FC Bayern hofft auf "Geniestreich"

Von Für SPOX im Audi-Dome: Haruka Gruber
Enttäuschte Bayern-Edelfans: Bastian Schweinsteiger (M.) und Felix Neureuther (r.)
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Die Ziele sind groß, die Realität lautet aber: Mittelmaß. Aufsteiger FC Bayern hat sich noch immer nicht als Team gefunden. Die 79:85-Niederlage im BBL-Topspiel gegen Alba Berlin war eine Konsequenz dessen. Der vermeintliche Bad Boy Jared Homan soll die Wende zum Guten bringen.

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Dem Rückschlag folgte ein Geständnis. "Ich bin auch schon über eine Rote Ampel gefahren und habe den Führerschein verloren", sagte Dirk Bauermann - mit dem entscheidenden Zusatz: "Dennoch fahre ich verantwortlich."

Die Offenbarung hatte einen einzigen Zweck: Verständnis für jenen Basketballer zu schaffen, der erst am Freitag vom FC Bayern verpflichtet wurde und nach dem 79:85 gegen Alba Berlin die Rolle des Retters zukommt.

Jared Homan heißt er. Ein 28-jähriger Center mit "blütenweißer Vita", wie es Bauermann ausdrückt. Und sein Vergehen solle man nicht zu hoch bewerten, es sei "eine Eselei" gewesen: "Schwamm drüber. Jeder verdient eine Chance, genau wie ich und jeder andere auch."

Ob es eine Eselei der verzeihlichen Art war, vermag wohl Homans ehemaliger Trainer besser zu beantworten. Bei seinem vorherigen Klub Virtus Bologna wurde der Amerikaner trotz guter Leistungen (15,3 Punkte, 10,0 Rebounds) Anfang November gefeuert, weil er während einer Einheit Coach Alex Finelli mit einem Schlag niedergestreckt hatte, so dass dieser blutend weggebracht werden musste.

Zwei große Schwächen

Vorausgegangen sei laut Homan eine von Finelli provozierte Rangelei, so Bauermann. Seit jener Episode gilt Homan als "Damaged Good", als eine beschädigte Ware, deren Besitz mit einem gewissen Risiko einhergeht.

Dennoch entschloss sich der FC Bayern zum Wechsel - im sicheren Wissen der eigenen Unzulänglichkeiten. Mit einer Bilanz von 6-4 liegen die Münchner nur im Mittelfeld der BBL. Zwar auf Playoff-Kurs, aber mit respektvollem Rückstand auf die Spitzenteams wie den Überraschungsersten Ulm (8-2), Meister Bamberg (7-1) und Berlin (7-2). Im Eurocup stehen vor dem dritten Gruppenspiel in St. Petersburg am Dienstag je ein Sieg und eine Niederlage zu Buche.

"Ich sehe uns nicht als Mittelfeld-Team. Die Tabelle zeigt etwas anderes, dennoch sehe ich uns ganz weit vorne", sagt Demond Greene.

Doch die Defizite wurden spätestens gegen Alba offensichtlich, welche sich auf zwei Kernpunkte reduzieren lassen: Die fehlende Abstimmung und der fehlende Backup-Center für Chevon Troutman.

Troutman ohne Punkt im letzten Viertel

So herausragend der nur aus der Not geholte Troutman auch spielt - auf Dauer wäre er überfordert gewesen ob der Ermangelung an Alternativen. Gegen Alba punktete er phasenweise nach Belieben (14 Zähler, 6/8). Als sich die Berliner spät, aber nicht zu spät darauf einstellten, ging den Bayern ein Plan B ab.

Zuvor hatte Troutman, mit 2,02 Metern nach Lehrbuch zu klein für die Center-Position, dank seiner Athletik und Antrittsschnelligkeit den Berliner Bilderbuch-Fünfern Torin Francis (2,10 Meter) und Yassin Idbihi (2,08 Meter) zugesetzt.

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Im letzten Viertel blieb er hingegen punkt- und wirkungslos, weil er sich plötzlich einem physiognomisch ähnlichen Verteidiger gegenübersah: Albas Power Forward Derrick Allen (2,04 Meter).

Bezeichnend: Bei Steffen Hamanns fatalem Turnover 5 Sekunden vor dem Schluss hätte der Bodenpass bei Troutman ankommen sollen, doch Allen ging dazwischen und fälschte den Ball zu Heiko Schaffartzik ab, der gefoult wurde und von der Freiwurflinie den Berliner Erfolg besiegelte.

"Es macht keinen Spaß, gegen Homan zu spielen"

Homan erwies sich in den wichtigen Momenten nur begrenzt als eine Hilfe. Nach eineinhalb Trainingseinheiten mit den Mitspielern gab es keine Bindung, weswegen seine 11 Einsatz-Minuten von zwei krachenden Dunks abgesehen nur von geringer Bedeutung waren.

"Mehr konnte man nicht erwarten", sagt Bauermann. Zukünftig aber ist Homan als Zentralgestirn des Bayern-Basketballs angedacht: "Er kann der Anker der Verteidigung sein, die Mitte zu machen und das Brett kontrollieren."

Eine Szene wie diese, als sich Berlin 15 Sekunden vor dem Ende 3 Offensiv-Rebounds in Folge abgriff, dürfte sich nicht mehr wiederholen. Troutman erwartet Großes: "Ich bin in Italien häufig auf ihn getroffen. Und ich kann sagen: Es macht keinen Spaß, gegen ihn zu spielen. Er ist groß, er ist kräftig und er weiß, wie Basketball gespielt wird."

Fehleranfällig in den Schlussminuten

Doch so viel sich die Bayern von Homan versprechen, geht sein Wechsel mit dem nächsten Neubeginn einher. Neuer Mitspieler, neue Systeme, neue Rotation, neue Rollen für Troutman, Jan Jagla und Aleksandar Nadjfeji: "Wir müssen wieder von vorne anfangen und einen Rhythmus finden", sagt Greene.

Das Fehlen von Routinen erwies sich vor allem als folgenschwer in der Crunchtime, wenn die Intensität und damit auch die Fehleranfälligkeit am höchsten sind. Gegen Braunschweig und Frankfurt wurde dies noch übertüncht, die Partien in Bonn und Artland sowie gegen Berlin verlor der FCB hingegen aufgrund vieler Unzulänglichkeiten in den Schlussminuten.

Das ebenfalls grundsanierte Alba ging mit einer ähnlichen Ausgangslage in die neue Saison, doch anders als in München gab es nach der holprigen Vorbereitung und der verpassten Euroleague-Qualifikation keine Veränderungen mehr im Kader.

Homan ein großer Transfercoup?

Bei den Bayern gingen Sharrod Ford (private Gründe) und Ruben Boumtje-Boumtje (Invalidität), außerdem wurde Ex-College-Star Ben Hansbrough aus der Rotation verbannt. Nach der Leistenverletzung von Jon Wallace durfte Hansbrough gegen Berlin sogar für 11 Minuten auf den Court - und zeigte sich leicht verbessert (0-3 Würfe), aber noch lange nicht in der Form aus der NCAA. Greene: "Wir brauchen mehr Zeit als alle anderen Vereine."

Die Zeit der Unruhe soll mit dem Homan-Wechsel und der wahrscheinlichen Einigung im NBA-Arbeitsstreit ein Ende haben. Gerüchte über ein Mitbieten der Bayern um einen NBA-Spieler wurden bis in die Kabine getragen. "Es tut allen Spielern gut, dass die Kuh vom Eis ist", sagt Bauermann erfreut über das Timing.

Denn Homan unterschrieb nur wenige Stunden, bevor aus den USA die Kunde über die erfolgreichen Lockout-Verhandlungen verbreitet wurde.

Bauermann: "Viele Mannschaften in Europa suchen jetzt vor allem große Spieler, die nicht in die NBA zurück müssen. Im Nachhinein wirkt unsere Verpflichtung von Homan fast wie ein Geniestreich."

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