Volle Kontrolle für ein paar Tage

SID
Über 1.000 Mitarbeiter werden in London mehr als 5.000 Doping-Tests durchführen
© Getty

Die Botschaft, die der britische Sportminister Hugh Robertson vor den Olympischen Spielen in London an die Welt sendet, zeugt von Wunschdenken: "Wir kriegen dich, wenn du betrügen willst!", lautet sein Motto im Kampf gegen Doping. Andererseits haben die Engländer ein Labor auf die Füße gestellt, welches für Dopingsünder mehr als je zuvor eine Bedrohung darstellt.

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Über 1.000 Mitarbeiter, davon rund 150 Dopingexperten werden insgesamt mehr als 5.000 Doping-Tests durchführen - so viele wie noch nie zuvor bei Olympischen Spielen. London setzt neue Maßstäbe im Kampf gegen Doping.

"Es ist ein gewaltiges Wettkampfkontrollsystem aufgebaut worden mit einem hohen Probenaufkommen. Dieses Dopinglabor hat die weltweit besten Analysemöglichkeiten", sagt der Kölner Dopingexperte Wilhelm Schänzer. "Im Vergleich zu 2008 fand, sowohl was das Analyseverfahren als auch die personellen und finanziellen Ressourcen betrifft, eine Steigerung statt."

Dennoch: Saubere Spiele wird es auch in London wohl nicht geben. Nur die Dummen würden erwischt - und jene, die sich die Medikamente und die professionelle Betreuung nicht leisten könnten, hatte jüngst die deutsche Fechterin Imke Duplitzer behauptet.

Und auch Experte Schänzer sagt: "Natürlich ist es weniger wahrscheinlich, dass jemand mit Geld und einem Experten im Rücken positiv getestet wird, als jemand, der dies nicht hat. Und gerade für die Olympischen Spiele gilt: Wer sich hier erwischen lässt, der war wirklich schlecht aufgestellt."

"Die Substanzen sind nur schwer nachzuweisen"

Mehr als 300 Tests hat das Londoner Dopinglabor bereits vor Beginn der Spiele gemacht - alle waren sie negativ. Bei den Olympischen Spielen vor vier Jahren in Peking waren gerade einmal zehn Athleten positiv getestet worden. Soll heißen: Ein wirklicher Gradmesser für die tatsächliche Verwendung illegaler leistungssteigernder Mittel dürften die Ergebnisse kaum sein.

"Der Trend ist, dass die Athleten Substanzen zu sich nehmen, die der menschliche Organismus selbst herstellt. Diese Substanzen sind nur schwer nachzuweisen", erklärt Schänzer. "Und wenn der Athlet das 'richtige' Umfeld hat, das ihn berät und unterstützt, wird es schwer für die Kontrolleure."

Die Hoffnungen ruhen dabei vor allem auf den sogenannten Nachkontrollen. Schon in Peking wurden in nachträglichen Test sechs weitere Athleten positiv getestet. Zudem besitzen die Nachkontrollen ein großes Abschreckungspotenzial. "So können sich auch Sportler, die denken, den Kontrolleuren einen Schritt voraus zu sein, nicht mehr sicher sein. Schließlich können die Proben bis zu acht Jahre gelagert und auf Substanzen untersucht werden", sagt Schänzer.

Dopingexperte Schänzer fordert Harmonisierung der Kontrollen

Das eigentliche Problem im Kampf gegen Doping besteht jedoch darin, dass die Olympischen Spiele in Sachen Doping-Kontrolle die große Ausnahme darstellen. Bei dem Mega-Event wird viel Geld für die Verfolgung von Doping-Sündern in die Hand genommen, dazwischen sieht es aber anders aus.

"Bei Olympia sind nahezu perfekte Bedingungen geschaffen worden Das trifft bei Weitem nicht auf die Zeit zwischen einem solchen Großereignis zu", sagt Schänzer. "Es muss im Anti-Doping-Kampf eine Harmonisierung der Kontrollen geschaffen werden; vergleichbare Bedingungen sind notwendig - nicht nur, was das konkrete Analyseverfahren betrifft, sondern auch die Quantität der Proben."

Für eine internationale Angleichung der Dopingkontrollen allerdings differiert zum einen die finanzielle Ausstattung, zum anderen die Überzeugung, für einen sauberen Sport einzutreten, in den Ländern zu stark.

Selbst Deutschland, das eine Vorreiterrolle im Anti-Doping-Kampf einnimmt, hat große Probleme, in diesem Bereich genügend Geld bereitzustellen. Die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA) bettelt schon seit Langem um mehr Gelder von Bund und Wirtschaft. Die Finanzierungsprobleme müssten unbedingt gelöst werden, sagt Schänzer, "weil die Herausforderungen im Anti-Doping-Kampf nicht weniger, sondern mehr werden".

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