"Eine Winterpause wäre schon nett"

Liverpooler Trainer-Trio: Peter Krawietz, Jürgen Klopp und Zeljko Buvac (v.l.n.r.)
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SPOX: Ihr Eindruck?

Krawietz: Fast alle Mannschaften greifen dann auf sofortiges Gegenpressing zurück, was wiederum zur Folge hat, dass es Umschaltsituationen in sehr intensiven und kurzen Abfolgen gibt. Vieles läuft in maximalem Tempo ab und ist somit fehleranfälliger. Dadurch ergibt sich eine scheinbare Unordnung auf dem Feld, so dass manche Partien bisweilen wild wirken können.

SPOX: Es gibt Beobachter, die dem englischen Fußball attestieren, taktisch wenig planvoll zu sein. Wie sehen Sie das?

Krawietz: Er ist nur scheinbar wenig planvoll. Alles läuft für die Spieler unter extremem Entscheidungsdruck ab. Die Ansprüche an Antizipation und schnelle Spielweiterleitung sind sehr hoch, so dass sich vermeintlich einfache Fehler häufen können. Es ist daher unser Ziel, über dieses Geschehen die Kontrolle zu erlangen. In Pressingsituationen sind ja immer viele Spieler im ballnahen Raum, so dass im ballfernen Bereich naturgemäß Freiräume entstehen müssen. Diese unter dem großen Gegnerdruck schnell zu finden und auszunutzen, ist eine der wichtigsten Maßnahmen im englischen Fußball. Auch wenn eine Mannschaft die Ballbesitzsicherung gut beherrscht, hat sie gleich große Vorteile.

SPOX: Der intensive Fußball kann auch Verletzungen nach sich ziehen. Seit Sie in Liverpool arbeiten, hatten die Reds nicht unbedingt Glück mit Blessuren. Klopp sagte bereits, man werde schauen, ob die Trainingsbelastung bisweilen zu hoch gewesen sei. Ist diese Prüfung bereits vollzogen?

Krawietz: Wir überprüfen nach jeder auftretenden Verletzung, wenn möglich auch anhand von Videobildern, unter welchem unmittelbaren Einfluss sie entstanden ist. Der Zufall oder das Risiko des Sportunfalls sind im Leistungssport natürlich auch immer mögliche Gründe. Wir machen uns permanent Gedanken über Blessuren, die vermeintlich gehäuft auftreten. Dass die uns bisher ereilten Verletzungen durch zu intensives Training entstanden sind, würde ich ausschließen. Wenn man alle drei Tage ein Spiel vor der Brust hat, ist es gar nicht möglich, dermaßen intensiv zu trainieren. Da wird an den ersten beiden Tagen nach einer Partie fast nur regeneriert und beim Abschlusstraining würde kein Trainer der Welt sein Team hochgradig intensiv belasten.

SPOX: Durch die schnelle Abfolge an Partien bleiben die großen mannschafts- und individualtaktischen Trainingsumfänge häufig auf der Strecke, oder?

Krawietz: Eine Winterpause wäre schon nett. (lacht) Das Abschlusstraining ist daher meistens eine taktische Einheit. Darin geht es dann eben nicht um körperliche Belastung, sondern darum, Wissen zu vermitteln. Und sei es nur statisch, um das gewünschte Verhalten und die genauen Abläufe in bestimmten Spielsituationen aufzuzeigen. Dazu gehören natürlich auch Einzelgespräche und Videoanalysen. Das Automatisieren dieser Inhalte muss in den meisten Fällen über die Partien stattfinden. Wir sind mit der bisherigen Entwicklung zufrieden, wissen aber auch, dass das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist.

SPOX: Große Bedeutung hat demnach die Sommervorbereitung, mit der man durch eine extrem lange Saison kommen muss. Wie wollen Sie das angehen, das ist ja auch eine neue Erfahrung für das Trainerteam?

Krawietz: Im Sommer finden die EM, die Olympischen Spiele und die Copa America statt. Wir müssen also Voraussetzungen schaffen, die eine Phase ermöglichen, in der es dann ausschließlich um Trainingsarbeit geht. So wollen wir die Grundlagen in allen Bereichen legen. Derzeit beschäftigen wir uns damit, wie wir das organisatorisch auf die Beine stellen können und zu welchem Zeitpunkt uns alle Spieler final zur Verfügung stehen.

SPOX: Im Sommer wird auch die erste richtige Möglichkeit bestehen, personelle Änderungen herbei zu führen. Wird der Kader dann umstrukturiert?

Krawietz: Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu Personalien nicht äußern werde. Alle Namen, die spekuliert werden, sind sowieso zu 99 Prozent frei erfunden. (lacht) Was ich sagen kann: Wir werden versuchen, die Mannschaft weiter zu entwickeln. Auch ein Transferfenster stellt eine Möglichkeit dafür dar, doch der Sommer ist noch sehr weit entfernt.

SPOX: Eine nicht erfundene Personalie ist Steven Gerrard, der Ende des Jahres wohl seine Karriere beenden wird. Er hielt sich bereits in Liverpool fit und traf sich auch auf einen Kaffee mit Klopp, um über ein mögliches Engagement zu sprechen. Wie haben Sie das beobachtet?

Krawietz: Ich habe Steven Gerrard als tolle und zuvorkommende Persönlichkeit kennen gelernt. Er ist hier eine lebende Legende, und ihn umgibt eine vereinnahmende Aura. Man merkt sofort, wie er diesen Verein lebt. Obwohl er nicht mehr regelmäßig hier ist, ist er unglaublich präsent. Er wird in Zukunft bestimmt eine Rolle in unserem Klub spielen. Ich bin aber überfragt, in welcher Funktion das sein könnte.

SPOX: Die nahe Zukunft gibt Ihnen die Gelegenheit zu einer Rückkehr nach Deutschland, wenn die Reds im Europa-League-Sechzehntelfinale auf den FC Augsburg treffen. Auch ein Duell mit Ihrem Ex-Verein Borussia Dortmund wäre möglich gewesen. War der BVB Ihr Wunschlos?

Krawietz: Wünschen bringt in solchen Fällen doch eh nie etwas. Ich habe die Auslosung nicht einmal live verfolgt. Vielleicht spielen wir ja in der nächsten Runde gegen den BVB. Ich glaube, das werde ich ab jetzt immer sagen. (lacht) Wir sind uns bewusst, dass die Partien gegen den FCA ein harter Ritt werden. Augsburg hat sich stabilisiert und verfolgt einen klaren Plan. Wir gehen das aber durchaus optimistisch an.

SPOX: Dortmund spielt unter Thomas Tuchel eine starke Saison. Haben Sie das erwartet und hatten Sie schon Zeit, ein BVB-Spiel zu schauen?

Krawietz: Seit ich in England bin, kam ich leider noch nicht dazu. Dass es für den Klub möglich ist, eine solch gute Hinrunde zu spielen, hat mich nicht überrascht. Die Jungs haben ja zu keinem Zeitpunkt das Fußballspielen verlernt. Ich kenne den Kader und weiß, dass Thomas Tuchel ein herausragend guter und ehrgeiziger Trainer ist. Die aktuelle Situation beim BVB ist nun so, wie wir sie uns gewünscht haben.

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