Dissinger: "Ich möchte werden wie Filip Jicha"

Von Interview: Susanne Schranner
Christian Dissinger überzeugte bei der Junioren-WM mit überragenden Leistungen
© Getty

Christian Dissinger war der Shooting-Star der vergangenen Junioren-WM, wurde nach dem Titelgewinn mit Deutschland zum "Most Valuable Player" und ins All-Star-Team des Turniers gewählt. Der 19-Jährige ist eines der hoffnungsvollsten Talente im deutschen Handball, sein Weg führt ihn dennoch erst einmal ins Ausland. Vom Zweitligisten Friesenheim wechselte er zur neuen Saison zu den Kadetten Schaffhausen in die Schweiz.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Im Interview spricht Dissinger über sein Vorbild Filip Jicha, seine Position im linken Rückraum und appelliert an die deutschen Vereine, mehr auf die Jugend zu setzen.

SPOX: Herr Dissinger, die Junioren-WM ist mittlerweile bereits seit ein paar Wochen vorbei. Konnten Sie den Titelgewinn denn schon verarbeiten?

Christian Dissinger: Ja, so langsam kapiert man, was man wirklich geleistet hat. Aber es ist trotzdem schwer begreifbar. Je mehr Abstand man bekommt, desto besser wird es, aber ich denke, es dauert noch ein bisschen, bis man alles komplett realisiert hat.

SPOX: Wie groß ist der Anteil von Trainer Martin Heuberger am WM-Titel?

Dissinger: Martin Heuberger hat mit Sicherheit den größten Anteil von allen. Er hat uns taktisch immer gut eingestellt und wusste, wie er uns motivieren kann.

SPOX: Heuberger ist dafür bekannt, dass er es beherrscht, mit jungen Spielern umzugehen. Was macht er so besonders?

Dissinger: Das ist schwierig zu sagen. Er findet einfach die richtige Mischung zwischen autoritärem und freundschaftlichem Umgang mit den Spielern. Er weiß auch immer, wann er die Zügel wieder anziehen muss und das klappt gut. Sowohl bei den Spielen als auch beim Training.

SPOX: Das Interesse an Ihrer Person ist seit der WM enorm gestiegen. Wie gehen Sie damit um?

Dissinger: Gerade in letzter Zeit kommen viele Anfragen von der Presse, jeden Tag klingelt das Telefon. Beim Turnier in Altensteing wurde ich auch direkt angesprochen und nach Autogrammen gefragt, das ist doch toll. Ich bin schon gespannt, wie es bei den nächsten Turnieren wird.

SPOX: Jetzt sind Sie von der Weltmetropole Friesenheim in die Weltmetropole Schaffhausen gewechselt. Welche Reize hat die Schweizer Stadt dennoch für einen jungen Mann wie Sie?

Dissinger: Schaffhausen ist zwar eine kleine Stadt, hat aber trotzdem alles, was man braucht. Es gibt ein riesiges Einkaufszentrum und eine schöne Innenstadt direkt am Rhein. Es gefällt mir sehr gut hier.

SPOX: Welche Unterschiede sind zwischen der Arbeit beim Spitzenklub Schaffhausen und der beim Zweitligisten Friesenheim zu erkennen?

Dissinger: Hier läuft alles kooperativer und professioneller ab. Auch mit der neuen Halle haben die Kadetten hoch professionelle Bedingungen geschaffen. Außerdem wird hier sehr auf Fitness und Regeneration geachtet.

SPOX: Wie sieht es mit der Vorbereitung aus? War die härter als in Friesenheim?

Dissinger: Schwer zu sagen. Anstrengend sind ja meistens nur die ersten zwei bis drei Wochen, wo der Schwerpunkt auf Konditions- und Krafttraining liegt. Ich weiß natürlich nicht, was in Friesenheim dieses Jahr gemacht wird, aber letztes Jahr war es dort auch anstrengend. Trotzdem denke ich, dass die Vorbereitung in Schaffhausen die in Friesenheim noch ein bisschen toppt.

SPOX: In Friesenheim hatten Sie Ihren Stammplatz praktisch sicher. Wie schätzen Sie die Chancen bei den Kadetten ein?

Dissinger: Mit David Graubner habe ich einen Schweizer Nationalspieler auf meiner Position, wobei ich denke, dass der Konkurrenzkampf relativ ausgeglichen ist. Keinem von uns beiden macht es etwas aus, wenn einmal der andere spielt. Wir gönnen uns gegenseitig die Einsatzzeit, denn wir verstehen uns richtig gut und sind kooperativ. Ich denke, die Chancen stehen 50:50. Abgesehen davon glaube ich auch nicht, dass ich in Friesenheim diese Saison gleich eine Stammplatzgarantie gehabt hätte.

SPOX: Welche Gründe waren für Sie ausschlaggebend, dass Sie nicht innerhalb von Deutschland gewechselt, sondern ins Ausland gegangen sind?

Dissinger: Einerseits natürlich die Aussicht, Champions League spielen zu können. Außerdem kann ich den Fokus hier mehr auf meine Athletik und die körperliche Weiterentwicklung legen. Ich mache jetzt mindestens zwei- bis dreimal in der Woche individuelles Krafttraining und zusätzlich dazu kommen natürlich noch die Stabilisationsübungen im Training.

SPOX: War das davor anders?

Dissinger: In Friesenheim war das schwierig, denn ich ging ja noch zur Schule und habe dann ein Praktikum auf der Geschäftsstelle absolviert. Da war es nicht leicht, alles unter einen Hut zu bringen. Oft war dann eben nur Handballtraining angesagt und das Krafttraining kam meistens zu kurz.

SPOX: Verglichen mit dem Jugendtrend im Fußball ist im deutschen Handball eigentlich genau das Gegenteil der Fall. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die Vereine kaum auf junge Spieler setzen?

Dissinger: Im Moment kauft man noch lieber international erfahrene und meistens auch ältere Spieler, die körperlich besser ausgebildet sind. In der Presse wird auch immer wieder behauptet, dass die jungen Spieler für das, was sie leisten, angeblich zu viel Gehalt verlangen würden. Es ist natürlich immer schwer, Nachwuchskräfte einzubauen, aber da muss sich in den nächsten Jahren etwas tun. Ansonsten gehen diese Spieler wohl immer öfter ins Ausland. Oder aber sie versinken in der zweiten und dritten Liga und werden nie international erfolgreich.

SPOX: Schaffhausen hat national letztes Jahr alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Auch international erreichte man mit dem Achtelfinale in der Champions League ein sehr gutes Ergebnis. Wie sieht die Zielsetzung für diese Saison aus?

Dissinger: In der Liga wollen wir natürlich möglichst jedes Spiel gewinnen und auch im Pokal wieder weit kommen. Die Champions League ist dann noch die Zugabe, wo wir sehen müssen, dass wir in der Gruppenphase mindestens Vierter werden, um erneut ins Achtelfinale zu kommen.

SPOX: Sie spielen auf der "Königsposition" im linken Rückraum. Wie sehen Sie das Anforderungsprofil auf Ihrer Position?

Dissinger: Es wird immer gesagt, dass der linke Rückraum am torgefährlichsten sei und somit sozusagen das Spiel im Alleingang entscheiden könne. Auch heißt es, dass dort der beste Spieler der Mannschaft spielen sollte. Es wird von ihm verlangt, dass er viel über das Kurzpassspiel aufbaut und er sollte natürlich auch spielerisch ein bisschen was draufhaben.

SPOX: Sie bezeichnen den Kieler Filip Jicha als Ihr Vorbild. Was können Sie sich von ihm noch abschauen?

Dissinger: Jicha ist immer torgefährlich, außerdem versteht er es, mit seinen Mitspielern zusammenzuspielen. Eigentlich ist er ein sehr kompletter Spieler, wie ich es auch einmal werden möchte.

SPOX: Gibt es außer Handball noch andere Sportarten, die Sie interessieren?

Dissinger: Ja, Ballsportarten allgemein, wie Basketball oder Fußball, interessieren mich. Ich bin zum Beispiel Fan von Borussia Dortmund. Ich spiele auch gerne selbst, aber dazu ist leider meist zu wenig Zeit.

SPOX: Abschließende Frage: Was machen Sie 2012 vom 15. bis 29. Januar?

Dissinger: (lacht) Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Wenn es zu einer Nominierung für die Nationalmannschaft käme, dann wäre das natürlich klasse. Aber ich glaube nicht, dass ich schon dieses oder nächstes Jahr dabei sein werde. Vermutlich bin ich da also gerade bei der Rückrundenvorbereitung mit Schaffhausen.

Die Champions League im Überblick

Artikel und Videos zum Thema