steckt der Berliner Niels Giffey, der sich als Teamplayer glänzend in die Mannschaft einfügt, wenige Fehler begeht und oft zur richtigen Zeit da ist. In seinem letzten Collegejahr eröffnet sich für den Tweener noch einmal die große Möglichkeit auf den Titel.

Die Wildcats besitzen nicht so viel Erfahrung, dafür ungleich mehr Talent. John Calipari hatte vor der Saison sechs All-Americans sowie mit James Young, Julius Randle und den Harrison-Zwillingen gleich vier potenzielle Top-10-Picks des nächsten NBA-Drafts rekrutiert. In der Saison passte aber relativ wenig zusammen. So kam es für die Verantwortlichen in Kentucky zwar überraschend, dass sie nur an achter Stelle ins Turnier starteten, beschweren konnten sich die Wildcats über die Wahl aber nicht.

Aktuelle Wildcats besser als Wall und Cousins

Vielmehr ließen sie statt Worten Taten sprechen. Nach dem überzeugenden Sieg in Runde 1 gegen Kansas State kam es in der zweiten Runde bereits zum Gipfel gegen das bis dato in dieser Saison ungeschlagene Wichita State. Die Wildcats schlugen den Nummer-1-Seed im mittleren Westen und knöpften sich dann im Sweet Sixteen Vorjahressieger Louisville vor, während im Elite Eight die Michigan Wolverines ebenfalls ihren Meister fanden.

Im Final Four siegte das Team von John Calipari schließlich in letzter Sekunde gegen Wisconsin. Dabei versenkte Aaron Harrison bereits zum dritten Mal im laufenden NCAA-Turnier einen Gamewinner. Wer in der NBA also einen Clutch-Shooter sucht, der sollte mal im Hause Harrison anklopfen.

Durch den Sieg ist Kentucky-Coach Calipari nun bei einer Bilanz von 18-2 mit den Wildcats im NCAA-Turnier. Seine Jungs schafften das, was John Wall, DeMarcus Cousins oder Eric Bledsoe zuvor nicht für die Wildcats schafften: Sie zogen ins Finale ein.

Legendäres Finale wird erwartet

Vielleicht kam der Finaleinzug der Wildcats weniger überraschend als der der Huskies, schließlich hatte dem vor Talent nur so strotzenden Kentucky vor der Saison ja fast jeder Experte so etwas zugetraut.

Vor dem NCAA-Turnier galt die aktuellste Freshmen-Klasse von Calipari aber als ziemliche Verlierertruppe. Dass sich Julius Randle und Co. derart steigern würden, war also nicht unbedingt zu erwarten.

So oder so erwartet die Zuschauer in der Nacht von Montag auf Dienstag (3:10 Uhr deutscher Zeit) ein legendärer Schlagabtausch. Cinderella gegen Cinderella. Traumgeschichte gegen Märchen. College-Kultur in Reinform, ein Deutscher im Fokus und einige Kandidaten für den NBA-Draft 2014 live dabei. Basketballherz, was willst du mehr.

Die Final-Four-Spiele beider Teams in der Zusammenfassung

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