Hildebrand kratzt an heiler DFB-Welt

SID
EM 2008, Hildebrand, Nationalmannschaft
© Getty

Palma de Mallorca - Der ausgebootete Torhüter Timo Hildebrand hat Joachim Löw in ein schlechtes Licht gerückt und dem Bundestrainer fehlenden Respekt vorgeworfen.

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Eine Woche nach seiner Nichtberücksichtigung für den deutschen EM-Kader kratzte Hildebrand in einer Interview-Offensive an der heilen Welt der Nationalmannschaft im Trainingscamp auf Mallorca.

"Ich war jahrelang die Nummer 2, habe mich in den Dienst der Mannschaft gestellt - und werde dann so ausgebootet. Gerade in der Nationalelf, wo stets der Teamgeist beschworen wird", sagte Hildebrand in der "Bild am Sonntag" und beschwerte sich darüber, dass ihn Löw nicht persönlich informiert hatte: "Das werte ich als fehlenden Respekt mir gegenüber."

Der DFB- Chefcoach wollte das am Sonntag nicht bewerten: "Das ist kein Thema für uns hier."

Keine sportlichen Hintergründe

Über das "Aktuelle Sportstudio" des ZDF schickte Hildebrand seine Beschwerde direkt ins Teamhotel "Son Vida" bei Palma: "Es gab für mich überhaupt keine Anzeichen, dass ich bei der EM nicht dabei bin."

Hildebrand kann für Löws Entscheidung keine sportlichen Argumente erkennen und vermutet andere Hintergründe: "Vielleicht steckt noch was anderes dahinter. Was, das weiß ich nicht." Kampflos will der Keeper des FC Valencia seinen Traum vom Stammplatz im DFB-Team nicht aufgeben: "Dafür werde ich kämpfen. Ich glaube weiter an meine Chance, eines Tages die Nummer 1 zu werden."

Zukunft fraglich

Erst nach dem EM-Turnier will der Bundestrainer, der Anfang der Woche mit dem frustrierten Hildebrand telefoniert hatte, dem 29-Jährigen seine Beweggründe ausführlich darstellen: "Timo hat das Recht, eine tiefer gehende Begründung zu bekommen und zu hören, wie wir weiter planen Richtung WM 2010."

Die Konstellation für Hildebrand ist aber ungünstig. Den 23-jährigen Leverkusener Rene Adler hat Löw mit der EM-Nominierung bereits zum Kronprinzen für den nach der EM höchstwahrscheinlich aus der Nationalelf scheidenden Jens Lehmann erkoren.

Zudem hält der Bundestrainer große Stücke auf den Schalker Manuel Neuer (22). Und beim FC Bayern rückt Michael Rensing (24) als Nachfolger von Oliver Kahn in die erste Reihe und damit fast automatisch in den Dunstkreis der DFB-Auswahl.

In Spanien durchgesetzt

Hildebrand fühlt sich nach seinem Wechsel in die spanische Liga von den DFB-Trainern falsch beurteilt. Sportlich habe er sich beim FC Valencia weiterentwickelt und trotz aller Querelen in seinem Verein 40 Saisonspiele gemacht.

"Andere Torhüter haben kaum gespielt", bemerkte Hildebrand und zog den Vergleich zu Lehmann, der bei Arsenal London fast nur auf der Bank saß.

"Als Profi brauchst du Spielpraxis. Ich habe sie, er nicht. Ich bin bei der EM nicht dabei, er steht im Tor. Ich gönne ihm das, war immer loyal", sagte Hildebrand und schloss an: "Das Kriterium Leistung sollte in der Nationalelf auch beim Thema Torhüter an erster Stelle stehen."

DFB-Teammanager Oliver Bierhoff erwiderte am Sonntag: "Man kann die Wut verstehen, aber das beschäftigt uns jetzt nicht."

Kein Lautsprecher

Die Schock-Nachricht von der Ausbootung hatte ihm Torwart-Trainer Andreas Köpke per Telefon übermittelt. "Mir wurde gesagt, dass die Länderspiele nicht überzeugend waren", berichtete Hildebrand.

Vielleicht habe er sich öffentlich zu sehr zurückgehalten, man müsse "wohl auch Lautsprecher in den Medien sein, um den Eindruck zu erwecken, man sei eine wirkliche Nummer 1", sagte er "Spiegel online".

Zurückhaltung abgelegt

Diese Zurückhaltung hat der ehemalige Stuttgart zumindest verbal nun abgelegt. An ein Ende seiner Nationalmannschafts-Karriere aber denkt er nicht.

Er würde trotz der Vorgeschichte sogar als Nachrücker für die EM zur Verfügung stehen.

"Sollte der Anruf kommen, würde ich sofort meine Koffer packen und zur Nationalelf reisen. Ohne Frage. Aber ich wünsche keinem eine Verletzung, gehe davon aus, dass ich Urlaub machen werde."

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