Ein Thriller a la Hitchcock

Kim Ekdahl Du Rietz (Mitte) strebt mit den Löwen nach dem Titel
© getty

Der Titelkampf in der Bundesliga spitzt sich immer weiter zu. Nur das bessere Torverhältnis beschert dem THW Kiel drei Spieltage vor Schluss die Tabellenführung vor den Rhein-Neckar Löwen. Am Ende könnte es sogar ein Finale mit Hin- und Rückspiel geben. Bei SPOX schiebt THW-Geschäftsführer Klaus Elwardt den Löwen die Favoritenrolle zu.

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Gegen Ende einer Saison machte sich in den vergangenen Jahren in der HBL oft Langeweile breit. In den meisten Fällen zog Kiel an der Spitze einsam seine Kreise, einmal war Hamburg recht deutlich vorne. In dieser Spielzeit ist alles anders, es bahnt sich ein Thriller a la Hitchcock an.

Drei Spieltage vor Schluss haben der THW und die Rhein-Neckar Löwen jeweils 53:9 Punkte. Der Titelverteidiger ist lediglich aufgrund des um sieben Treffer besseren Torverhältnisses (1009:809) vor den Löwen (1003:810) Tabellenführer.

Spannung tut dem deutschen Handball gut

"Dass eine Meisterschaft so spannend ist, ist für den deutschen Handball sehr, sehr gut", sagte Klaus Elwardt im Gespräch mit SPOX. Dem THW-Geschäftsführer ist es dabei nicht so wichtig, dass ihm als Beteiligten der ganze Krimi besonders an die Nerven geht: "Das ist das, was der Handball-Zuschauer sehen will. Das passt schon."

Nun beginnt die ganz heiße Phase, unglaublich eng geht es allerdings schon eine Weile zu - mit Höhen und Tiefen auf beiden Seiten. So räumte so mancher Experte beispielsweise vor dem 29. Spieltag dem THW nur noch geringe Chancen ein. Die Löwen würden ihre restlichen Spiele gewinnen und seien aufgrund des zu diesem Zeitpunkt um 23 Treffer besseren Torverhältnisses nur noch schwer zu stoppen. "Man hatte uns abgeschrieben", erinnert sich Elwardt.

Schmid: "Es klingt scheiße"

Es folgte ein Sturmlauf der Zebras. Der TSV Hannover-Burgdorf wurde mit 37:20 aus der Sparkassen-Arena geschossen, der TBV Lemgo am Sonntag im Gerry Weber Stadion in Halle/Westfalen mit 46:24 zerlegt. Das Team von Trainer Alfred Gislason machte im direkten Vergleich zu den Löwen in nur zwei Partien 30 Tore gut.

Der Auftritt des TBV kann allerdings nur als erbärmlich bezeichnet werden, weshalb die Löwen äußerst sauer auf die Lipperstädter waren. "Es macht nie Sinn, links oder rechts auf Dinge zu blicken, die wir nicht selbst beeinflussen können. Weder auf die erwartet gute Leistung des THW Kiel noch auf einen TBV Lemgo, der sich fast kampflos abschlachten lässt", meinte Manager Thorsten Storm in der "Rhein-Neckar-Zeitung".

Und Spielmacher Andy Schmid ergänzte bei "Sport1": "Es war ein bisschen schockierend. Ein Sieg mit 22 Toren Unterschied - so hoch habe ich noch nie gewonnen, höchstens einmal bei den C-Junioren. Es klingt scheiße, aber wir müssen auf uns schauen."

Restprogramm spricht für Löwen

Kurz zuvor hätten sich die Löwen fast selbst aus dem Rennen gekegelt. Der Klub aus Mannheim führte Sekunden vor dem Ende gegen Hamburg mit 32:31, schloss dann aber völlig unnötig im Angriff zu früh ab und kassierte noch ein Tor durch Matthias Flohr. Die Schiedsrichter gaben den Treffer allerdings nicht, weil der Ball offenbar erst nach Ablauf der 60 Minuten über die Linie flog.

Trotz des Sieges für die Löwen übernahm Kiel die Spitzenposition. "Wir waren länger Zweiter, jetzt sind wir Erster. Das bedeutet aber nichts, es ist alles offen", erklärt Elwardt. Zumal das Restprogramm eher für die Löwen spricht.

Die Truppe von Coach Gudmundur Gudmundsson muss noch in Eisenach, gegen Melsungen und in Gummersbach ran. Kiel bekommt es in eigener Halle mit Flensburg (So., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) und Berlin zu tun. Dazwischen steht das Auswärtsspiel in Lübbecke auf dem Programm. Zumindest gegen Flensburg muss der THW auch noch seinen Superstar Filip Jicha ersetzen, der sich einen Teilanriss des vorderen Außenbandes im Sprunggelenk zugezogen hat. Sind die Löwen aufgrund des Restprogramms sogar der Favorit? "Ja", beantwortet Elwardt diese Frage kurz und knapp.

Finale mit Hin- und Rückspiel?

Für beide Klubs gilt ungeachtet dessen: Drei Siege reichen womöglich nicht zum Titel. Man muss zudem Tore werfen, was das Zeug hält - und möglichst wenig Treffer zulassen. Erstmals könnte es sogar zu einem Finale nach der regulären Saison kommen. Haben beide Teams am Ende die gleiche Tordifferenz, werden zwei Entscheidungsspiele ausgetragen. So steht es unter Paragraf 44 in der Spielordnung.

Elwardt nimmt die etwas ungewohnte Situation recht gelassen. "Wenn es nicht reicht, dann reicht es eben nicht. Dann haben wir irgendwo anders im Laufe der Saison zu viele Punkte liegen lassen. Die Löwen haben mehr zu verlieren, wir stehen nicht unter Druck", so der 58-Jährige. Die Saison sei schon jetzt ein Erfolg für den THW, schließlich habe man langjährige Führungsspieler wie Thierry Omeyer, Marcus Ahlm, Daniel Narcisse oder Momir Ilic im vergangenen Sommer ersetzen müssen.

"Wir sind sehr zufrieden mit der bisherigen Saison. Wir haben einen Umbruch eingeleitet und vollzogen. Unser Saisonziel war es, um die Meisterschaft mitzuspielen. Das ist uns gelungen. In der Champions League wollten wir mindestens ins Viertelfinale, jetzt sind wir sogar im Final Four dabei. Alles, was jetzt kommt, ist ein Bonus", stellte Elwardt klar.

Allerdings fügte der Geschäftsführer schnell hinzu: "Es wäre nicht typisch für den THW Kiel, wenn wir jetzt nicht das Ziel hätten, Meister werden zu wollen. Wir werden nichts abschenken." Das hätte auch niemand vermutet. Das Wort abschenken kommt in Gislasons Wortschatz schließlich nicht vor. Der extrem ehrgeizige Isländer würde wohl zum fauchenden Geysir werden, sollte es nicht zur Meisterschaft reichen.

Löwen-Erfolg "keine große Überraschung"

Trotzdem könnte es gut sein, dass zum sechsten Mal in den vergangenen 21 Jahren der Meister nicht Kiel heißt. Und dann hätten es sich die Löwen, die bisher nur drei Niederlagen in 31 HBL-Partien kassierten, mehr als verdient.

Das sieht Elwardt ähnlich: "Die Löwen haben eine tolle Mannschaft. Einen breiten Kader, sehr gute Torhüter. Es ist für mich keine große Überraschung, dass sie so weit vorne stehen."

Und es wäre mittlerweile auch keine große Überraschung mehr, wenn die Löwen am Ende ganz vorne stehen würden.

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