So gar nicht brasilianisch

Von Stefan Rommel
Deutschland, DFB, Training, Löw
© Getty

Homburg - Die brasilianische Nationalmannschaft, so hieß es später, sei bei der WM vor zwei Jahren nicht zwischen Eröffnungsspiel und Viertelfinale ausgeschieden. Sie habe sich bereits im Mai verabschiedet.

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Der Verband stopfte den von Trainer Carlos Alberto Parreira penibel ausgetüfftelten Vorbereitungsplan mit allerlei entzückenden, aber völlig kontraproduktiven Showtrainings voll.

Schweizer Bäuerinnen strömten zu den Trainingseinheiten im Baseler St.-Jakob-Park und trafen dort neben Ronaldinho und Kaka auch auf Heerscharen von Kindern, Souvenierverkäufern, Reisegruppen aus Holland. Kurzum: Auf Störenfriede.

Dem Deutschen Fußball Bund könnte so etwas natürlich nie passieren. "Wir wollen unsere Fans beim Turnier zufrieden stellen, und nicht im Trainingslager", machte Joachim Löw seinem brasilianischen Kollegen vor, wie man rigoros dazwischen haut.

Bereits auf Mallorca hatte der DFB-Tross wenig übrig für die ganzen Neugierigen draußen vor dem Estadio Son Moix. Zurück auf heimischem Boden erging es den vielen Schaulustigen in Homburg nicht viel besser.

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Kein Platz für Kibitze

Das Waldstadion, früher noch Zeuge von Bundesligafußball und umstrittener Trikotwerbung, mittlerweile aber nur noch Herberge für durchschnittlich 1150 Zuschauer in der Oberliga Südwest, wurde vom meist juvenilen Publikum förmlich überrannt.

Polizei und Security erledigten ihren Job aber dermaßen unerbittlich, dass selbst ganz verwegene Desperados wieder von den Schultern ihrer Väter klettern mussten, um ja nicht das zu sehen: Michael Ballack in Schwarz und Weiß, und in Echt.

Kurz vor 18 Uhr fuhr der Kapitän mit einer Limousine des Hauptsponsors vor, machte sich noch eben frisch und kam dann als Vorletzter aus der Kabine auf den Platz getrottet. Die rund 50 Journalisten drängelten schon am dafür vorgesehenen Interviewplatz. Sie wurden wie immer entlohnt.

Ballack spulte das Routineband ab. "Ich hatte ein paar Tage, um vom Champions-League-Finale abzuschalten. Jetzt geht der Blick nach vorne. Ich mache da weiter, wo ich aufgehört habe. Es ist besser, keine lange Pause zu machen. Ich bin gekommen, um zu spielen."

Nur 18 Mann im Kader

Auch auf  dem Rasen nichts Aufregendes. Die vermeintlichen Konkurrenten um die verbleibenden Plätze gingen sich - willentlich oder nicht - aus dem Weg. Oliver Neuville übte mit Borussen-Kollege Marko Marin, der mittlerweile vom Wackelkandidaten bereits zur großen EM-Hoffnung aufgestiegen zu sein scheint.

Jermaine Jones tat sich mit Per Mertesacker, Christoph Metzelder und Clemens Fritz zusammen. Einzig Piotr Trochowski und David Odonkor schoben sich freiwillig die Bälle zu. Nach den Journalisten schnappte sich Löw seinen Neuzugang Ballack zu einem eindringlichen Gespräch - bevor der wichtige Teil des Abends begann und auch die Journalisten und Kamerateams hinaus gebeten wurden.

In den letzten Test vor der endgültigen Kadernominierung gegen Weißrussland (ab 17.30 Uhr im SPOX-Ticker) geht die (vorläufige) DFB-Auswahl leicht dezimiert.

Neben Tim Borowski (grippaler Infekt), Arne Friedrich, (Magen-Darm-Virus), Torwart Rene Adler (Beckenprobleme) und Mario Gomez (Wadenblessur) blieben auch Kevin Kuranyi und Simon Rolfes auf Mallorca. Sie werden geschont.

Vor allem für Tim Borowski wird die Zeit womöglich zu knapp. Der Bald-Bayer hat noch an keinem Mannschaftstraining teilgenommen und bangt nun als vormals sicherer Kandidat tatsächlich um die EM.

45 Minuten um sich zu empfehlen

Gegen das Team Belarus wird Löw seine erste Elf von Beginn an bringen - so sie denn einsatzfähig ist. Heißt, neben Miro Klose wird Lukas Podolski stürmen und nicht Mario Gomez. Im Mittelfeld übernimmt Clemens Fritz den Part von Borowski im rechten Mittelfeld.

Von den sechs vereinbarten Auswechslungen wird Löw nach der Pause auch fleißig Gebrauch machen. So fällt die Entscheidung über Großturnier oder Sommerurlaub für einige wenige in nur 45 Minuten.

Bis Mittwochmittag muss Löw sein Team namentlich bei der UEFA benennen. Erst dann beginnt das Unternehmen in Österreich und der Schweiz so richtig.

Carlos Alberto Parreira hatte seine 23 Spieler vor zwei Jahren übrigens schon lange vor dem Turnier zusammen. Genutzt hat es ihm nichts. Dafür war jedes einzelne Training spektakulär wie ein WM-Endspiel.

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