EM

Endlich wieder eine echte Equipe

Von Daniel Börlein
Frankreich gehört bei der EM 2012 zu den Geheimfavoriten auf den Titel
© spox
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Das Pressing: Anders als England oder die Niederlande attackiert Frankreich seine Gegner häufig schon früh in deren Hälfte. Nach Ballverlust wird meist auch sofort zum Gegenpressing angesetzt, so dass der Gegner kaum Zeit zum Verschnaufen hat.

Ohnehin liegt darin ein Hauptaugenmerk: Frankreich will es seinem Gegner zu keiner Zeit ermöglichen, Ruhe ins Spiel zu bringen, sich mit dem Ball einen Überblick für die Spielsituation zu verschaffen und anschließend einstudierte Automatismen ablaufen zu lassen. Deshalb gilt für die Equipe: Der ballführende Spieler soll möglichst schnell Druck bekommen, um zum Handeln gezwungen zu werden.

Selbst der gegnerische Torhüter wird deshalb häufig attackiert. Um diesen andauernden Druck aufrechterhalten zu können, gibt es in der Offensive Frankreichs auch nur selten wiederkehrende Anlaufmechanismen zu beobachten.

Es ist nicht das primäre Ziel der Blanc-Elf, den ballführenden Gegenspieler durch das Anlaufen gezielt in eine Position zu locken. Vielmehr geht es darum, dem Gegner keine Ruhephase zu gönnen, um ihn durch das Erzwingen einer Aktion zu einem Fehler zu verleiten.

Die Kettenreaktion: Durch das frühe Attackieren schafft es Frankreich häufig, den Gegner weit weg vom eigenen Tor zu halten. Wichtig dabei allerdings: Die Ablaufautomatismen im Spiel gegen den Ball müssen stimmen.

Heißt: Nur wenn das Defensivverhalten jedes einzelnen Spielers mit dem seines Neben-/Vordermannes harmoniert, funktioniert Frankreichs Defensivkonzept. Andernfalls drohen für den Gegner zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen große Räume zu entstehen.

In der Regel weiß Frankreich dies zu vermeiden. Sobald sich ein eigener Offensivspieler auf den Weg macht, dem ballführenden Gegner Druck zu geben, setzt beim Rest der Mannschaft eine Art Kettenreaktion ein.

In der Praxis sieht das dann so aus: Noch bevor der attackierte Gegner den Ball weiter passt, laufen weitere französische Spieler an, antizipieren die nächstmögliche Station des Balles und können den Gegner damit schon bei der Ballannahme stören.

Die durch das Pressing entstehenden Räume hinter der Offensivabteilung werden durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler und Abwehrspieler (bei Bedarf) geschlossen, wodurch schneller Zugriff möglich und eine Absicherung für den Fall vorhanden ist, dass der Gegner die erste Verteidigungslinie überspielt.

Durch die ständig ablaufenden Kettenreaktionen im Spiel gegen den Ball ist das französische Verteidigungsverhalten extrem ballorientiert, schließlich gilt: ein Spieler attackiert den ballführenden Gegner, ein bis drei weitere Akteure laufen den nächstmöglichen Passweg an und der Rest des Teams ist für die unmittelbare gegenseitige Absicherung zuständig.

Die Folge: Die Ketten (Abwehr, Mittelfeld etc.) stehen meist eng beieinander. Die ballferne Seite wird schneller und extremer als bei anderen Nationen vernachlässigt. Stattdessen schafft es die Equipe Tricolore so immer wieder, schnell Überzahl in Ballnähe zu erzeugen.

Teil 1: Prunkstück Defensive

Teil 3: Die Vorliebe für Tempo und Tiefe

Teil 4: Die Besonderheiten