Todt: "Bergmann passt optimal"

Von Interview: Bastian Strobl
Jens Todt ist seit Juli 2011 Sportvorstand des VfL Bochum
© Imago

Jens Todt ist seit Anfang der Saison Sportvorstand beim VfL Bochum, musste aber bereits Trainer Friedhelm Funkel vor die Tür setzen - der Saisonstart ging mächtig in die Hosen. Im Interview spricht der 41-Jährige über die Gründe für die Entlassung, seine Journalistenkarriere und Afrika-Reisen als Scout.

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SPOX: Herr Todt, der Saisonstart des VfL geriet daneben, Friedhelm Funkel hat das den Job gekostet. Wie erklären Sie sich den schwachen Auftakt?

Jens Todt: Da gibt es mehrere Gründe. Eigentlich hatten wir nach der erfolgreichen Vorbereitung eine gute Stimmung im Team, die wir in die neue Saison mitnehmen wollten. Das ist offensichtlich nicht gelungen. Die Mannschaft ist durch die Negativ-Erlebnisse in eine Abwärtsspirale geraten, fabriziert viele individuelle Fehler, tritt sehr verunsichert auf und steckt Nackenschläge nicht gut weg. Uns fehlt momentan einfach die richtige Balance in unserem Spiel.

SPOX: Hat man sich von der starken Rückrunde der Vorsaison blenden lassen und zu sehr auf die eigene Mannschaft vertraut?

Todt: Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Die Mannschaft hat sicherlich in der famosen Rückrunde mit 37 Punkten auch an der einen oder anderen Stelle Glück gehabt. Tabellenplatz 17 entspricht aber definitiv nicht der Leistungsfähigkeit dieser Mannschaft.

SPOX: Und daher musste Funkel gehen.

Todt: Der Schritt ist uns sicherlich nicht leicht gefallen, zumal das Verhältnis zwischen Cheftrainer und Mannschaft intakt war. Durch Veränderungen im Trainerteam wollen wir nun jedoch neue Impulse setzen. Das Team verfügt über viel Qualität, kann sie derzeit aber nicht im vollen Umfang abrufen. Wir hoffen, dass sich das nun ändert.

SPOX: Mit Andreas Bergmann.

Todt: Wir haben einen Trainer gesucht, der kurzfristig die Köpfe unserer verunsicherten Spieler wieder frei bekommt und langfristig diese junge Mannschaft weiterentwickelt. Zudem soll er den eingeschlagenen Weg zu einem Ausbildungsverein voll unterstützen. In dieses Anforderungsprofil passt Andreas Bergmann optimal hinein.

SPOX: Teile Ihrer persönlichen Vita nach der Profikarriere lesen sich wie ein typischer Journalisten-Lebenslauf: Schülerzeitungen, Praktika, Volontariat. Wie kam's?

Jens Todt: Ich wollte einfach etwas machen, bei dem ich spannende Geschichten erlebe. Wenn ich nicht Profi geworden wäre, wäre ich sicherlich Journalist geworden.

SPOX: Sie haben ein Volontariat im Panorama-Ressort von 'Spiegel Online' absolviert. Hatten Sie genug vom Fußball?

Todt: Die beiden letzten Jahre meiner Karriere verliefen aufgrund vieler Verletzungen und weniger Einsätze relativ frustrierend. Ich habe einen harten Schnitt gebraucht. Es tat mir sehr gut, über andere, mindestens genauso interessante Themen zu schreiben.

SPOX: Immerhin wissen Sie ganz genau, auf was der gemeine Sportjournalist aus ist. Welchen Einfluss hat dies auf Ihren Umgang mit der Presse?

Todt: Eigentlich gar keinen. Ich habe auch als Spieler immer eine klare Strategie gehabt und mit offenen Karten gespielt. Diese Form der Ehrlichkeit erwarte ich auch von meinem Gegenüber. Insgesamt habe ich Respekt vor dem Job und kenne die Zwänge, unter denen man steht.

SPOX: Wie groß ist für Sie heutzutage die Rolle der Medien im Fußball?

Todt: Sicherlich haben die Medien einen gewissen Einfluss. Am Ende geht es jedoch sowieso nur um Ergebnisse. Ob die sportliche Idee gleich zu Beginn positiv bewertet wird oder erst nach etwaigen Erfolgen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

SPOX: Wie war es für Sie als Spieler: Nimmt man die Schlagzeilen über sich wirklich wahr?

Todt: Auf jeden Fall. Typisch bei Fußballern ist, den 'Kicker' aufzuschlagen und die Noten nachzulesen. Wenn man eine Vier oder Fünf bekommen hat, dann hat der Redakteur natürlich überhaupt keine Ahnung. Bei einer Eins oder Zwei ist wiederum alles in Ordnung. (lacht)

SPOX: Nach Ihrer Journalistenzeit hospitierten Sie beim Hamburger SV und waren viel in Afrika unterwegs.

Todt: Das war eine sehr spannende Phase. Zusammen mit meinem damaligen Kollegen Johannes Baumeister, der jetzt Geschäftsführer bei Jahn Regensburg ist, war ich vier Monate auf einer Art 'Entdeckungsreise' für den HSV. Das bedeutete: Infos sammeln und Spieler scouten - in sechs verschiedenen afrikanischen Ländern. Insgesamt eine unvergessliche Recherche, die uns weiter gebracht hat.

SPOX: Vermutlich auch persönlich.

Todt: Keine Frage. Wenn man ein Land wie Nigeria bereist, kommt man schon ins Grübeln. Auch mit Burkina Faso eines der ärmsten Länder der Welt zu besuchen, war hochinteressant. Trotz der widrigen Umstände gibt es auch in diesen Gebieten große Talente. Für die meisten ist der Fußball die einzige Möglichkeit, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen.

SPOX: Wie groß ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass auch der VfL Bochum mal den Blick nach Afrika richtet?

Todt: Wir können den afrikanischen Markt natürlich nicht komplett abdecken. Dafür fehlen uns sowohl die Man-Power als auch die finanziellen Mittel. Wenn sich aus einem meiner Kontakte einmal mehr ergeben sollte, werden wir sicherlich für eine ungewöhnliche Lösung offen sein.

SPOX: Von Hamburg ging es für Sie nach Wolfsburg, wo Sie als Leiter des Nachwuchszentrums wieder eine neue Aufgabe übernahmen. Eine Ihrer Vorgaben dabei war, sich stärker als Ausbildungsverein zu positionieren. Und dann kam Chef-Einkäufer Felix Magath. Ein Hindernis?

Todt: Nein, ganz und gar nicht. Mit Tolga Cigerci hatten wir Erfolg, er war der erste in Wolfsburg ausgebildete Spieler, der sich zeitweise einen Stammplatz erobern konnte. Dass ein Verein wie Wolfsburg immer auch Top-Transfers tätigen muss, wie Felix das gemacht hat, ist nachvollziehbar.

SPOX: Bundestrainer Joachim Löw ist der Meinung, dass die Vereine von der Jugendförderung im DFB-Team profitieren. Sie auch?

Todt: Ich bin natürlich sehr froh, dass so viele junge Spieler in der Nationalmannschaft eine große Rolle spielen. Aber ich glaube trotzdem, dass der Impuls eher andersherum ist. Aufgrund der guten Ausbildung in den Vereinen kann der DFB die Früchte ernten.

SPOX: In Bochum sind Sie nun Sportvorstand. Wieder etwas Neues. Warum?

Todt: Die Aufgabe, für die Gesamtstrategie eines Vereins verantwortlich zu sein, war am Ende ausschlaggebend. Es hat mich gereizt, auf dieser Position Dinge zu gestalten und neue Erfahrungen zu machen.

SPOX: Gibt es Manager, an denen Sie sich orientierten?

Todt: Ein Vorbild habe ich nicht. Ich glaube aber, dass wir in Bochum auch das tun können, was Werder Bremen seit Jahren auf höchstem Niveau tut: Werder spielt im Konzert der Großen mit, obwohl sie beschränkte Mittel haben.

SPOX: Spieler, Nachwuchskoordinator, Journalist, Manager - gibt's irgendwann auch den Trainer Todt?

Todt: Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ich glaube, mir fehlen da ein paar grundsätzliche Charaktereigenschaften, um ein guter Cheftrainer zu sein.

SPOX: Beispielsweise der knallharte Umgang?

Todt: Das würde ich gar nicht sagen. Man muss halt den Wahnsinn haben, jeden Tag aufs Neue zu reagieren, einen Schritt zurück zu machen oder das Team akribisch auf das nächste Spiel vorzubereiten. Viele Dinge wiederholen sich ja auch Jahr für Jahr. Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass meine Stärken bei der Entwicklung eines Vereins in Gänze besser zur Geltung kommen.

SPOX: Welche Schlagzeile würde denn der Redakteur Todt über den Manager Todt gerne schreiben?

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