Urschrei über Henman Hill

Von Philipp Joubert
Public Viewing auf Henman Hill: Auf der großen Leinwand ist übrigens Andy Murray zu sehen
© Getty
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I wie Im Damentennis: Herrscht das große Chaos. Seit Justine Henin im letzten Jahr an der Weltranglistenspitze stehend überraschend ihre Karriere beendete, konnte keine Dame an ihre Dominanz anknüpfen. Zwar gewannen die Williams Schwestern drei der letzten vier Grand Slams, darüber hinaus fehlt ihnen aber die Konstanz. Schon sechsmal hat die Spitzenposition seit Henins Abschied gewechselt und keiner der Spielerinnen hat sie Glück gebracht. Weder Maria Scharapowa noch Ana Ivanovic, Jelena Jankovic oder Dinara Safina konnten als Topgesetzte ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Vor allem Marat Safins kleine Schwester wird nach der schwachen Finalvorstellung bei den French Open hoffen, endlich alle Kritiker Lügen zu strafen und ihre Position als Nummer Eins mit einem ersten Grand Slam Sieg zu bestätigen.

J wie Jahrhundertfinale: War der epische Kampf im letzten Jahr zwischen Roger Federer und Rafael Nadal. Vom spielerischen Niveau kam das Match nicht immer an das ebenso legendäre Finale von 1980 ran, als Björn Borg ein letztes Mal den jungen John McEnroe schlagen konnte. Aber die Spannung und innere Dynamik, die sich in den letzen Jahren in der Rivalität zwischen Nadal und Federer aufgebaut hatte und sich in dieser Partie entlud, ist fast einzigartig im modernen Sport. Als Nadal Federer nach fast fünf Stunden in der Abenddämmerung von London niedergerungen hatte, schien der Generationenwechsel eingeleitet. Wie man aber bei den French Open sehen konnte, ist Federers fast schwereloses Spiel immer noch das Maß aller Dinge. In London wird er jetzt wohl auch kaum zu schlagen sein, denn Nadal musste wegen anhaltender Knieprobleme absagen.

K wie Kleidung: Ist von enormer Wichtigkeit. Während man im Publikum mittlerweile einen bunten Mix aus Alltagskleidung sieht, wird von den Spielern immer noch erwartet, auf dem Platz nur weiß zu tragen. Pink leuchtende Hemden wie das von Rafael Nadal bei den French Open sind da unmöglich, was aber nicht heißt, dass die Spieler und ihre Ausrüster unkreativ sind. Maria Scharapowa und Serena Williams tragen jedes Jahr noch spektakulärere Kleider und Mäntel zur Schau. Roger Federer erschien die letzten Jahre im stilvollen Cardigan, der bei vielen Beobachtern zwar für ein Schmunzeln sorgte, aber die Traditionalisten begeisterte.

L wie Lawn Tennis Association (LTA): Ist der britische Tennisverband und einer der reichsten Landesverbände der Welt. Jedes Jahr rechtzeitig zu Wimbledon kommen die Offiziellen aber mächtig unter Beschuss, weil sie außer Tim Henman und Andy Murray einfach keine Spitzenspieler hervorbringen. Immerhin konnte sich diesmal neben Murray auch noch die durchaus talentierte Londonerin Anne Keothavong für das Hauptfeld qualifizieren. Die übrigen neun Briten - nur mit einer Wild Card ins Feld gekommen (siehe R wie Robson, Laura) - werden froh sein, wenn sie ein oder zwei Runden überstehen.

M wie Mount Murray: Liegt in Sichtweite des Centre Courts. Früher als Henman Hill bekannt, gibt er denjenigen, die keine Tickets für den Centre Court bekommen haben, die Chance, auf einer großen Leinwand das Geschehen zu verfolgen. Vor allem in den Abendstunden sammeln sich hier Tausende. Spätestens als Andy Murray letztes Jahr im Achtelfinale einen Zweisatz-Rückstand gegen Richard Gasquet umbiegen konnte, war die Umbenennung in Mount Murray perfekt.

N wie Nummer eins: Könnte nach Wimbledon wieder Roger Federer werden. Was nach den Australian Open kaum möglich schien, als Rafael Nadal Federer endgültig vom Thron gestoßen zu haben schien, liegt jetzt wieder in greifbarer Nähe. Sollte Federer ein sechstes Mal innerhalb von sieben Jahren Wimbledon gewinnen, würde er trotz eines für seine Ansprüche nur durchschnittlichen Jahres schon während des Sommers wieder an die Spitze der Weltrangliste zurückkehren. Auch Andy Murray könnte nicht nur der erste Brite seit über 70 Jahren werden, der sein Heimturnier gewinnt, sondern ebenfalls noch in diesem Sommer die Nummer Eins übernehmen.

O wie Oberschichtensport: So nehmen immer noch viele Briten Tennis wahr. Und es stimmt, dass ein Teil des Publikums Wimbledon vor allem als gesellschaftliches Ereignis und weniger als sportlichen Wettkampf sieht. Aber viele von ihnen genießen ebenso wie zehntausende Sportenthusiasten aus der ganzen Welt vor allem das dargebotene Tennis. Die Organisatoren sind um Diversität bemüht und verkaufen am Tag selber nicht nur einige Tickets für die großen Courts (siehe A wie Anstehen), sondern vor allem 6000 so genannte Ground Passes, die den Zugang zu allen Außencourts erlauben. Bei Ticketpreisen von 25 bis 60 Pfund in der ersten Woche müssen die Zuschauer dabei weniger bezahlen als für die meisten durchschnittlichen Premier-League-Spiele.

P wie Pimm's: Heißt der heimliche Star eines jeden Tennisturniers in Großbritannien. Obwohl es vor allem die Erdbeeren sind, die gemeinhin mit Wimbledon in Verbindung gebracht werden, erfreut sich dieser Gin-haltige Cocktail äußerster Beliebtheit. Von vielen normalen, Bier trinkenden Tennisfans mit Skepsis betrachtet, erlaubt er den betuchteren Zuschauern ein stilvolles Trinkgelage zur Mittagszeit.

Q wie Qualifikation: Ist wie so vieles andere in Wimbledon etwas ganz Besonderes. Normalerweise wird die Qualifikation auf denselben Plätzen gespielt, auf welchen der Hauptwettbewerb ausgetragen wird. Sie gibt zwölf weiteren Spielern, die nicht ganz zur absoluten Weltspitze gehören, die Möglichkeit sich trotzdem zu qualifizieren. Da der Rasen in Wimbledon aber keine zusätzlichen Matches verträgt, wird das Qualifikationsturnier in der Woche vorher auf der großartigen Anlage der Universität von Roehampton vor vielen Tennisenthusiasten gespielt. Im Gegensatz zu den anderen Grand Slams wird hier auch eine Qualifikation für den Doppelbewerb ausgespielt, so dass selbst Stars manchmal vorbei schauen, um sich noch im letzten Moment für das Doppelhauptfeld zu qualifizieren.

Wimbledon von R bis Z

Wimbledon von A bis H