Einer gegen alle

Von Alexis Menuge/Thomas Ziemann
WM 2006, Raymond Domenech, Zinedine Zidane
© Getty

München - Raymond Domenech ist ein abergläubischer Mensch. Es gibt sogar böse Zungen, die behaupten, der französische Nationaltrainer stelle seine Mannschaft nach dem aktuellen Horoskop auf.

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Egal welchen Eingebungen Domenech auch immer folgen mag, fest steht: Dieser Tage geht der 56-Jährige mit Frankreich in sein zweites großes Turnier. Er ist der erste französische Trainer, dem dieses Kunststück gelingt.

Unumstritten ist er in seiner Heimat deshalb aber noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: Zu oft hat der knorrige Trainer durch unpopuläre Entscheidungen den Zorn der Öffentlichkeit auf sich gezogen.

So auch vor dieser EM, als Domenech seinen offiziellen Kader verkündete und der geneigte Fan des Vize-Weltmeisters einen Namen vergeblich suchte - David Trezeguet.

20 Tore hatte der in der abgelaufenen Saison für Juventus Turin geschossen. In der Serie A, einer der besten Ligen Europas.

Für Domenech war das nicht genug. Der Coach ist noch immer persönlich enttäuscht von Trezeguet, nachdem der ihm einst einen Korb für ein U-21-Spiel gegeben hatte.

Die Anekdote zeigt: Domenech ist ein nachtragender Mann -  das Ereignis liegt knapp zehn Jahre zurück.

"Domenech erzählt nur Blödsinn"

Wie nachtragend Domenech ist, mussten auch die Italiener im vergangenen Jahr feststellen.

Vor dem EM-Qualifikationsspiel in Italien attackierte Domenech den italienischen Verband und unterstellte ihm, bei einem U-21-Spiel den Schiedsrichter gekauft zu haben. Domenech wurde daraufhin für die Partie im Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion gesperrt.

"Domenech erzählt ständig nur Blödsinn. Er ist dafür verantwortlich, dass zwischen beiden Nationen viel Polemik herrscht", sagte kürzlich der italienische Mittelfeldstar Gennaro Gattuso. "Schwer zu sagen, ob er ein guter Trainer ist, denn seine Spieler waren 2006 sehr stark und das ist der Hauptgrund warum Frankreich soweit kam."

Generell pflegt der Theaterliebhaber ein angespanntes Verhältnis zu den Italienern. So hatten etwa die Italien-Legionäre Philippe Mexes, Olivier Dacourt und Jonathan Zebina in der Ära Domenech wenig bis gar nichts zu lachen.

Auch die Verpflichtung von Fabio Capello als Nationaltrainer Englands kommentierte er auf seine ganz spezielle Art und Weise: "So eine Entscheidung ist einfach schlimm. Es ist ein Schlag ins Gesicht für jeden englischen Coach. Es ist nicht normal, einen Italiener zu holen. Wer kennt die englischen Spieler und die englische Mentalität am besten? Der Engländer an sich."

Der Beinbrecher

Auch schon zu seiner aktiven Zeit war Domenech kein Kind von Traurigkeit. Als Rechtsverteidiger spielte er unter anderem für Lyon, Marseille und Bourdeaux, wo er sich durch seine, vorsichtig ausgedrückt,  körperbetonte Spielweise den Spitznamen "Beinbrecher" verdiente.

Seit mittlerweile vier Jahren ist Domenech nun Teamchef der Equipe Tricolore. Vier Jahre, die geprägt sind von Konflikten. Konflikten mit dem Verband, Konflikten mit der Öffentlichkeit. Doch trotz aller Widerstände wusste Domenech sich immer irgendwie zu behaupten.

Immerhin ein Mal musste auch der Sturkopf nachgeben: Im Jahr 2005 nominierte er erst auf Drängen des französischen Verbands die bereits zurückgetretenen Zidane, Thuram und Makelele nachträglich für die WM-Qualifikation.

Zusammen mit den Ausgemusterten führte Domenech die Franzosen bis ins Finale gegen Italien. Der große Wurf blieb ihm daraufhin bekanntlich verwehrt.

Vorerst. Einen weiteren Anlauf kann er schon bald starten, wenn er von seinen vermeintlich übersinnlichen Kräften nicht getäuscht wird: "Frankreich wird 2010 das WM-Finale erreichen. Das habe ich in den Karten gelesen."

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