Christian Fuchs im Interview: "Ranieri ist ein leiwander Kerl"

Mai 2016, Leicester City ist Meister: Christian Fuchs (M.) mit Trainer Ranieri (l.) und Torhüter Schmeichel
© getty
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SPOX: Im Sommer hat Leicester auf dem Transfermarkt rund 86 Millionen Euro ausgegeben, andere Vereine noch um einiges mehr. Was halten Sie von den Summen, die im Fußballgeschäft mittlerweile gezahlt werden?

Fuchs: Das ist alles surreal und ich glaube nicht, dass ein Spieler jemals so viel wert sein kann. Aber so ist der Fußball heutzutage und das wird auch nicht mehr zurückgehen.

SPOX: In der Premier League ist die Kommerzialisierung des Sports wohl am ausgeprägtesten. Angeblich wird in Hoffnung auf viele TV-Zuschauer sogar überlegt, ein Spiel am 24. Dezember auszutragen. Wie würden Sie damit umgehen?

Fuchs: In dieser Jahreszeit sind so viele Spiele, dass du irgendwann den Kopf abschaltest, nicht mehr aufs Datum schaust und einfach spielst. Mir persönlich käme ein Spiel am 24. Dezember sogar ganz gelegen, weil meine Familie ohnehin nicht hier ist. Da wäre ich zur Ablenkung eigentlich lieber im Stadion als alleine daheim.

SPOX: Denken Sie, dass die Premier League in dieser Hinsicht übertreibt?

Fuchs: Das weltweite Interesse an der Liga ist einfach riesig und muss gestillt und aufrechterhalten werden. Im Vergleich zur deutschen Bundesliga ist die Premier League hinsichtlich ihrer Vermarktung viel professioneller. Bei meinen Vereinen in Deutschland hatte ich deutlich weniger PR-Termine als hier.

SPOX: Ein weiterer Unterschied zwischen englischen und deutschen Vereinen ist, dass Trainingseinheiten hier traditionell unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Fuchs: Ich finde es ja prinzipiell in Ordnung, wenn Leute zuschauen wollen, aber professionell und zielführend ist das nicht. Taktische Bewegungen oder Freistoßvarianten kann man nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit einstudieren, weil ansonsten immer ein gegnerischer Scout zwischen den hunderten Fans sitzen und genüsslich mitschreiben könnte. Mit öffentlichen Trainings schneidet man sich ins eigene Fleisch.

SPOX: Bleiben wir bei Unterschieden: Ist der englische Fußball wirklich körperbetonter als der deutsche oder ist das nur ein Mythos?

Fuchs: Stellen Sie sich mal neben Romelu Lukaku, dann wissen Sie es. Er ist ein Herkules und ich vermute ja, dass er eigentlich gelernter Dreikämpfer ist. In der Premier League sind Maschinen unterwegs, das kann man sich gar nicht vorstellen. Als wir in der Saisonvorbereitung gegen Borussia Mönchengladbach spielten, hat man den Unterschied richtig gemerkt. Die waren uns zwar taktisch ebenbürtig, aber sobald es ins Physische ging, hatten sie keine Chance. Jamie Vardy tackelte Jannik Vestergaard einige Male seitlich um und da merkte man, dass er sowas nicht gewohnt war.

SPOX: Stichwort Jamie Vardy: Er hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, musste einst sogar mit Fußfesseln spielen. Was dachten Sie sich, bevor Sie ihm zum ersten Mal begegnet sind?

Fuchs: Ich habe die Geschichte davor noch nicht gekannt, aber er hat sie mir dann bald in aller Ausführlichkeit erzählt und trotzdem sitze ich in der Kabine noch immer neben ihm. Jamie ist ein lässiger und verrückter Typ mit einem sehr großen Maul, aber er lässt seinen Worten auch Taten folgen - zumindest meistens. Auf dem Platz ist er ein richtiger Mannschaftsspieler. Er macht immer unglaublich viele Meter und rennt herum wie Speedy Gonzalez.

SPOX: Vor Ihrem Wechsel nach Leicester haben Sie vier Jahre lang für Schalke 04 gespielt. Der Klub hat mit Domenico Tedesco neuerdings einen 32-jährigen Trainer. Wie fänden Sie es, von so einem jungen Trainer angeleitet zu werden?

Fuchs: Ich hätte kein Problem damit. Das ist einfach eine Gewohnheitssache.

SPOX: Jahr für Jahr wird auf Schalke der Neuanfang ausgerufen. Stimmt dort etwas Grundsätzliches nicht?

Fuchs: Die Strukturen auf Schalke sind schon sehr speziell. Jeder Fan glaubt, dass ihm der Verein gehört, und dann gibt es noch einen Vorstand mit gefühlt 200 Mitgliedern. Der Verein hat eigentlich ein ähnliches Potenzial wie Dortmund, steht sich jedoch oftmals selbst im Weg. Trotz allem ist Schalke aber ein extrem geiler Klub.