Loris Karius' Situation beim FC Liverpool: Die Suche nach dem Ausweg

Von SPOX
Loris Karius ist nicht mehr die Nummer Eins beim FC Liverpool.
© getty

Unmittelbar nach Loris Karius' Patzern im Champions-League-Finale hatte Jürgen Klopp seinem Torhüter noch demonstrativ den Rücken gestärkt. Nachdem die Vergangenheitsbewältigung aber noch lange nicht abgeschlossen scheint und sich Liverpool für 62 Millionen Euro den brasilianischen Nationalkeeper Alisson gesichert hat, dürfte es Karius über kurz oder lang wohl von der Anfield Road wegziehen.

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Sommerliche Testspiele zu Beginn der Vorbereitung gegen unterklassige Mannschaften, bei denen in Turnierjahren noch zahlreiche Stammelf-Akteure im verlängerten Urlaub weilen, sind meistens mit überschaubaren Erkenntnissen verbunden. Die Partie Liverpools gegen den Fünftligisten Tranmere Rovers dürfte Jürgen Klopp aber zumindest endgültig vor Augen geführt haben, dass eine Neuerwerbung auf der Torhüterposition für die Reds nahezu unausweichlich scheint.

Es lief die 72. Spielminute, als Karius beim Stand von 3:0 für seine lila gekleideten Farben einen Freistoß in die Mitte des Tores nicht festhalten konnte und ihn nach vorne abprallen ließ. Johnny Smith bedankte sich per Abstauber zum 1:3-Zwischenstand. War Karius vor der Partie noch von den eigenen Anhängern gefeiert worden, wurden spätestens in diesem Moment wieder die ohnehin omnipräsenten Erinnerungen an Karius' doppelten Aussetzer im Champions-League-Finale wach.

"Wir können nicht nach jedem Fehler eine Geschichte machen. Lasst uns weiter das Beste aus der Situation machen und daraus lernen", war Klopp nach der Partie darauf bedacht, seinen Torhüter aus der Schusslinie zu nehmen und keine Verbindung zur Nacht von Kiew zuzulassen.

Liverpool verpflichtet Alisson als neue Nummer Eins

Offensichtlich aber zogen Klopp und die Verantwortlichen der Reds aus den Entwicklungen der vergangenen Monate ihre Schlüsse. Dass externe Klasse zwischen den Pfosten dem ambitionierten und aufrüstenden Verein gut zu Gesicht stehen würde.

Nachdem bereits in der Wintertransferperiode 78,8 Millionen Euro in die Verpflichtung von Virgil van Dijk investiert wurden und in diesem Sommer Naby Keita und Fabinho für das Mittelfeldzentrum für zusammen über 100 Millionen Euro angeheuert wurden, machte Liverpool Romas Alisson neun Tage nach der Partie gegen die Tranmere Rovers zum teuersten Torhüter aller Zeiten.

Eigentlich hätte es angesichts der Rekordablösesumme von 62 Millionen Euro plus weiterer zehn Millionen Euro an möglichen Erfolgszahlungen für einen Torhüter keines kloppschen Statements zur neuen Rangordnung zwischen den Pfosten der Reds bedurft.

Dennoch stellte Klopp kurz nach der Finalisierung des Transfers gegenüber Sky Sport News HD klar: "Wir haben Alisson geholt, und es ist klar, dass er bei uns zwischen den Pfosten steht. Sonst muss man das Geld nicht ausgeben, das wäre Quatsch." An Karius ging die Degradierung zur klaren Nummer Zwei augenscheinlich nicht gänzlich spurlos vorbei.

Karius patzt im Testspiel gegen den BVB

Sowohl während der Testspielpartie gegen den BVB im Rahmen des ICC als auch in den Äußerungen nach dem Spiel zeigte sich Karius sichtlich gezeichnet vom Verlauf der vergangenen Wochen. Auf dem Rasen eilte der Torhüter zunächst nach vier Minuten gegen Jadon Sancho weit aus seinem Strafraum heraus, um den Ball genau BVB-Stümer Maximilian Philip in die Füße zu spielen.

Zeigte sich Philip in dieser Situation noch gnädig, nutzte Jacob Bruun Larsen einen weiteren Patzer zum 3:1-Endstand aus. Einen harmlos anmutenden Abschluss von Pulisic hatte Karius genau auf den Fuß des Youngsters nach vorne abklatschen lassen.

Im Sky-Interview nach dem Spiel zeigte sich Karius genauso wie zuvor auf dem Rasen nur bedingt glücklich. Die neue Rangfolge im Gehäuse der Reds könne er nicht beeinflussen, aber natürlich sei der Transfer "nicht optimal für mich. Viel mehr kann ich dazu auch nicht sagen".

Mit ihm habe vorab niemand über die Verstärkung auf der Torhüter-Position geredet, sagte Karius mit einem bittersüßen Lächeln auf den Lippen. Der Ex-Mainzer könne nicht sagen, was er in Zukunft mache. Es sei noch ein bisschen Zeit, der Fokus liege ohnehin darauf, gute Spiele zu machen, gut zu trainieren und das Beste aus sich herauszuholen. In Karius' Gesichtszügen spiegelten sich während seiner Aussagen die ganze Bitterkeit und Enttäuschung über den Verlauf der letzten Wochen.

Karius' Verarbeitungsprozess noch nicht abgeschlossen

So bitter die Geschehnisse des 26. Mai für Karius auch waren, war der Grundtenor der internationalen Fußballerbranche relativ klar: Karius werde die Geschehnisse überstehen und gestärkt daraus hervorgehen. "Wir stehen ihm zur Seite, daran gibt es keine Zweifel", sprach Klopp exemplarisch seinem Torwart die volle Rückendeckung zu.

Einzig ZDF-Experte Oliver Kahn, der selbst vergleichbare Szenen zu aktiven Zeiten erlebt hatte, fiel damals mit seinen Aussagen aus dem Rahmen und warnte: "So ein Abend kann eine Karriere zerstören." Es bedürfe "tagtäglicher Arbeit", um solche gravierenden Fehler mental zu verarbeiten.

Tatsächlich zeigte Karius mit seinen Auftritten noch vor Beginn der Pflichtspielsaison, dass der Aufarbeitungsprozess bei ihm noch lange nicht abgeschlossen ist und die Wiederherstellung des für jeden Torhüter unerlässlichen Grundgerüsts an Selbstvertrauen wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Kontraproduktiv beim Prozess der Vergangenheitsbewältigung zeigen sich gewiss ausufernde Kritiken, die bereits nach dem ersten Testspiel der Vorbereitung wieder laut geworden waren. "Was auch immer euch zu so viel Hass und Kritik veranlasst, ich hoffe, dass es verschwindet und euch Gutes widerfährt", hatte Karius nach der Partie gegen den BVB eine eindeutige Botschaft im Rahmen einer Instagram-Story verbreitet. Auch Teamkollege Mohamed Salah und Torhüter-Legende Iker Casillas sahen sich im Anschluss der Partie verpflichtet, dem Torhüter zur Seite zu springen.

Karius' langfristige Zukunft liegt außerhalb Liverpools

Darüber hinaus dürfte auch die Verpflichtung einer neuen Nummer Eins nicht gerade zur Stärkung von Karius' Selbstvertrauen beigetragen haben, aber eventuell kann sich der Umzug Alissons an den Mersey River auch als gewinnbringender Segen für Karius herausstellen.

Bei einem Verbleib könnte sich Karius fern des größtmöglichen Rampenlichts, wo der Scheinwerfer gewiss wie ein Brennglas auf jede noch so kleine und unbedeutende Unsicherheit des Torhüters gerichtet wäre, ohne den absoluten, wöchentlichen Leistungsdruck im Mannschaftstraining der Reds und Einsätzen in den nationalen Pokalwettbewerben wieder aus dem Loch herausarbeiten. Alternativ stünde bis Ende August die Suche nach einem neuen Arbeitgeber an, bei welchem er seine fortbestehende Tauglichkeit als Nummer Eins unter Beweis stellen kann.

Egal welche Antwort der ehemalige U21-Nationalspieler auf der Suche nach dem Ausweg seines persönliches Dilemmas bis Ende August finden wird, scheint gewiss, dass Karius langfristige Zukunft fernab der Anfield Road liegt.

Karius' Leistungsdaten beim FC Liverpool im Überblick

WettbewerbSpieleGegentoreSpiele zu Null
Premier League292613
FA Cup432
EFL Cup321
Champions League13166
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