Baur: "Kritik an Brand ist ungerechtfertigt"

Von Für SPOX in Schweden: Florian Regelmann
Bundestrainer Heiner Brand (r.) und sein langjähriger Spielmacher Markus Baur
© Getty

Das DHB-Team steht bei der Weltmeisterschaft in Schweden in der Hauptrunde, hat die Chance aufs Halbfinale aber wohl schon vertan. Im Interview mit SPOX zieht Ex-Nationalmannschaftskapitän Markus Baur ein Zwischenfazit des Turniers und nimmt Stellung zur Kritik an Bundestrainer Heiner Brand und Spielmacher Michael Kraus.

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Deutschland steht nach dem souveränen Erfolg gegen Tunesien in der Hauptrunde, aber um das Halbfinale noch zu erreichen, müsste schon sehr viel zusammen kommen. Die DHB-Auswahl müsste die drei Spiele gegen Island, Ungarn und Norwegen auf jeden Fall gewinnen und selbst dann noch auf fremde Hilfe hoffen.

Ein Hauptkritikpunkt am deutschen Team ist in Schweden das Fehlen von Führungsspielern. Führungsspieler wie Markus Baur früher einer war. SPOX sprach mit dem Ex-Nationalmannschaftskapitän über sein WM-Zwischenfazit und die Kritik an Heiner Brand und Mimi Kraus.

Spielplan der WM-Hauptrunde

SPOX: Herr Baur, Sie erleben die WM im Moment noch von zuhause in Deutschland aus. Wie ist Ihr Eindruck vom bisherigen Auftreten der deutschen Mannschaft?

Markus Baur: Bis auf die Leistung in der zweiten Halbzeit gegen Frankreich, die sicher schlecht war, war es das, was man erwarten konnte. Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin enttäuscht über das, was von außen hineininterpretiert wird. Es war ja vorher klar, dass Frankreich und Spanien die Favoriten in der Gruppe sind und teilweise auch im ganzen Turnier. Gegen Spanien hat die Mannschaft 50 Minuten lang wirklich gut gespielt. Wenn man die Partie gut zu Ende gebracht hätte, wäre jetzt alles mehr als in Ordnung. Aber da hat das Team in der entscheidenden Phase die Sicherheit verloren, die es vorher hatte. Und die Spanier haben es gut gemacht, das muss man auch sagen.

SPOX: Wie beurteilen Sie dann das, was gegen Frankreich passiert ist? Das war ohne Frage desolat in der zweiten Hälfte.

Baur: Gegen Frankreich waren wir in der Tat schlecht. Das muss man auch so klar sagen. Da haben wir mehr als unsere Grenzen aufgezeigt bekommen. Wenn die Franzosen ernst gemacht und gewollt hätten, hätte das ja am Ende auch noch schlimmer aussehen können. Das muss man schon so sehen.

SPOX: Viele vermissen Führungsspieler, wie sie die Nationalmannschaft früher hatte...

Baur: Das ist auch so was, was ich nicht mehr hören kann. Baur, Stephan, Schwarzer - immer dieses Herumreiten auf den alten Spielern. Es ist ein anderes Spiel jetzt und eine andere Mannschaft. Die Jungs machen das genauso gut wie wir früher. Um noch einmal auf das Spanien-Spiel zurückzukommen: Fakt ist einfach auch, dass Spanien eine Abwehr spielt, die sonst niemand auf der Welt so spielt. Klar weiß man das und ist darauf eingestellt, aber es ist dann trotzdem nicht immer so leicht, dagegen zu spielen.

WM-Kolumne - Schwarzer: "Team hat sich Kritik zu Herzen genommen"

SPOX: In der Hauptrunde warten jetzt Island, Ungarn und Norwegen auf das deutsche Team. Ihr Ausblick?

Baur: Das sind alles gute Mannschaften, aber auch alles Mannschaften, die bei einer guten Leistung für uns jederzeit schlagbar sind. Die Isländer machen sicher den stärksten Eindruck, aber auch die können wir packen. Auch bei den Testspielniederlagen waren wir von denen nicht so weit weg.

SPOX: Das große Ziel heißt Platz sieben, damit man sich wenigstens für ein Olympia-Qualifikationsturnier qualifiziert. Sollte man das jetzt verpassen, bliebe im Hinblick auf London nur noch der EM-Titel, um sich zu qualifizieren. Wäre der siebte Platz also ein gutes Ergebnis bei dieser WM?

Baur: Erst einmal müssen wir zwei Spiele gewinnen, damit wir mindestens in ein Spiel um Platz sieben kommen. Die Erwartungshaltung wird in Deutschland immer hoch sein. Höher als Platz sieben. Egal, ob das realistisch ist oder nicht. Deutschland ist und bleibt eine Handball-Nation. Entscheidend ist, dass man sich nach dem Turnier hinstellen kann, die WM betrachtet und sagen kann, dass man alles getan hat. Wenn es dann der fünfte Platz geworden ist, ist das in Ordnung. Wenn es der siebte Rang ist, ist es genauso in Ordnung. Solange man sich nichts vorwerfen muss.

SPOX: Haben Sie ein gutes Gefühl für die Hauptrunde?

Baur: Ja, durchaus. Ich habe ein ganz gutes Gefühl. Es hat mir gut gefallen, wie die Mannschaft in der zweiten Hälfte die Tunesier weggemacht hat. Da war viel Tempo drin, genau das brauchen wir. Die Abwehr in Verbindung mit dem Torhüter muss gut stehen, dann läuft die Geschichte. Jetzt kommen nach Spanien und Frankreich die drei wichtigen Spiele, da wird man sehen, was die Mannschaft drauf hat.

SPOX: Man wird auch sehen, was Mimi Kraus so drauf hat. Gegen Tunesien war seine Leistung ansprechend, aber davor stand er schon wieder sehr unter Beschuss.

Baur: Das ist aber normal. Klar bekommt er viel Kritik ab, aber damit muss er leben. Er äußert sich immer wieder in die Richtung, dass er ein Führungsspieler dieser Mannschaft ist. Dann gehört das dazu, damit muss er klarkommen. Er ist als Tabellenführer der Bundesliga ins Turnier gegangen, er hat beim HSV in der Regel auch immer angefangen - eigentlich sind das doch Voraussetzungen, um mit viel Selbstvertrauen in die WM zu gehen.

SPOX: Dennoch hat dieses Selbstvertrauen wohl einen Knacks bekommen, als er zum Auftakt gegen Ägypten nicht von Beginn an auf der Platte stand. Er lebt sehr vom Selbstvertrauen und war wohl etwas enttäuscht danach. Verständlich?

Baur: Ich denke, jeder Spieler auf der ganzen Welt spielt besser, wenn er großes Selbstvertrauen hat. Nicht nur Mimi. Klar darf man enttäuscht sein, aber es kann ja nicht sein, dass man deswegen den Kopf in den Sand steckt und seine Leistung nicht mehr bringen kann. Der Mittelblock mit Michael Haaß und Sebastian Preiß und der Angriff mit Haaß haben gegen Ägypten gut funktioniert. Da darf man dann sicher enttäuscht sein, aber das muss man in eine positive Richtung für sich nutzen.

SPOX: Glauben Sie, dass er in der Nationalmannschaft wieder auf das Niveau von der WM 2007 zurückfinden wird? Diesem Level rennt er seitdem immer hinterher.

Baur: Das war 2007. Jetzt haben wir 2011. Fakt ist, dass er herausragende Fähigkeiten besitzt, aber ob er es schafft, wieder dahin zu kommen, ist eben die Frage.

SPOX: Nicht nur Kraus musste Kritik einstecken, auch Bundestrainer Heiner Brand scheint nicht mehr völlig unumstritten.

Baur: Die Kritik am Bundestrainer ist meiner Meinung nach völlig ungerechtfertigt. Aber sie ist auch ganz normal. Da gibt es einige Schlaumeier, die dann kritisieren, dass er in der Schlussphase des Spanien-Spiels nicht mehr gewechselt hat und Pascal Hens draußen geblieben ist. Dass es aber genau die Formation war, die erst die Führung herausgespielt hat, wird einfach vergessen. Und wenn Adrian Pfahl im Gegenstoß den Ball reinmacht, wäre die Kiste sowieso entschieden gewesen. Und wir hätten diese Diskussion überhaupt nicht.

SPOX: Wenn man realistisch ist, muss man sagen, dass es für ganz oben zurzeit nicht reicht. Was muss passieren, damit Deutschland im Handball wieder zur Weltspitze gehört?

Baur: (lacht) Wir müssen die drei Hauptrunden-Spiele gewinnen, die Spanier und Isländer verlieren zweimal - und schon stehen wir im Halbfinale und gehören zur Weltspitze. Nein, ich denke, dass man klar festhalten muss, dass die Franzosen im Moment immer noch in einer eigenen Liga spielen. Was in Frankreich an jungen Spielern nachkommt, ist einfach sehr beeindruckend. Das sind richtige Maschinen, wie William Accambray zum Beispiel. Da könnten wir uns eventuell mal überlegen, ob wir uns etwas abschauen können, wie in Frankreich trainiert wird. Diese körperliche Präsenz ist schon etwas Besonderes.

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