Omeyer-Show! Kiel demontiert die Löwen

Von Florian Regelmann
Thierry Omeyer brachte die Löwen mit seinen Paraden zur Verzweiflung
© Getty

Der THW Kiel (27:1) gewinnt den Kracher bei den Rhein-Neckar Löwen (26:2) mit sage und schreibe 28:17 (14:7) und übernimmt dadurch die Tabellenführung. Vor 13.200 Zuschauern in der ausverkauften SAP-Arena war Kiels Keeper Thierry Omeyer der alles überragende Mann auf dem Feld.

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Filip Jicha war mit 9 Toren bester Werfer beim THW, Christian Zeitz und Gudjon Valur Sigurdsson steuerten jeweils 5 Tore zum Sieg bei, Daniel Narcisse kam auf 4 Tore.

Für die Löwen, die ohne den verletzten Uwe Gensheimer eine katastrophale Vorstellung ablieferten, trafen bei der ersten Saisonniederlage noch Zarko Sesum (5), Andy Schmid (3) und Bjarte Myrhol (3) am besten.

In den weiteren Spielen des Abends gewann die SG Flensburg-Handewitt gegen Neuhausen locker mit 37:26, Holger Glandorf erzielte 11 Tore. Frisch Auf Göppingen setzte sich mit 28:27 beim TV Großwallstadt durch.

Die Reaktionen:

Oliver Roggisch (Rhein-Neckar Löwen): "Riesenkompliment an Kiel. Der THW hat eine überragende Deckung gespielt, mit einem wahnsinnigen Torhüter hinten drin. Sie haben fast ohne Fehler gespielt und wir waren nicht bereit für dieses Spiel. Gerade die erste Halbzeit war eine Katastrophe. Wir hatten keine Chance, das muss man ehrlich sagen."

Thierry Omeyer (THW Kiel): "Es war ein gutes Spiel für mich, aber es war vor allem ein super Spiel der gesamten Mannschaft. Wir haben in der Abwehr überragend gearbeitet, mit viel Bewegung, jeder hat super gespielt. Es war kein Endspiel, aber es war natürlich ein ganz wichtiges Spiel für uns."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Ein Blick auf die Lineups beider Teams. Bei den Löwen sticht natürlich das Fehlen von Kapitän und Weltklasse-Linksaußen Uwe Gensheimer (Achillessehnenriss) heraus. Bitterer kann ein Ausfall gar nicht sein. Sein Vertreter ist der erst 19-jährige Kevin Bitz, und der ist nicht mal ein gelernter Linksaußen. Dazu beginnen die Löwen im Angriff mit Ekdahl Du Rietz, Schmid und Petersson im Rückraum, Groetzki auf Rechtsaußen und Myrhol am Kreis. Abwehrchef Roggisch wechselt mit Schmid. Im Tor steht zunächst Landin, nicht Stojanovic.

Der THW beginnt mit Omeyer im Tor, Sigurdsson und Sprenger auf Außen, Jicha, Narcisse und Zeitz im Rückraum und Ahlm am Kreis.

7.: Geht schon unfassbar los: Es dauert fast sieben Minuten bis zum ersten Tor! Dann reicht es Zeitz, der Lefty ballert das Ding in typischer Manier rein. 1:0 Kiel. Omeyer und Landin schon mit einigen Paraden, der Däne hat unter anderem einen Siebenmeter von Vujin gehalten.

10.: Wie viele Chancen brauchen die Löwen denn bitte noch?! Groetzki scheitert im Tempogegenstoß, dann bekommen die Löwen aber sofort die nächste Breakchance und ausgerechnet Youngster Bitz bricht den Bann! 2:1 Kiel.

18.: Kiel spielt zwar in einigen Aktionen auch etwas konfus, aber der THW ist hier trotzdem die klar überlegene Mannschaft. Zeitz dreht auf und wirft sein drittes Tor in Folge, ganz stark durchgetankt. Die Löwen finden offensiv weiter gar nicht statt. 8:3 Kiel. Auszeit Löwen. Ganz komisches Spitzenspiel.

26.: Das war mal ein richtig schöner Spielzug der Kieler. Sigurdsson läuft ein, spielt den perfekten Pass zu Ahlm an den Kreis, drin. Dann noch ein Turnover der Löwen, Sigurdsson im Gegenzug zum 11:4 für den THW. Absoluter Wahnsinn, wie schlecht die Löwen spielen. Nächste Auszeit von Gudmundsson.

30.: Kurz vor der Halbzeit sendet die Löwen-Offensive mit drei Toren in drei Minuten ein kleines Lebenszeichen ab, Bitz mit seinem zweiten Treffer von Außen, er ist noch einer der Besseren. Sigurdsson in der letzten Sekunde aber auch noch mit einem überragenden Treffer. Läuft alles für den THW. 14:7 Kiel. Halbzeit.

35.: Einziger Wermutstropfen für den THW bis jetzt: Narcisse hat sich wehgetan. Und was kann Gislason machen? Der bringt einfach einen Momir Ilic. Der hat bis jetzt noch gar nicht gespielt. So was nennt man Luxus. Sigurdsson erhöht auf 17:8 für den THW.

41.: Dieser Titi Omeyer ist so unfassbar! Jetzt hat der Wahnsinnige 15 von 23 Würfen gehalten, was für eine Quote. Zeitz derweil zum 20:10. Es sind 10 Tore Unterschied!

48.: Sesum tritt zum Siebenmeter an - und Omeyer hält. Natürlich hält Omeyer! What a show! Zeitz schlägt vorne mal wieder zu. 24:12 Kiel. Es ist eine 12-Tore-Führung und ein klarer Fall von Vorführung.

54.: Groetzki versucht es von Rechtsaußen gegen Omeyer, wieder nix. Save Nummer 20 (!) für Omeyer! Narcisse kann zum Glück wieder spielen, der Franzose zum 27:14 für Kiel. Ohne Worte.

59.: Noch mal Siebenmeter für die Löwen. Wieder Sesum gegen Omeyer. Wieder nichts. Latte. 28:16 Kiel.

Der Star des Spiels: Thierry Omeyer. Es war das Treffen der momentan vielleicht beiden besten Keeper der Welt. Omeyer vs. Landin. In der bisherigen Saison war der Däne sogar eher stärker als der Franzose, und er war auch gegen Kiel immerhin ordentlich, aber das Duell ging dennoch so was von klar an Omeyer. Es bleibt dabei: Wenn es darauf ankommt, ist Omeyer da. Allein seine Präsenz schreckt die Schützen schon ab. Es wurde zur beeindruckendsten Torhüter-Leistung der jüngeren Vergangenheit. Die Kieler Fans sollten solch große Omeyer-Spiele noch mal in vollen Zügen genießen. Der 36-Jährige absolviert seine letzte Saison und wechselt danach zurück in seine Heimat (Montpellier). Er ist schlicht und ergreifend der Beste aller Zeiten. Auch stark: Jicha und Zeitz. Wenn man den Linkshänder so spielen sieht, stellt sich unweigerlich eine Frage: Gibt es vielleicht nicht doch noch eine Chance auf ein Comeback im DHB-Team?

Der Flop des Spiels: Kim Ekdahl Du Rietz/Alexander Petersson. Die Löwen verpflichteten für die neue Saison zwei neue Rückraum-Shooter. Ekdahl Du Rietz für den halblinken Rückraum, Petersson für halbrechts. Beide haben sich bei ihrem neuen Team prächtig eingefügt, aber gegen Kiel brachten beide nichts auf die Reihe. Überhaupt gar nichts. Besonders der junge Schwede wollte viel zu oft mit dem Kopf durch die Wand und nahm sich überhastet und unvorbereitet schlechte Würfe. Wenn dann auf der anderen Seite im Rückraum Kaliber wie Jicha und Co. stehen, dann ist der Qualitätsunterschied gewaltig.

Analyse: Die Nummer 1 gegen die Nummer 2. 13-0-0 gegen 12-0-1. Der Herausforderer mit seiner neuen aufregenden (und billigeren) Mannschaft gegen die seit über eineinhalb Jahren (4. Mai 2011) in der HBL ungeschlagene Über-Mannschaft aus Kiel. Ganz Handball-Deutschland wartete mit Spannung auf diesen Gipfel der Unbesiegten. Und danach muss man sich fragen: Was war das denn?

Die größte Frage vor dem Spiel lautete: Wie würden die Löwen den Ausfall von Uwe Gensheimer kompensieren können? Es fehlte nicht nur der Kapitän und Anführer der Truppe, es fehlte der Top-Torschütze (96 Tore, Nr. 2 in der Liga), es fehlte der Mann für die Siebenmeter, es fehlte auch der Mann für die genialen Momente.

Da die Löwen momentan keinen zweiten gelernten Linksaußen im Kader haben (es gab bereits Gerüchte um ein Comeback des 40-jährigen Lars Christiansen), musste mit Kevin Bitz ein Frischling ran. Und an ihm lag es nicht, dass es für die Löwen zu einem Katastrophen-Abend wurde.

Das Erfolgsgeheimnis der Löwen ist in dieser Saison eine fantastische Abwehr im Verbund mit dem besten Torhüter-Duo der Liga. Aber was bringt eine gute Abwehr, wenn der Angriff einfach überhaupt nicht stattfindet. Die Löwen kamen gegen die sehr aggressive 3-2-1-Deckung des THW nicht ansatzweise zurecht. Sicherlich war da auch der Gensheimer-Faktor gewichtig, aber es kann niemals der alleinige Grund für diesen Klassenunterschied gewesen sein.

Von einem strukturierten Angriffsspiel, in dem der Ball gut laufen gelassen wird, war nichts zu sehen. In den ersten knapp 14 Minuten gelang den Löwen so nur ein einziger Treffer, nach über 26 Minuten waren es gerade mal 4. Es war an Harmlosigkeit nicht zu überbieten.

Kiel spielte wahrlich nicht 60 Minuten lang perfekt, aber es wurde dennoch zu einem absoluten Debakel für die Löwen. In der zweiten Halbzeit ließen sich die Löwen dann praktisch ohne Gegenwehr komplett vernichten und demontieren. Wie wichtig der Sieg für Kiel war, zeigt ein Blick auf den Spielplan. Die Löwen werden im Normalfall bis zur Pause vor der WM in Spanien kein Spiel mehr verlieren, der Vorsprung hätte drei Punkte betragen können. Und außer diesen beiden Teams kommt ohnehin keine andere Mannschaft mehr für die Meisterschaft infrage.

Aber von wegen Attacke auf Kiel. Ein Spitzenspiel, das so viel versprach, wurde zu einer einzigen Enttäuschung. Zu einer erneuten Omeyer-Show. Zu einer erneuten Machtdemonstration des THW Kiel. Eigentlich wissen wir am 14. Spieltag jetzt schon wieder, wer Meister wird...

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