"Handball kann sich an der NBA orientieren"

Von Interview: Florian Regelmann
Heiner Brand ist seit Juli 2011 als Manager des Deutschen-Handball-Bundes (DHB) tätig
© Getty
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SPOX: Sie waren zuletzt im Fall von Moritz Preuss in einer Schule, um Gespräche zu führen. Wie viel Bereitschaft ist in den Schulen da, diesen Weg mitzugehen? Wie sind Ihre Erfahrungen?

Brand: Generell ist ein großes Entgegenkommen vorhanden. Wir reden ja hier nicht von den Elite-Schulen des Sports, sondern von ganz normalen Schulen. Wir sind aber auf sehr großes Verständnis gestoßen, was mich sehr begeistert hat, weil ich skeptisch war, wie uns das alles gelingen würde. Wir müssen häufig auch Kompromisse eingehen, wenn ein Spieler schlecht in der Schule ist oder das Abitur in absehbarer Zeit stattfindet, aber man findet immer eine Lösung, wenn beide Seiten bereit dazu sind.

SPOX: Sie haben das Problem der Anschlussförderung angesprochen. Deutschlands Talente gewinnen Titel bei den Junioren und versauern dann in der 2. oder gar 3. Liga. Wie groß ist Ihre persönliche Hoffnung, dass sich in den nächsten Jahren daran wirklich etwas ändert?

Brand: Wir müssen sicherlich weiter geduldig sein. Eine gewisse Verbesserung hat sich ja schon eingestellt. Die Vereine sind durch das Jugendzertifikat gezwungen, Geld in die Nachwuchsarbeit zu stecken, also wollen sie ja irgendwann davon auch profitieren. Es ist in ihrem eigenen Interesse. Bei einer Diplomarbeit, die zu diesem Thema geschrieben wurde, ist kurioserweise herausgekommen, dass Spieler im Fall des betreffenden Vereins im Anschluss an den Jugendbereich weniger trainierten als vorher. Dabei müsste die Trainingsintensität ja genau in dieser Phase eigentlich erhöht werden. Die Vereine sind da gefordert.

SPOX: Wer ist da besonders in der Pflicht?

Brand: Der Cheftrainer kann das nicht immer alles leisten, aber er muss es verantworten und dann den Co-Trainer anweisen, mit dem Nachwuchsspieler individuell zu arbeiten. Dann muss der Spieler auch ins Training integriert werden. Was kann es Besseres geben, als dort von einem Daniel Narcisse oder einem anderen Top-Star zu lernen? Und der letzte Schritt ist dann die schrittweise Heranführung über Spielanteile. Wenn man gewillt ist, dann geht das auch. Gerade bei den Top-Vereinen, die ihre meisten Spiele ohnehin klar gewinnen.

SPOX: Warum lernt der Handball nicht vom Fußball?

Brand: Das ist eine sehr gute Frage. Es braucht ein bisschen Mut. Im Fußball wurden die Trainer meistens dafür belohnt, ob es Jürgen Klopp war oder Louis van Gaal. Ohne van Gaal würden Thomas Müller und Holger Badstuber vielleicht immer noch in der 2. Mannschaft spielen. Man muss den jungen Spielern nur die Chance geben. Selbst wenn es - vielleicht - einen kurzfristigen Leistungsunterschied zwischen dem jungen Deutschen und dem mittelmäßigen Ausländer gibt, gleicht sich das recht schnell an. Der Mut muss da sein, aber alleine kann es der Trainer auch nicht leisten. Es muss insgesamt die Philosophie des Vereins sein. Klar, wir können im Handball nicht die Leistungszentren so aus dem Boden stampfen wie im Fußball, aber eine kleine Ausführung dessen ist möglich. Der Fußball hinkte dem Handball ja hinterher, dort gab es nicht die Erfolge im Nachwuchsbereich, die wir geschafft haben, aber sie haben den Übergang gemeistert.

SPOX: Ein Thema ist im Handball immer der Wettkampf-Kalender. Was halten Sie von der Idee, Handball zu den Winterspielen zu stecken?

Brand: Man soll ja über viele Sachen nachdenken, aber über das sicherlich nicht. Handball findet zwar in der Halle statt, aber Basketball und Volleyball auch. Ich sehe das als Versuch von übergeordneter Stelle, die Sommerspiele etwas kleiner zu machen.

SPOX: Befürworter des Plans würden anführen, dass die Überbelastung der Spieler damit beendet werden könnte?

Brand: Der Punkt Überbelastung wird für meinen Geschmack teilweise zu sehr in den Vordergrund geschoben. Schauen Sie sich die NBA an, was dort gereist und gespielt wird. Im Handball-Terminkalender ist es sicher so, dass die Pausen zu kurz sind. Da reichen drei Wochen im Sommer nicht. Mein Vorschlag: Man könnte zwischendurch noch mal drei Wochen Pause machen, das wäre zu machen, wenn die Vereine noch mehr Spiele pro Wochen machen würden. Der Handball kann sich an der NBA orientieren. Ich weiß, dass dann sofort wieder von einer Überbelastung gesprochen würde, obwohl ich das gar nicht so sehen würde. Ein Punkt, an den man zweifellos rangehen sollte, ist die Aufblähung der europäischen Wettbewerbe. Dort sollte man wieder zum K.o.-System zurückgehen und zum Abschluss hätte man das Final Four, was ja ein großer Publikumserfolg ist. Es ist ja auch so, dass die anderen Länder die Champions League nicht immer attraktiver machen. Es kommt immer mal wieder einer hoch, aber im Prinzip hätte man in den letzten Jahren auch eine deutsch-spanische Meisterschaft austragen können.

SPOX: Zum Abschluss noch ein Wort zur HBL. Was ist Ihr Eindruck von der frühen Saisonphase?

Brand: Dass Kiel in Berlin einen Punktverlust hatte, sollte nicht überbewertet werden. Es war klar, dass sie auch mal einen Punkt abgeben würde. Das ändert aber nichts daran, dass sie nach wie vor der eindeutige Favorit auf den Titel sind. Die Chance, dass sie nicht Meister werden, halte ich für extrem gering. Dass sich die Löwen so stabilisiert haben, ist sicher erstaunlich. Wobei man sagen muss, dass sie zwar den Etat drastisch gesenkt, aber trotzdem Top-Leute geholt haben.

SPOX: Wie erschüttert sind Sie vom Wettskandal um Montpellier?

Brand: Ich war sicherlich auch erschrocken. Es spricht zum einen für eine große Geldgier, dass gut verdienende Handballer so etwas gemacht haben sollen. Wobei es noch besser verdienende Fußballer ja auch schon gemacht haben. Es spricht zum anderen aber auch von einer großen Naivität, wenn man bedenkt, wie diese Dinge heutzutage nachvollzogen werden können. Es ist nicht gut für den Handball, in erster Linie natürlich für den französischen. Gerade durch den Misserfolg der Fußballer hatten sie sich ein Standing erarbeitet, das kaum zu glauben war. Das hat darunter jetzt sehr gelitten.

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