Einmal mit Profis zusammen arbeiten

Von Für SPOX in London: Alexander Mey
LeBron James und seine Teamkollegen hatten in London viel Geduld mit der Presse
© Getty
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Platz 3: Der nette Riese von nebenan

Andrei Kirilenko ist 2,06 Meter groß, ein Hüne eben und - er möge mir das verzeihen - nicht gerade das, was man als Idealtyp eines schönen Menschen bezeichnen würde.

Andrei Kirilenko im Interview: "Das Dream Team ist zu schlagen!"

Entsprechend unsicher ist man, wenn man auf Anraten der russischen Pressesprecherin versucht, Kirilenko nach dem Stress eines Olympia-Basketballspiels in der Mixed Zone zu einem längeren Interview zu bewegen.

Aber welch Überraschung: Kirilenko ist so ein netter Zeitgenosse, dass er sich selbst nach zahllosen TV-Interviews und Spielanalysen mit russischen Medien noch die Zeit nimmt, geduldig auf die Fragen eines deutschen Journalisten zu antworten.

Und das nicht nur einmal. Weil selbst ein immer freundlich lächelnder Kirilenko nach einem Spiel irgendwann unter die Dusche und zur Pressekonferenz muss, reichte die Zeit nicht für ein komplettes Interview. Also das Ganze nach dem Viertelfinale gegen Litauen noch einmal.

Diesmal war ich weit nach Spielende der letzte Journalist, der noch in der Mixed Zone stand. Kirilenko sah total fertig aus und wollte bestimmt einfach nur weg. Aber anstatt mich schlicht zu übersehen, was bei 35 Zentimetern Größenunterschied kein Problem für ihn gewesen wäre, stellte er sich weitere zehn Minuten dahin und redete über Gott und die Welt.

Übrigens kurios: Nach dem letzten Gruppenspiel gegen Australien entschuldigte sich Kirilenko sogar bei uns Journalisten, dass er diesmal keine Interviews geben könne. Er hatte sich einen Cut über dem Auge zugezogen und musste sofort behandelt werden. Da erwartete niemand ernsthaft, dass er stehen bleibt. Leid tat es ihm trotzdem.

Wenn man als Journalist einige Jahre regelmäßig in Mixed Zones versucht hat, seinen Job zu machen, weiß man, dass ein solches Verhalten alles andere als selbstverständlich ist.

Platz 2: Cool und cooler

Julius Brink und Jonas Reckermann sind bei SPOX und auch sonst überall schon ausreichend für ihren Olympiasieg gewürdigt worden.

Mir bleibt aber vor allem das Doppelinterview mit ihnen im Gedächtnis, das ich zu Beginn des Turniers geführt habe. Eigentlich war das ein offzieller PR-Termin, so richtig mit Häppchen und Interviewrunde.

Also eher schlechte Karten für ein Gespräch unter sechs Augen. Aber anstatt nach dem Pflichtprogramm abzuhauen, blieben die beiden geduldig in ihrem Sofa sitzen und ließen sich auf ein Gespräch abseits von Sand, Schmetterbällen und Olympia ein.

Es ist sehr erfrischend, mit Sportlern auch einmal über etwas anderes als ihren Sport reden zu können. Dafür waren Brink und Reckermann prädestiniert.

Dass sie darüber hinaus mit ihrem Spiel auch noch die historische Horse Guards Parade, die mit Abstand beste Location der Olympischen Spiele, gerockt haben, rundet die Geschichte selbstverständlich ab.

Platz 1: Einmal mit Profis zusammen arbeiten

Den Höhepunkt meiner Erlebnisse bildet das Dream Team. Was aber rein gar nichts mit seiner Spielkunst zu tun hat. Die habe ich auch genossen, aber nicht so wie die Professionalität, mit der im US-Team Medienarbeit funktioniert.

Die größten und wahrscheinlich am besten bezahltesten Stars der Olympischen Spiele haben sich vor jedem - ich wiederhole: vor jedem - Training fast eine halbe Stunde Zeit genommen, um den Medien aller Welt Rede und Antwort zu stehen.

Eine schriftliche Anmeldung beim PR-Team genügte, dann bekam man Einlass in die Trainingshalle gewährt. Dort saßen sie dann: Kobe Bryant, LeBron James, Kevin Durant - wie sie alle hießen - und warteten geduldig, welche Kamera, welches Mikrofon, welches Diktiergerät ihnen mit welcher Frage entgegen gestreckt wurde.

Sie haben sie alle beantwortet, nicht immer mit Begeisterung, aber immer professionell. Sie wissen eben, dass ihr Job nicht nur daraus besteht, Bälle in Körbe zu werfen, sondern auch Aushängeschilder ihres Sports zu sein.

Eine solche Verinnerlichung dieser Rolle würde man sich im deutschen, wahrscheinlich sogar im kompletten europäischen Sport wünschen. Dort sind die professionellen Strukturen der PR- und Medienarbeit, die in den USA meiner Meinung nach vorbildlich sind, noch nicht angekommen.

Ach ja, einen heimlichen sechsten Punkt hätte ich da zum Schluss auch noch: Die Brownies im Pressezentrum - überragend! Die haben mich in so mancher langer Arbeitsnacht am Leben gehalten...

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