Deutsches Eishockey ist zum Verzweifeln

Von Florian Bogner / Florian Regelmann
Thomas Greiss bekam nur 17 Schüsse auf sein Tor, aber fünf waren drin
© Getty

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Auch am neunten Tag der Olympischen Spiele in Vancouver und Whistler durfte sich das deutsche Team über eine Medaille freuen. Langläufer Tobias Angerer holte sich in der Doppelverfolgung Silber. Leider sollte es die einzige Medaille bleiben, so dass die USA im Medaillenspiegel weiter enteilt. Immerhin riecht es im Bob nach einem ungefährdeten Doppelsieg. Es gab aber noch sehr viel mehr Wissenswertes und Kurioses. Tag 9 der Olympischen Winterspiele im Überblick.

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Es gibt Medaillen, die sind besonders schön, weil man nicht unbedingt mit ihnen rechnet. So wie die Silbermedaille von Tobias Angerer, der sich in der Doppelverfolgung in einem packenden Finish nur dem Schweden Marcus Hellner geschlagen geben musste.

Im Super-G der Damen erwartete jeder das nächste Duell zwischen Lindsey Vonn und Maria Riesch, aber am Ende jubelte die Österreicherin Andrea Fischbacher über Gold. Während es für Vonn wenigstens zu Bronze reichte, landete Riesch nur auf Rang acht.

Im Skispringen gingen die Simon-Ammann-Festspiele weiter. Der Schweizer Dominator holte sich wie schon 2002 in Salt Lake City Doppel-Gold - bis auf den guten Michael Neumayer auf Rang sechs stürzten die DSV-Adler komplett ab, was für das Teamspringen wenig Mut macht.

Die Entscheidungen des Tages:

WettbewerbMeldung

Super G der DamenFischbacher lässt Österreich jubeln

Skispringen, GroßschanzeNormalschanze reloaded

Eisschnelllauf, 1500m der HerrenEin Niederländer schlägt den Eis-Obama

Langlauf, Doppelverfolgung der HerrenNur ein Schwede stärker als Angerer

Shorttrack, 1500m der DamenChinesin schlägt die Koreanerinnen

Shorttrack, 1000m der HerrenEine koreanische Demonstration

 

Was sonst noch wichtig war:

Bob: Deutschland, du unglaubliche Bob-Nation. Fahnenträger Andre Lange steht vor einem historischen Triumph. Der 36-Jährige führt bei Halbzeit des Zweierbob-Wettbewerbs im Whistler Sliding Centre vor Vize-Weltmeister Thomas Florschütz und kann als erster Pilot zum vierten Mal olympisches Gold gewinnen. Mit sauberen Fahrlinien und starken Nerven setzte sich Lange mit Anschieber Kevin Kuske nach zwei Läufen auf dem 1450 m langen Hochgeschwindigkeitskurs mit einem Vorsprung von 0,11 Sekunden an die Spitze. Der drittplatzierte Russe Alexander Subkow liegt schon eine halbe Sekunde zurück.

Curling: Die deutsche Herren-Mannschaft um Skip Andy Kapp is endgültig back! Nach dem enorm wichtigen Sieg am Vortag gegen die Schweiz ließ das deutsche Team Frankreich überhaupt keine Chance und gewann mit 9:4. Mit drei Siegen und drei Niederlagen ist das Halbfinale noch nicht außer Reichweite. Die deutschen Damen um Andrea Schöpp lieferten sich einen harten Kampf mit China, zogen aber am Ende mit 7:9 den Kürzeren und dürfen sich nun ebenfalls keinen Ausrutscher mehr leisten, wenn es noch mit einer Medaille klappen soll.

Eishockey: Deutschland hat auch das dritte Turnierspiel verloren. Gegen Weißrussland setzte es eine 3:5-Niederlage, die bedeutet, dass die DEB-Auswahl die Vorrunde auf Rang elf abschließt und in der Viertelfinal-Qualifikation auf den schlechtesten Gruppenzweiten treffen wird, möglicherweise sogar auf Gastgeber Kanada mit Superstar Sidney Crosby. Bei einem Sieg hätte die deutsche Mannschaft gegen den Erzrivalen Schweiz deutlich bessere Chancen gehabt. In den weiteren Spielen hatte die Schweiz beim 5:4 nach Verlängerung gegen Norwegen viel mehr Mühe als erwartet, die Slowakei fertigte Lettland standesgemäß mit 6:0 ab.

Mann des Tages: Uwe Krupp

Was muss dieser Mann nicht alles ertragen? Da hatte das Turnier mit einer starken Leistung bei der 0:2-Niederlage gegen Schweden noch so hoffnungsvoll angefangen, aber inzwischen ist das deutsche Eishockey wieder das, was es seit langem ist: zum Verzweifeln. Auch für den Bundestrainer. Zunächst hat man das Gefühl, die DEB-Auswahl würde nie mehr ein Tor erzielen, dann trifft Dennis Seidenberg nach 125 Minuten und 39 Sekunden Torlosigkeit endlich ins Netz, aber statt das Spiel in den Griff zu bekommen, macht die Truppe haarsträubende Fehler und gerät 1:3 in Rückstand. Dann zeigt das deutsche Team, auch das kennt man, eine tolle Moral und fightet sich zurück, nur um in der Schlussphase doch noch einen Weg zu finden, um das Spiel zu verlieren. 40 Schüsse feuerte Deutschland auf das Tor von Vitali Koval, die Weißrussen gaben ihrerseits nur lächerliche 17 Schüsse ab. Kurzum: Deutschland hat total dominiert, aber natürlich trotzdem verloren. Krupp macht einen sehr guten Job als DEB-Coach, aber er kann die Dinger eben nicht selber reinhauen und er kann sich auch keine Spieler backen, die das können.

Frau des Tages: Johanna Schnarf

Es war mal wieder interessant zu sehen, wie Fernsehanstalten einfach mal für sich entscheiden, wann ein Wettbewerb vorbei ist. Es waren noch keine 30 Läuferinnen gefahren, da war für das ZDF klar, dass beim Super-G der Frauen Gold, Silber und Bronze an Andrea Fischbacher, Tina Maze und Lindsey Vonn vergeben sind. Die anderen, die noch oben stehen, können ja sowieso nicht Ski fahren. Das ZDF verabschiedete sich also vom Rennen, schließlich hatte man auch Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel einen Namen für einen Biber suchen oder die unglaublich wichtige Experten-Meinung von Jens Weißflog zum Skispringen einholen. Auch die Agenturen hatten das Ergebnis längst in alle Welt verschickt. Was keiner mehr mitbekam: Mit Startnummer 30 fuhr die 25-jährige Südtirolerin Johanna Schnarf ein vor allem im unteren Teil exzellentes Rennen und wurde am Ende Vierte! Auf Vonn fehlten nur läppische elf Hundertstel. Echt schade, dass es nicht ganz gereicht hat.

Sprüche des Tages:

"Man kann nicht glücklich sein, wenn ein Athlet stirbt. Aber davon abgesehen laufen die Spiele nach ein paar Ausrutschern zu Beginn sehr gut." (IOC-Präsident Jacques Rogge über den bisherigen Verlauf der Winterspiele)

"Alternative Parametrisierungen bei korrelierten bivariaten binären Responsevariablen" (Arbeitstitel der Diplomarbeit der promovierten Statistikerin Andrea Schöpp, Skip der deutschen Curling-Damen).

"Bei Olympia muss man riskieren und probieren - sonst gewinnt man nur Himbeeren oder Erdbeeren." (Ski-Rennläuferin Viktoria Rebensburg, die nach völlig verkorkster Fahrt 28. im Super-G wurde)

"Mein Bart ist nicht grau, den habe ich gefärbt, damit ich älter aussehe." (Der tschechische Eishockey-Altstar Jaromir Jagr, der am vergangenen Montag 38 Jahre alt wurde)

"Ronaldo Lemm!" (Ein mal wieder völlig überforderter ZDF-Reporter kommentiert den Siegtreffer des Schweizers Romano Lemm im Spiel gegen Norwegen)

Zahlen des Tages:

1 Assist bekommt die Schweiz für die Silbermedaille von Tobias Angerer in der Doppelverfolgung. Als Angerer zwischendurch mal Probleme mit dem Stock hatte, erhielt er von den Schweizern einen Ersatzstock. Und das, obwohl Angerer ein großer Konkurrent vom Schweizer Star Dario Cologna war. Hut ab!

390 Kilogramm darf das Gewicht eines Zweierbobs mit Besatzung höchstens betragen. Der Schlitten alleine darf höchstens 170kg wiegen. Der Österreicher Wolfgang Stampfer war trotzdem zu fett und wurde nach dem ersten Lauf disqualifiziert.

13 heißt die Kurve, die im Whistling Sliding Centre den Bobpiloten alles abverlangt. Von den Fahrern wird sie nur "Fifty-Fifty" genannt. Im Training gab es 14 Stürze - und im zweiten Lauf der Zweierbob-Konkurrenz brachte die 13 nun ausgerechnet den kanadischen Helden Lyndon Rush um alle Chancen.

3 Tore erzielte Tore Vikingstad bei der 4:5-Niederlage Norwegens nach Verlängerung gegen die Schweiz. Bei aller Star-Power aus der NHL erbrachte Scorpions-Stürmer Vikingstad den Beweis, dass auch die DEL Vancouver rocken kann. Na ja, ein bisschen zumindest.

Vorschau auf Tag 10: Doppel-Gold durch Lena und Andre?