EM

Endlich wieder eine echte Equipe

Von Daniel Börlein
Frankreich gehört bei der EM 2012 zu den Geheimfavoriten auf den Titel
© spox
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Die Besonderheiten: Von vielen Experten wird Frankreich auch wegen seiner außergewöhnlichen individuellen Fähigkeiten geschätzt. Allerdings hat es Blanc geschafft, dass jeder diese Individualität für den Erfolg des Kollektivs einsetzt. Die Folge: Längst kommt es in der Equipe Tricolore nicht mehr auf die Qualitäten eines einzelnen an.

Franck Ribery beispielsweise ist für Frankreichs Nationalmannschaft weitaus weniger prägend als für den FC Bayern. Häufig gibt es mehrere Angriffsaktionen Frankreichs, an denen der Bayern-Star nicht unmittelbar beteiligt ist.

Allerdings versucht Blanc, Ribery auch die eine oder andere Freiheit zu verschaffen. Während der französische Rechtsverteidiger immer wieder anläuft und die Außenlinie entlang marschiert, hält sich der linke auffallend zurück, um Ribery nicht den Platz für seine Dribblings zu nehmen und ihn immer wieder ins Eins-gegen-Eins zu bringen.

Ein Schlüssel für den Erfolg in der Offensive ist das Verhalten des Mittelstürmers. Zwar variieren Les Bleus je nach Spielsituation zwischen einem 4-2-3-1, 4-4-2 oder 4-3-3. In der Regel gibt es aber einen Angreifer, der den Mittelstürmer gibt. Allerdings: Ein klassischer Zentrumsstürmer, der vorne auf den Ball lauert, ist der keineswegs.

Stattdessen ist er immer in Bewegung, läuft im Spiel gegen den Ball viele Wege ab oder gibt den Impuls fürs Pressing. Und auch bei eigenem Ballbesitz rochiert er unaufhörlich. Ein Muster ist dabei zu erkennen: Erobert Frankreich den Ball, geht der Mittelstürmer aus genannten Gründen (siehe "Der Weg in die Tiefe") fast immer sofort in die Tiefe.

Kontrolliert Frankreich den Ball dagegen in den eigenen Reihen, bewegt er sich gerne parallel zur Viererkette und muss damit von den gegnerischen Abwehrspielern ständig übergeben werden. Erkennt der Mittelstürmer die Chance, angespielt werden zu können, geht er dem Ball entweder mit einem kurzen Antritt entgegen oder in die Gegenrichtung für den Steilpass.

Wichtig: Kommt der Ball in die Tiefe nicht, setzt der Mittelstürmer sofort die Gegenbewegung ein und bietet sich als Wandspieler an, während ein anderer französischer Spieler (Flügel, Zehner) mit Tempo dorthin in die Tiefe geht, wo der Mittelstürmer her kommt. So ist er für die mit Frankreichs Mittelstürmer herausrückende gegnerische Abwehrkette nur schwer zu kontrollieren.

Teil 1: Prunkstück Defensive

Teil 2: Das Pressing und die Kettenreaktion

Teil 3: Die Vorliebe für Tempo und Tiefe