Mansur Faqiryar: Zwischen den Welten

Von Stefan Rommel
Mansur Faqiryar mit Afghanistans Präsident Hamid Karsai
© faqiryar
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SPOX: Wie wird in Afghanistan eigentlich über Fußball berichtet?

Faqiryar: Auf den üblichen medialen Wegen. Mit der Berichterstattung hierzulande kann man es aber nicht vergleichen. Es gibt 20, 25 Fernsehstationen. Die Berichterstattung beschränkt sich aber zumeist auf das Wesentliche.

SPOX: Was kein Nachteil sein muss.

Faqiryar: Genau. Der Fußball wird noch sehr ursprünglich gesehen. Das ist nicht in allen Bereichen so. Besonders der indische Einfluss auf die Unterhaltungsbranche ist enorm, Bollywood ist allgegenwärtig. Darauf springen die Afghanen ziemlich an. Ansonsten bleibt eine gewisse Distanz zu den großen Nachbarn Indien und Pakistan. Afghanistan vertraut lieber seiner eigenen Kultur, seiner Musik, seinen eigenen Riten.

SPOX: Und auf die ganz großen Emotionen.

Faqiryar: In Afghanistan ist alles voller Emotionen. Was die Afghanen machen, tun sie mit hundert Prozent Einsatz, Liebe und Leidenschaft.

SPOX: Kann das nicht auch sehr anstrengend sein?

Faqiryar: Das ist es in der Tat manchmal. Als wir den Titel geholt hatten, wurde nicht gejubelt - da war das Land wie in Ekstase. Normales Jubeln, so wie wir das in Deutschland kennen, gibt es nicht. Die Menschen drehten komplett durch, einige erlebten die Tage wie in Trance.

SPOX: Was wäre passiert, hätte die Mannschaft nicht gewonnen?

Faqiryar: Das ist das Problem: In Afghanistan ist entweder alles super oder alles ganz schlecht. Es gibt dazwischen keine gesunde Mischung. Da schlagen die Dinge unglaublich schnell um. Die Enttäuschung wäre unglaublich gewesen, man hätte sich wohl auf einige Übersprunghandlungen einstellen müssen.

SPOX: Sie sind in Bremen aufgewachsen, als Deutscher sozialisiert. Wie begegnen Sie einem Mitspieler, der - vorsichtig formuliert - noch mehr Temperament besitzt als Sie?

Faqiryar: Die speziellen Eigenarten bekommt man aus den Jungs nicht raus. Das ist auf den ersten Blick natürlich ein Nachteil. Kompensiert wird das aber durch unglaubliches Engagement und Willen.

SPOX: Wie war die Mischung in Nepal innerhalb der Mannschaft?

Faqiryar: Wir waren vier Spieler aus Deutschland, zwei aus den USA und noch zwei Exil-Afghanen, die erst vor kurzem ins Ausland sind. Der Rest waren Spieler aus Afghanistan. Da ist es naturgemäß schwierig, zum Beispiel europäisch geprägten Fußball zu spielen. Fast alles wird übertrieben vorgetragen, es muss alles genial sein. Ronaldo, Messi - das sind die Maßstäbe. Darunter geht nichts. Aber auch der Fußball in Afghanistan hat sich entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass Fußball, wie wir es kennen, erst seit weniger als einem Jahrzehnt dort gespielt wird.

SPOX: Gibt es einen geregelten Ligabetrieb in Afghanistan?

Faqiryar: Gespielt wird nur in Kabul, an der Liga nehmen acht Mannschaften teil. Aus jedem Teilgebiet des Landes qualifiziert sich eine Mannschaft über ein Casting für die Meisterschaftsrunde. Es gibt dann zwei Vierergruppen, die Halbfinals werden in Hin- und Rückspiel entschieden und am Ende das große Finale. Alles innerhalb von zwei Monaten. In den einzelnen Regionen werden erst nach und nach Kunstrasenplätze gebaut, die FIFA engagiert sich da sehr.

SPOX: Wie sehen Ihre persönlichen Ziele für die Zukunft aus?

Faqiryar: Ich will mich auf jeden Fall noch weiter mit einbringen. Ich will den Menschen, die weitaus schlechtere Voraussetzungen haben als ich, helfen. Wie genau das geschehen soll, ist in der Planung. Angedacht ist eine Fußballschule. Jedenfalls gibt es einige Anfragen aus Afghanistan von Firmen oder Privatleuten, die sich eine Zusammenarbeit mit mir vorstellen könnten. Am liebsten wären mir Stiftungen, die auch nachhaltig in das Land reinvestieren.

Seite 1: Der erste Titel mit Afghanistan

Seite 2: Besuch bei Karsai und das verrückte erste Mal

Seite 3: Emotionen und die spezielle Mischung

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