Der Denker mit der beigen Hose

Von Florian Regelmann
Am 18. Loch in Bethpage hielten tausende Fans den Atem an - und Lucas Glover behielt die Nerven
© Getty
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5. The MVP: Aufgrund der Wetter-Problematik vergibt SPOX die Auszeichnung für den wertvollsten Spieler der US Open an, einen Tusch bitte, den Squeegee. Der Award geht an den Wasserschieber des Jahres bzw. an die fleißigen Helferlein, die ihn Tag und Nacht einsetzten und die Grüns bespielbar machten. Ohne die freiwilligen Helfer und die Greenkeeper wäre an ein Turnier nicht zu denken gewesen. Respekt!

4. The artist formerly known as No. 882: Kennen Sie noch David Duval? Der war mal ein überragender Golfer. Der hat mal (2001) die British Open gewonnen und war mal die Nummer eins der Welt. Selten ist ein Weltsportler so abgestürzt wie dieser unnahbar wirkende Typ mit der Sonnenbrille.

Er hatte riesige Verletzungsprobleme (Schulter, Rücken, Handgelenke), privat lief es nicht und irgendwann hatte Duval keinen Bock mehr auf Golf. Es ging bergab. Seine letzte Top-Ten-Platzierung vor den US Open lag sieben Jahre zurück. Dazwischen lag sieben Jahre Wildnis, die ihn auf Rang 882 der Weltrangliste führte. Einen Platz vor ihm lag der Koreaner Byun Jin-jae - wer kennt ihn nicht?

Aber jetzt ist der 38-Jährige golferisch von den Toten auferstanden. Schon seit einiger Zeit war ein Aufwärtstrend erkennbar, auch wenn sich dieser nicht sofort auf der Scorekarte widerspiegelte. Bei den US Open war es soweit. Duval hat die Leidenschaft wieder und er hat seinen Kampfgeist wieder.

Wie er sich in der Finalrunde nach einem unglücklichen Triple-Bogey an der 3 zurückkämpfte und am Schluss sogar Chancen auf den Sieg hatte, war fantastisch. Duval zeigte auf eindrucksvolle Art und Weise, dass er den Superstar immer noch in sich hat. Weiter so, DD!

3. Tiger "I made nothing" Woods: Masters nicht gewonnen, US Open nicht gewonnen, man darf ruhigen Gewissens sagen, dass Tiger Woods langsam aber sicher mächtig sauer wird. Alles sprach vor dem Turnier für den 33-Jährigen, aber im Endeffekt war die Hypothek nach seinem schlechten Finish in seiner Auftaktrunde (74) zu groß. Da nützten ihm auch drei sehr solide Runden nichts mehr.

Woods leistete sich einige Fehler vom Abschlag, insgesamt war sein Ballstriking aber formidabel. Verloren hat er den Titel auf den Grüns. O-Ton Woods: "Ich habe nichts gelocht. Nichts. Absolut nichts."

Machte Woods einen guten Putt, ging er knapp daneben. Machte er einen schlechten Putt, war er richtig schlecht. Der Tiger schaffte es nie, sich an die langsamen Grüns zu gewöhnen. Entweder er ließ die Putts zu kurz oder er hämmerte sie am Loch vorbei. Es fehlte die Magie, die man sonst von ihm kennt.

So steht am Ende ein geteilter sechster Platz zu Buche. Mit sechsten Plätzen will Woods nichts zu tun haben. Er will den Major-Rekord (18) von Jack Nicklaus brechen - und das so schnell als möglich. Zwei Chancen bleiben ihm in diesem Jahr noch, Nummer 15 einzufahren.

2. Let's go Phil! Mickel-Mania kannte in den Tagen von Bethpage Black wie erwartet keine Grenzen. Es war eine Stimmung wie bei Woodstock - nur ohne Sex, Drogen und Rock-and-Roll. Phil Mickelson wollte seiner an Brustkrebs erkrankten Frau Amy den Wunsch erfüllen, den US-Open-Pokal ans Krankenbett zu bringen und die Fans wollten ihn auf diesem Weg begleiten und zum Sieg tragen.

Es gab wohl noch nie eine solch emotionale Bindung zwischen Zuschauern und einem Sportler wie zwischen den New Yorker Fans und Phil Mickelson. An jedem Loch hatte man das Gefühl, im Football-Stadion der Giants zu Gast zu sein: "L-E-T-S--G-O--P-H-I-L!"

Jedes Mal, wenn Mickelson einen Putt lochte - und er lochte verdammt viele Wahnsinns-Putts - waren die Jubelstürme auf der ganzen Anlage zu hören. Spätestens nach Mickelsons genialem Eagle an der 13 in der Finalrunde erreichte das Erdbeben auf der Mickelson-Skala neue Rekordwerte. Lefty stand - wieder einmal - ganz dicht vor seinem ersehnten US-Open-Triumph.

Aber irgendwie wäre er nicht Phil, wenn er sich nicht alles mit zwei Bogeys auf den Schlusslöchern wieder kaputtmachen würde. Und so kam es dann auch. Mickelson beendet eine US Open zum fünften Mal auf dem zweiten Rang. Schade. Aber in nächster Zeit gibt es nur eins, was zählt: Amy Mickelson soll schnell wieder gesund werden. SPOX wünscht den Mickelsons alles Gute!   

1. Lucas Glover??? Gestatten, Lucas Glover, 29 Jahre, ich bin Schuld. Ich habe allen Fans, die Mickelson so sehr den Sieg gewünscht haben, die Story des Jahres vermasselt. Es ist fast nicht zu glauben, aber der US-Open-Sieger 2009 heißt Lucas Hendley Glover. Jetzt ist es nicht so, dass Glover der totale Nobody ist.

Der US-Boy lag vor den US Open auf Rang 71 der Weltrangliste, galt seit Jahren als ein Mann mit unglaublichem Talent und er hatte immerhin schon einen Sieg auf der PGA Tour auf dem Konto. Aber dass Glover das Zeug zu einem Major-Champion hat, das durfte man doch stark bezweifeln.

Glover war als notorischer Schlussrunden-Versager bekannt. Einer, der oft an die Tür klopft, aber dann doch nie durchgeht. Glover und Druck, das passt ungefähr so gut zusammen wie John Daly und eine beige Hose. Glover ging lange Zeit zu hart mit sich selbst ins Gericht, jeden schlechten Schlag nahm er sich übel. Ende 2008 nahm er eine viermonatige Auszeit, stellte die Schläger in die Ecke und relaxte.

Relaxen, das heißt beim Denker Glover vor allem Bücher lesen. Drei oder vier pro Woche. Als Glover auf die Tour zurückkam, war er ein neuer Mensch. Bei den US Open zeigte sich der Wandel deutlich. Glover - am Finaltag in beiger Hose -  blieb auch nach Bogeys ruhig und machte unter dem größten vorstellbaren Druck grandiose Schläge. Er ist ein absolut würdiger US-Open-Champion. Sein verstorbener Ex-Coach Dick Harmon hatte es prophezeit. "Er hat mir immer gesagt, dass ich gut genug bin. Ich denke jeden Tag an ihn", sagte Glover.   

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