Urschrei über Henman Hill

Von Philipp Joubert
Public Viewing auf Henman Hill: Auf der großen Leinwand ist übrigens Andy Murray zu sehen
© Getty
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R wie Robson, Laura: Ist im Gegensatz zu Andy Murray, der auf Grund seines speziellen Humors und der derben Flüche auf dem Platz einen nicht immer einfachen Stand beim Publikum hat, schon jetzt der Liebling der Nation. Letztes Jahr gewann sie im Alter von 14 Jahren im ersten Anlauf die Juniorinnenkonkurrenz, gab dabei überaus charmante Interviews und schwärmte öffentlich für Marat Safin. Ihr Finale wurde sogar live in der "BBC" übertragen. Zur Belohnung gibt es dieses Jahr eine Wild Card für das Hauptfeld der Damen, und wenn sie dort auch noch ihr erstes Match gewinnen sollte, wird das Land vom ersten Wimbledonsieg seit Jahrzehnten träumen.

S wie Scharapowa, Maria: Ist nach neun Monaten Verletzungspause zurück. Seit ihrem Sieg im Finale 2004 gegen Serena Williams lief es für die inzwischen 22-Jährige auf Rasen nicht mehr rund. In den letzten beiden Jahren kam sie nicht mal mehr über die vierte Runde hinaus. Auch bei ihrem Comeback auf der großen Bühne letzten Monat bei den French Open schleppte sie sich eher ins Viertelfinale, als dass sie spielerisch überzeugt hätte. Trotzdem muss man ob ihres Willens und des großartigen Aufschlags mit der Russin rechnen. Und wenn es nicht reichen sollte, kann die britische Presse wenigstens ihr Kleid ausführlich diskutieren (siehe K wie Kleidung).

T wie Twitter: Ist natürlich auch bei vielen Tennisprofis beliebt. Von den absoluten Stars der Szene wie Andy Roddick (twitter.com/andyroddick), der sich oft amüsante Wortgefechte mit Andy Murray (twitter.com/andy_murray) liefert, zur deutschen Nachwuchshoffnung Sabine Lisicki (twitter.com/sabinelisicki) kann man allerhand Bedeutendes und Banales erfahren. Am extravagantesten ist auch hier Serena Williams (twitter.com/serenajwilliams), die schon mal stundenlang mit anderen Usern über ihre neuesten Modekollektionen diskutiert.

Ü wie Überraschungen: So etwas wie der Finaleinzug von Robin Söderling bei den French Open kommt in Wimbledon selten vor, da die etablierten Spieler oft dominant auf Rasen sind. Die größte Sensation des Jahrzehnts war vermutlich der Sieg des äußerst talentierten, aber sehr unkonstanten 19-jährigen Roger Federer über den vierfachen Titelverteidiger Pete Sampras im Achtelfinale 2001. Zwar konnte Federer das Turnier damals nicht gewinnen und schied im darauf folgenden Jahr in der ersten Runde gegen Mario Ancic aus. Was er aber seither vollbrachte, weiß jeder. Sollte er dieses Jahr gewinnen würde Federer Pete Sampras' Rekord von 14 Grand Slam Einzeltiteln übertreffen.

V wie Verlierer: Gibt es einige in der Geschichte von Wimbledon. Während es zu Zeiten von Boris Becker und Stefan Edberg vor allem Ivan Lendl war, der sich Jahr um Jahr erfolglos am Trauma Wimbledon abarbeitete, kamen in den letzten Jahren zwei weitere Enttäuschte hinzu. Der bei seinen Landsleuten äußerst beliebte Tim Henman, dessen Spiel perfekt für das schnellere Gras der Jahrtausendwende war, scheiterte wiederholt im Halbfinale. Bei seinen vier Niederlagen war er meist nicht der schlechtere Spieler, aber der mit den schlechteren Nerven. Obwohl Justine Henin im Gegensatz dazu zweimal das Finale erreichte, ist der fehlende Wimbledon-Sieg der einzige Makel in ihrer ansonsten perfekten Karriere. Trotz ihrer überragenden Volleys hatte sie dem druckvollen Spiel der Williams-Schwestern einfach nichts entgegenzusetzen.

W wie Williams-Schwestern: Haben das Turnier im letzten Jahrzehnt so sehr geprägt wie sonst niemand. Nur 2004 und 2006 mussten die berühmtesten Sportschwestern der Welt der jungen Maria Scharapowa und der großen Ästhetin Amelie Mauresmo den Vortritt lassen. Venus gewann das Turnier fünfmal, Serena zweimal, beide Male übrigens im Finale gegen ihre ältere Schwester. Während Serena ihre Kraft, Präzision und Schnelligkeit perfekt auf dem Rasen einsetzen kann, sind es bei Venus ihr starker Aufschlag und die Leichtfüßigkeit - nicht unähnlich der von Roger Federer - die sie so dominant machen. Wie oft in den letzten Jahren kommen beide nach einer eher enttäuschenden Sandplatzsaison nach London, aber das hat sie noch nie davon abgehalten, den zwei Wochen ihren Stempel aufzudrücken.

X, Y und Zum Schluss: Wimbledon wird überschätzt. Trotzdem ist es das wichtigste und aufregendste Tennisturnier der Welt. Hier werden die größten Champions des Tennissports gekrönt, nirgendwo kommt die lange Geschichte der Zukunft so nahe. Wer dieses Jahr gewinnen wird? Wie der Brite sagt: “The smart money is on Roger Federer and Venus Williams.“ Aber vielleicht ist es ja auch mal wieder Zeit für eine Überraschung, jemanden wie den jungen Roger Federer, der die Tennisordnung wirft, kurz nachdem sie wieder in Ordnung gebracht zu sein schien.

Wimbledon von A bis H

Wimbledon von I bis Q