NBA

Superman und seine Scharfschützen

Von Philipp Dornhegge
Vorteil Magic beim Rebound: Dwight Howard macht die Zone dicht, die Guards boxen perfekt aus
© Getty

Die Orlando Magic sind also Champion der Eastern Conference. Nicht die Cavaliers, und auch nicht die Celtics spielen ab Donnerstagnacht in den Finals gegen die Los Angeles Lakers um die Meisterschaft.

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Im ersten Moment fragt man sich ja schon: Die Orlando Magic in den Finals? Wie konnte das denn bitte passieren? Ist der Trainer in Orlando nicht Stan van Gundy, der "Master of Panic", wie Shaquille O'Neal ihn im Verlauf der Saison taufte?

Fällt mit Jameer Nelson nicht der All-Star-Point-Guard seit Mitte Februar aus? Haben die Magic nicht mit die schlechteste Freiwurfquote der Liga? Wie konnte es passieren, dass sich ein Team, das völlig unkonventionellen NBA-Basketball zeigt, bis in die Finals spielt?

Die Antwort ist einfach: Eben weil sie nicht den typischen Basketball spielen, auf den sich in den letzten 15 Jahren fast alle Teams verlassen haben, sind die Magic so erfolgreich.

Seit Michael Jordan der dominanteste Spieler einer ganzen Generation war, denken offenbar die meisten General Manager, dass dies der sicherste Weg zu Ruhm und Ehre wäre: Man braucht einen Superstar, gibt ihm den Ball und lässt ihn machen.

Das Geheimnis heißt Team-Basketball

So haben es in diesem Jahr die Cavs versucht, so versuchen es seit Jahren die Lakers, so haben die Chicago Bulls sechs Meisterschaften gewonnen.

Dieser Stil des One-on-One-Gezocke ist mittlerweile so fest verankert in der Liga, dass einige Teams schon gar nicht mehr wissen, wie sie zu reagieren haben, wenn sie gegen eine echte Mannschaft spielen müssen.

Und genau das sind die Orlando Magic: Ein Team, in dem kein Spieler für zwanzig Sekunden den Ball hält, zum Korb zieht und dann entweder selbst abschließt oder im letzten Moment den freien Mann findet, weil er selbst gedoppelt wird.

Bei den Magic läuft der Ball, da hat am Ende mal Dwight Howard 30 Punkte, dann wieder Rashard Lewis oder Hedo Turkoglu. Sogar die Rollenspieler Mickael Pietrus, Courtney Lee oder Rafer Alston streuen gelegentlich 20-Punkte-Spiele ein, weil es in Orlando nicht darauf ankommt, wer die Körbe erzielt. Jeder darf schießen, solange er frei steht.

Von Howard geht alles aus

Der Ausgangspunkt der Offense ist freilich Superman Howard. Der Center ist der Star des Teams. Keine Frage. Aber er ist im Gegensatz zu manch anderem Topspieler in der Liga eben kein schwarzes Loch, das den Ball nicht mehr hergibt, wenn es ihn einmal hat.

Howard ist sicher kein Bewegungstalent wie Hakeem Olajuwon, aber er ist groß, hat ungeheure Power und ist der wahrscheinlich sprunggewaltigste Big Man, den die Liga je gesehen hat. Eigenschaften, die jeder Gegner respektieren muss, weshalb der 23-Jährige von den meisten Teams im Low Post gedoppelt wird.

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In den letzten Jahren hat Howard allerdings gelernt, die Kugel im richtigen Moment wieder abzuspielen, sodass an der Dreierlinie immer wieder ein Mann freisteht. Und wenn der nicht gleich mit dem ersten Pass gefunden wird, dann sind die Magic uneigennützig genug, um den Ball so lange laufen zu lassen, bis der freie Schütze abdrücken kann.

Mit den genannten Turkoglu (37,3 Prozent Dreierquote), Lewis (39,1), Pietrus (39,3), Lee (30,3), Alston (35,1), dem wiedergenesenen Nelson und zusätzlich J.J. Redick (39,0) verfügt Orlando über eine ganze Armada von Scharfschützen, die nur wenige Gelegenheiten von außen ungenutzt lassen.

Orlando hat die perfekte Mischung

Und wenn doch mal einer daneben geht, dann ist da immer noch Howard, der beste Rebounder der Liga. Auch die anderen Big Men, Marcin Gortat und der meist nur noch sporadisch eingesetzte Tony Battie sind stark an den Brettern. So kommen die Magic immer wieder zu leichten Punkten.

Ein erstklassiger Big Man, starke Schützen und gute Reboundarbeit - eine perfekte Mischung, um jeden Gegner vor Probleme zu stellen.

Eigentlich kann man diese Taktik nur stoppen, indem man Howard im Eins-gegen-Eins verteidigt. So kamen die Celtics immer wieder zum Erfolg, denn mit Kendrick Perkins haben sie einen der besten Verteidiger der Liga auf der Center-Position.

Die Cavs hatten so einen Mann nicht, und auch die Lakers dürften mit Andrew Bynum oder Pau Gasol immer wieder Probleme bekommen.

Defense der Schlüssel zum Erfolg

Und wenn es doch anders kommen sollte, dann hat Orlando immer noch andere Waffen: Da alle Spieler außer Howard exzellente Ballhandler sind, beherrscht das Team das Pick-and-Roll-Spiel perfekt. Daraus resultieren immer wieder offene Würfe für Turkoglu und Co. - oder eben Dunks für Howard, der gegen die Cavs sogar 70 Prozent seiner Freiwürfe traf.

Insbesondere Turkoglu ist zudem ein starker Eins-gegen-Eins-Spieler, falls sich das Team aus Florida doch einmal auf die gängige NBA-Spielweise einlassen will oder muss.

Im Angriff läuft es meist von allein, aber der Schlüssel zum Erfolg ist die Defense der Magic: Howard in der Mitte macht die Zone dicht und sammelt in den Playoffs im Schnitt 15,4 Rebounds und 2,2 Blocks.

Dank der vergleichsweise kleinen Starting Five mit Alston (Nelson), Lee, Turkoglu und Lewis sind die Magic außerdem flott auf den Beinen und können extrem schnell rotieren, wenn ein Spieler wie LeBron James oder jetzt in den Finals Kobe Bryant an seinem Mann vorbeigeht.

Zwei Siege gegen die Lakers in der regulären Saison

Schon einmal stand Orlando im Finale. 1995 wurden die jungen Shaquille O'Neal, Penny Hardaway und Co. von den Houston Rockets gesweept - eine bittere Erfahrung.

Das soll 2009 natürlich nicht passieren, und obwohl die meisten Experten auf die Lakers tippen, glaubt Orlando an den Titel: "Wir wissen, wie abfällig über uns geredet wurde", sagte Howard nach dem entscheidenden sechsten Spiel gegen Cleveland. "Aber wir wissen auch, dass wir jeden schlagen können."

"Niemand hat doch geglaubt, dass wir auf diesem Niveau spielen können", gibt ihm Coach Van Gundy recht. Dass die Magic die Lakers schlagen können, haben sie in beiden Aufeinandertreffen in der regulären Saison gezeigt.

Sollte sich Orlando in den Finals durchsetzen, soll keiner behaupten, es wäre eine Überraschung.

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