Die größten Fehlgriffe aller Zeiten

Von Raphael Honigstein
Thomas Brolin erzielte bei der WM 1994 in den USA drei Tore in sieben Spielen für Schweden
© Getty

28 Millionen für Darren Bent. Verrückt? Es geht noch viel besser! Die Liste der größten Transferverbrechen und Geniestreiche des englischen Winterschlussverkaufs.

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Darren Bent für 21 (bis 28) Millionen Euro zu Aston Villa? Das kann nur eines bedeuten: der Winterschlussverkauf in England hat begonnen. Ähnlich wie die bemitleidenswerten Schnäppchenjäger, die vor dem zweiten Weihnachtstag in Zelten vor den großen Luxus-Kaufhäusern Londons übernachten, um sich als erste durch die Berge von übrig gebliebenen Seidenkrawatten zu wühlen, befällt auch den einen oder anderen Premier-League-Trainer im Januar traditionell die nackte Panik.

Die Angst, einen guten Spieler zu verpassen, scheint die Vereine in der kalten Jahreszeit besonders umzutreiben. Manche Deals sind allerdings zu suspekt, um das als Entschuldigung durchgehen zu lassen. Die Auswahl der schlechtesten Wintereinkäufe seit Einführung der Premier League 1992/93 fiel wegen Überauswahl äußerst schwer, während sich die Top Ten der besten Deals praktisch ganz von alleine zusammenstellte.

Hier ist sie also, die wie immer subjektive aber trotzdem wahre Liste der größten Transferverbrechen und Geniestreiche in der "Rückrunde".

Die Top-Transfers

1. Jussi Jaaskelainen (Bolton Wanderers): Der Finne ist der vielleicht etwas überraschende Mann an der Spitze der Winter-Hitparade. Überraschend auch, dass nicht Sam Allardyce, der notorische "Experte für skandinavische Ramschkisten" (Guardian), den Torhüter ins Reebok-Stadion holte, sondern sein Vorgänger Colin Todd. Der Engländer verpflichtete Jussi im November 1997* für den unglaublichen Klacks-Preis von 100 000 Pfund (heute 117 000 Euro). Vierzehn Jahre steht der dienstälteste Keeper der Liga seitdem schon für die Wanderers im Kasten. Ein echter Glücksgriff, kann man getrost sagen.

2. Gianfranco Zola (Chelsea): Es war 1996, und jeder englische Klub, der etwas von sich hielt, war auf der Suche nach dem neuen Cantona. Chelsea wurde in Parma fündig: Zola kam im November* für 4, 5 Millionen Pfund (heute 5,3 Millionen Euro) und verzückte  das Publikum an der Stamford Bridge sofort mit seiner eleganten Spielweise. In seinen sieben Jahren auf der Insel stieg Chelsea zum Spitzenklub auf, aber der 1,66 kleine Zauberer verpasste die russische Revolution unter Roman Abramowitsch um ein paar Monate. Der Oligarch wollte Zola im Sommer 2003 zum Bleiben überreden, der Sarde hatte jedoch schon Cagliari zugesagt und hielt gegenüber dem kleinen Serie-A-Klub sein Wort.

3. Nemanja Vidic (Manchester United): Chelsea war im Januar 2006 uneinholbar an der Spitze der Premier League, der leicht abgehalfterten Truppe von Manchester United stand ein drittes Jahr ohne Meistertitel bevor. Alex Ferguson reagierte: Er kaufte für zehn Millionen Euro den serbischen Innenverteidiger Vidic von Spartak Moskau. Nach einem halben Jahr Eingewöhnungszeit erwies sich der Neue als Traumpartner von Rio Ferdinand und absolute Koryphäe seiner Zunft.

4. Patrice Evra (Manchester United): Noch einmal Januar 2006, noch einmal Manchester United, noch einmal ein Verteidiger. Evra (für gut 8 Millionen Euro vom AS Monaco) war das zweite Fergie-Puzzlestück für eine neue Defensive, die das Hattrick-Team (Meister 2007, 08, 09) überhaupt erst möglich machte. Der Franzose spielte nicht immer brillant, doch angesichts der globalen Knappheit von Linksverteidigern war seine Verpflichtung auch im Nachhinein betrachtet ein echter Coup.

5. Nicolas Anelka (Arsenal): Der grummelige Franzose war zarte 17 Jahre alt, als ihn Arsene Wenger im Februar 1997* zu den Gunners holte. Der Kaufpreis betrug bescheidene 750 000 Euro. Anelka spielte nicht schlecht, doch der Fußballprofessor mit dem Wirtschaftsdiplom zögerte keine Minute, als Real Madrid 18 Monate später 34 Millionen Euro für den Stürmer bot. Wenger hatte das fünfzigfache des Einkaufspreises realisiert. Eine unverschämte Gewinnmarge, wie man sie sonst nur von Kino-Popcorn oder Druckertinte kennt.

6. Kolo Toure (Arsenal): Es ist kaum zu glauben, aber Wenger konnte es sogar noch billiger: Toure kostete 2002 nur 150.000 Pfund (heute 176.000 Euro). Der Ivorer von ASEC Mimosa wurde in der folgenden Saison meist im Mittelfeld eingesetzt, bevor ihn Wenger 2003-04 als Partner von Sol Campbell in die Innenverteidigung der "Invincibles" (Die Unbesiegbaren) stellte. 2009 verkaufte Arsenal ihn für knapp 19 Millionen Euro an Manchester City, wo er bisher nicht an seine alten Leistungen anknüpfen konnte. Kino-Popcorn, die Zweite.

7. Mohamed Sissokho (Liverpool): Der 11-Millionen-Euro-Wechsel von Liverpool zu Juventus im Januar 2008 war der perfekte Deal - für die Reds. Sissokho hatte in den Jahren zuvor zwar an der Anfield Road überzeugt, war allerdings nach einer Augenoperation nicht mehr der gleiche Spieler, als die alte Dame sich ihn verliebte. Schade nur, dass Rafael Benitez beim Einkaufen nicht ein ähnlich gutes Händchen hatte wie beim Verkaufen.

8. Andrei Arshawin (Arsenal): Der Russe war nach zwei starken Auftritten bei der EM 2008 einer der gefragtesten Spieler des Sommers, aber Zenit St. Petersburg ließ ihn nicht gehen. Sechs Monate später schien man Arshawin schon wieder vergessen zu haben, denn Arsenal schaffte es, sich die Dienste des Dribblers für vergleichsweise günstige 22 Millionen Euro zu sichern. Nach einer Hängepartie und Komplikationen wegen eines Schneesturms in London unterschrieb der diplomierte Modedesigner am 2. Februar 2009. Der 29-Jährige spielt dieses Jahr zwar eine Horror-Saison, wird aber hoffentlich bald aus seinem Winterschlaf aufwachen.

9. Theo Walcott (Arsenal): Die Scouts drückten sich im St.-Marys-Stadion von Southampton die Klinke in die Hand, aber den Zuschlag bekam mal wieder Wenger, der - ähem - Experte für jugendliche Talente. Walcott kam am 20. Januar 2006 für ursprünglich 9 Millionen Euro zum FC Arsenal. Sechs Monate hatte er noch keine Minute in der Premier League gespielt, stand aber plötzlich im WM-Kader. Warum, ist bis heute ungeklärt. Theo wird seinem enormen Potenzial noch immer nicht ganz gerecht, doch den Wechsel bereuen weder er noch Wenger.

10. Brad Friedel (Liverpool): 2,5 Millionen Euro zahlte Liverpool im Winter 1997, um den US-Torwart aus seinem Vertrag mit Columbus Crew herauszukaufen. Friedel kam zwar an der Anfield Road nicht wirklich an Sander Westerveld vorbei, wurde jedoch nach seinem Transfer zu den Blackburn Rovers drei Jahre später zu einem der beständigsten Keepern der Liga. Streng genommen hatte Liverpool gar nichts davon. Aber es gab - wie schon gesagt - in 19 Jahren Premier League nicht genügend gelungene Winter-Transfers, als dass man sich an solchen Kleinigkeiten stören dürfte.

(* vor Einführung der Transferfenster im August und Januar)

Seite 2: Die Flop-Transfers

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