Kommentar zum Einzug ins Finale des BVB in der Champions League: Totgeglaubte leben länger!

Von Tim Ursinus
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Wembley calling! Der BVB kann nach dem Einzug ins Finale der Champions League eine mehr als durchwachsene Saison mit dem größten Titel des Vereinsfußballs beenden. Ein lange nicht für möglich gehaltenes Szenario, für das gleich mehrere Protagonisten von Borussia Dortmund sinnbildlich sind. Ein Kommentar.

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"Erste Runde Krankenschein, dann die Oma tot. Überstunden nehmen wir zur Not! Dann kommt die Kündigung - scheißegal! Borussia Dortmund international! Europapokal, Europapokal, Europapokal, Europapokal!", schallte es nach dem Abpfiff im Prinzenpark aus den Mündern der Fans und Spieler. Ein Gesang, der wohl wie die Faust aufs Auge zur kuriosen Saison des BVB passt.

Durch den erneuten 1:0-Sieg gegen PSG ist der Europapokal tatsächlich zum Greifen nahe - und der Weg dorthin ebenso "scheißegal". Schließlich hatte sich der BVB in der Bundesliga Woche für Woche durchgequält, wuchs in der Champions League aber regelmäßig über sich hinaus.

Getreu dem Motto: Totgeglaubte leben länger! Ein Verdienst, der an gleich mehreren schwarzgelben Gesichtern festzumachen ist.

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"Was willst du mehr leisten": Sonderlob für Edin Terzic

In erster Linie ist dahingehend Trainer Edin Terzic zu nennen - ausgerechnet, ist man gewillt zu sagen. Der 41-Jährige stand aufgrund seiner Spielweise häufig in der Kritik, bekam zur Rückrunde in Nuri Sahin und Sven Bender Verstärkung, die zugleich als Schattentrainer gehandelt wurden und wird obendrein bis heute für seine Aussagen (respektive drei Fragen) in den Sozialen Medien belächelt.

Nüchtern betrachtet hat Terzic sein Team aber durch die "Todesgruppe" mit PSG, Newcastle United und Milan als Erster ins Achtelfinale geführt und in der K.o.-Phase bis zum Endspiel nur eine Partie verloren (1:2 bei Atlético Madrid).

"Wir sind mit jedem Spiel gewachsen", sagte ein überwältigter Terzic nach dem Spiel bei Amazon Prime Video und ergänzte: "Der Weg war unglaublich." Derart unglaublich, dass der BVB-Coach während einer Umarmung mit dem scheidenden Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sogar den Tränen nahe war.

"Es freut mich unglaublich für Edin. Letztes Jahr waren wir haarscharf vor der Meisterschaft, jetzt sind wir im Champions-League-Finale. Es ist klasse, was er leistet. Er arbeitet extrem akribisch. Was willst du mehr leisten in zweieinhalb Jahren?", schwärmte Watzke nach dem Spiel.

BVB steht glücklich, aber nicht unverdient im Finale

Klar: Teils ist der Finaleinzug durchaus glücklich. Die insgesamt sechs Aluminiumtreffer von PSG in beiden Spielen sprechen Bände, allein in Paris schaute Torhüter Gregor Kobel den Ball viermal an den Pfosten oder die Latte. Sportdirektor Sebastian Kehl witzelte in den Katakomben des Prinzenparks nicht von ungefähr, das Tor einfach nach London mitnehmen zu wollen. Unter dem Strich ist die Rückkehr ins legendäre Wembley elf Jahre nach dem verlorenen Finale gegen den FC Bayern München aber auch nicht unverdient.

Das liegt unter anderem auch an Kobel. Zwar verzeichnete er in Paris nicht die ganz großen Heldentaten, hielt aber in seinen elf Spielen sechsmal die Null. Kein Team hatte in dieser Saison häufiger eine weiße Weste - und der Schweizer hat wegen seines Verletzungspechs obendrein auch noch das Achtelfinal-Hinspiel bei der PSV Eindhoven verpasst. Nur neun Gegentore lassen sich ebenfalls sehen, auch steht kein anderer Torhüter bei mehr Paraden (42).

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Mats Hummels macht sich unsterblich und schreibt Geschichte

Noch unsterblicher hat sich Mats Hummels, dessen Zukunft weiter offen ist, im Saisonfinale gemacht. Nachdem er zu Jahresbeginn noch mit der Reservistenrolle zu kämpfen hatte, ist der 35-Jährige auf seine alten Tage zum wichtigsten Dortmunder gereift. Das sah auch die UEFA so und zeichnete ihn kurzerhand in beiden PSG-Spielen mit dem Man-of-the-Match-Award aus.

Hummels gewann in Paris nicht nur starke 78 Prozent seiner Zweikämpfe, sondern erzielte auch den Siegtreffer. "Ich habe viel zu wenige Champions-League-Tore geschossen", sagte der älteste deutsche Torjäger in einem K.o.-Spiel über seine Ausbeute von fünf Treffern: "Es ist ein guter Zeitpunkt, um da ein bisschen aufzustocken."

Watzke gestand: "Wir hätten wahrscheinlich beide nicht mehr damit gerechnet, dass wir nochmal nach Wembley kommen. Das ist wirklich eine geile Geschichte und ich bin für meine Verhältnisse total euphorisch."

Es war zudem längst nicht seine erste Ausnahmeleistung in dieser Spielzeit, so auch beispielsweise beim ersten Sieg in München gegen den FC Bayern nach zehn Jahren. Das gilt auch für Karim Adeyemis Leistungen in der Champions League, auch wenn die Diskrepanz zum Großteil seiner Auftritte in der Bundesliga um einiges höher ist.

"Sonst wäre das scheiße": BVB will den Titel, Gegner "egal"

Die Treffer des viel gescholtenen Angreifers gegen Milan und PSG in der Gruppenphase waren von großer Bedeutung für den Gruppensieg. In beiden Halbfinals lief er sich dazu mit unerbittlichen Defensivläufen, um Hintermann Ian Maatsen gegen Ousmane Dembélé zu unterstützen, die Hacken wund.

Terzic, Kobel, Hummels, Adeyemi - sie alle sind auf verschiedene Art und Weise sinnbildlich für die verrückte Achterbahnfahrt des BVB in dieser Saison. Eine Gemeinsamkeit, die das Quartett der zu wenig besungenen Helden ebenso wie die restlichen Dortmunder eint. Wer letztlich der Gegner im Finale ist, ist - so der Tenor an den Mikrofonen - "egal". Oder um es mit den Worten von Marco Reus zu sagen: "Jetzt müssen wir ihn (den Titel; Anm. d. Red.) auch holen, sonst wäre das scheiße."

BVB: Das Restprogramm von Borussia Dortmund

SpieltagDatumUhrzeitHeimGast
33Sa., 11.5.2418:301. FSV Mainz 05Borussia Dortmund
34Sa., 18.5.2415:30Borussia DortmundDarmstadt 98
CL-FinaleSa., 1.6.2421:00Borusisa DortmundFC Bayern München / Real Madrid