Istanbul-Derby? "Hörensagen ist nichts!"

SID
Roberto Hilberts Derby-Bilanz: Ein Sieg, ein Remis, eine Niederlage
© Imago

Roberto Hilbert spielt seit Sommer 2010 bei Besiktas in Istanbul und ist für viele Fans der "Alman Panzer" oder einfach nur der "Zug", weil er auf der Außenbahn ständig unterwegs ist. Bei SPOX erzählt der Ex-Stuttgarter in seiner Kolumne, was er in der Türkei erlebt. Diesmal berichtet Hilbert von einem außergewöhnlichen Derby und verrät, seit wann er ein Adler ist.

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Istanbul'dan selamlar, hallo aus Istanbul,

wie Ihr alle wisst, hat es bei uns einen Trainerwechsel gegeben. Bernd Schuster, mit dem ich fast zeitgleich zu Besiktas gewechselt bin, ist leider zurückgetreten. Ab sofort arbeiten wir mit Tayfur Havutcu zusammen. Für mich hat sich sprachlich nichts verändert, weil der Coach als gebürtiger Hanauer gutes Deutsch spricht.

Natürlich wird in der Türkei viel über den Trainerwechsel spekuliert, aber Thema Nummer eins ist hier ganz klar das Istanbuler Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahce am Freitag. "Dev Derbi" sagen die Türken. Das große Derby.

Ich habe viele türkische Freunde in Deutschland, die mir vor meiner Türkei-Zeit viel über Istanbuler Derbys erzählt haben. Aber eins sage ich Euch: Hörensagen ist nichts, das muss man schon erlebt haben. Ich habe drei Derbys selbst miterlebt und es ist eine außergewöhnliche Sache.

Die Vorbereitung ist anders, die Stimmung im Verein ist anders - die Klub-Mitarbeiter reden auf einen ein und erzählen, wie wichtig das Derby für sie ist. Wenn man gut spielt und sogar noch ein Tor erzielt, ist man ein Held. "Du wirst ein echter Adler", sagte mir einer aus dem Klub vor meinem ersten Derby gegen Galatasaray. Wir haben gewonnen, ich habe überzeugt und werde seitdem ganz anders wahrgenommen. Es kann aber auch in die andere Richtung gehen: Wer beim Derby versagt, verspielt viel Kredit.

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Jedes Derby schreibt seine eigenen Geschichten und es ist wirklich egal, ob es um die Meisterschaft geht oder ob es ein Testspiel ist: Das Derby ist den Menschen heilig - und ein Derby-Sieg sowieso. Wir haben leider erst kürzlich unser letztes Derby gegen Fenerbahce mit 2:4 verloren und das war für unsere Fans sehr bitter.

Sie pilgern schon Stunden vorher Richtung Stadion, um die Mannschaft zu unterstützen. Schon Kilometer vorher stehen die Fans Spalier, um den Mannschaftsbus zu empfangen. Das ist Gänsehautfeeling der Extraklasse.

Besiktas gegen Fenerbahce oder Galatasaray gegen Besiktas sind große Derbys, aber für die Türken gibt es eigentlich nichts Größeres als Galatasaray gegen Fenerbahce. Es gibt die unglaublichsten Geschichten, die immer wieder erzählt werden.

Als 2007 in England Chelsea Meister wurde und die Spieler von Manchester United im direkten Duell ihrem Gegner applaudiert haben, forderten auch die türkischen Medien Galatasaray auf, den feststehenden Meister Fenerbahce zu beklatschen.

Was aus der Idee wurde? Die Galatasaray-Fans demolierten das eigene Stadion, bewarfen das Spielfeld über 90 Minuten mit Plastikbechern voller Wasser und sorgten fast für einen Spielabbruch. Die Bilder werden heute noch im Fernsehen gezeigt.

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Sehr mutig war auch Greame Souness 1996. Der damalige Galatasaray-Trainer hat nach einem gewonnen Pokalspiel im Fenerbahce-Stadion eine große Galatasaray-Fahne in den Mittelkreis des Platzes gebohrt. Was danach los war, kann man sich denken.

Sowohl 1996 als auch 2007 waren Galatasaray und Fenerbahce auf Augenhöhe. In dieser Saison liegen zwischen diesen beiden Mannschaften in der Tabelle Welten: Galatasaray erlebt eine ähnlich schwere Saison wie wir, während Fenerbahce mit acht Siegen in Folge die Tabellenführung erobert hat. Fenerbahce gilt - trotz Auswärtsspiel - als Favorit.

Aber: Ein Derby ist eben ein Derby und da kann man nichts voraussagen. Galatasaray könnte mit einem Sieg die Saison retten, vieles würde sich relativieren. Das weiß auch Fenerbahce, die ihren Gegner nicht unterschätzen werden.

Stammspieler wie Lugano oder Andre Santos haben sich vor zwei Wochen ihre vierten Gelben Karten abgeholt, damit sie gegen Konya ihre Sperren absitzen können, um im Derby zu spielen. Bei Galatasaray saß am Wochenende Kazim Kazim draußen, Emmanuel Culio hat Gheorghe Hagi sogar zu Hause gelassen. Alles wird fürs Derby hintenangestellt.

Ich werde mir das Derby gemütlich zu Hause ansehen und hoffe auf ein großes Spiel. Einen Tipp kann ich nicht abgeben, aber es wird sicher wieder sehr, sehr heiß hergehen...

Bis bald.

Euer Roberto

Roberto Hilbert, geboren am 16. Oktober 1984 in Forchheim, spielte acht Mal für die deutsche Nationalmannschaft. Nach seiner erfolgreichen Zeit beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth wechselte Hilbert 2006 zum VfB Stuttgart und wurde in seiner ersten Saison auf Anhieb Stammspieler und deutscher Meister. Seit Beginn der Saison 2010/2011 spielt Hilbert für den türkischen Spitzenklub Besiktas. Weitere Informationen zu Roberto Hilbert gibt es auf seiner Facebook-Seite.

Galatasaray vs. Fenerbahce: Die Bilanz

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