"Ivan Rakitic muss sich austoben"

Von Interview: Haruka Gruber
Ivan Rakitic erzielte in den letzten vier Bundesliga-Spielen drei Tore
© Imago

Das Schweinsteiger-Modell: Schalkes Ivan Rakitic spielt plötzlich defensiver - und hat sich als Leistungsträger etabliert. Im Derby gegen Borussia Dortmund war er in ungewohnter Rolle als Sechser der Star des Spiels und erzielte das spektakuläre Siegtor. Sein Durchbruch? S04-Legende Olaf Thon ist nicht überzeugt. Vor dem Pokal-Halbfinale gegen den FC Bayern (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) erklärt er, warum.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Seit der Winterpause spielt Ivan Rakitic plötzlich wesentlich defensiver - und ist so zum Leistungsträger auf Schalke herangereift. War die Umstellung demnach erfolgreich?

Olaf Thon: Es ist viel zu früh, darüber abschließend zu urteilen. Ivan Rakitic hat schlichtweg noch nicht häufig genug auf den verschiedenen Positionen im Mittelfeld gespielt. Er ist auf einem guten Weg und ich drücke ihm die Daumen, dass es so weitergeht, aber ehrlich gesagt bin ich skeptisch, ob er es schafft.

SPOX: Warum?

Thon: Erst nächstes Jahr wird sich zeigen, ob er das Zeug zum endgültigen Durchbruch hat, wenn er in der Champions League gefordert ist und sich egal auf welcher Position als Stammspieler behaupten muss. Davon bin ich noch nicht hundertprozentig überzeugt, auch wenn er erst 22 Jahre alt ist und auch in der kroatischen Nationalmannschaft eine Menge lernen kann.

SPOX: Aber ist es nicht auffällig, dass er sich verbessert hat und womöglich prädestiniert ist für die Sechser-Position?

Thon: Es tat ihm sichtlich gut, im letzten halben Jahr mehr als zuvor gefordert worden zu sein. Statt nur zu versuchen, geniale Pässe zu spielen, muss er nun mehr denken und taktischer operieren. Dennoch sollte er versuchen, sich erstmal im offensiven Bereich auszutoben und sich dort einen Platz zu erkämpfen.

SPOX: Bastian Schweinsteiger ist vom Spielertyp vergleichbar mit Rakitic und scheint im defensiven Mittelfeld seine Position gefunden zu haben. Warum sollte Rakitic nicht den gleichen Schritt gehen?

Thon: Es sind sicherlich Parallelen vorhanden. Und der Trend geht dahin, dass spielstarke Mittelfeldspieler mit Raffinesse und Klugheit, die zwar taktisch und technisch hervorragend ausgebildet sind, aber nicht die Schnelligkeit haben, zurückgezogen werden. Bei Rakitic geht es mir jedoch zu schnell. Er ist erst 22 und damit knapp dreieinhalb Jahre jünger als Schweinsteiger. Er hat genug Zeit, um sich weiter in der Offensive auszuprobieren. Nach hinten kann er immer noch versetzt werden.

SPOX: Sprich: Rakitic soll trotz Konkurrenten wie Alexander Baumjohann weiter um die Rolle des Zehners kämpfen.

Thon: Ich bin angetan von Rakitic, weil er sich mittlerweile in der Offensive und Defensive gleichermaßen bemüht und flexibel einsetzbar ist. Das ist für das Schalker Spiel eine Voraussetzung. Es hat sich rentiert, dass Felix Magath ihm vertraut, obwohl von außen Stimmen laut wurden, dass man auf ihn verzichten könnte. Dennoch habe ich noch nicht den richtigen Rakitic gesehen, der einem Spiel seinen Stempel aufdrückt. Dazu fehlen ihm die Tore und Assists, auch wenn es zuletzt ganz gut geklappt hat.

SPOX: Mal wird Rakitic eher offensiv, mal eher defensiv aufgestellt. Sie selbst wurden im Laufe der Karriere von einem Spielmacher zu einem Libero umfunktioniert. Muss die Trainingsplanung angepasst werden, sollte sich Rakitic mittelfristig auf der Sechser-Position sehen?

Thon: Sicherlich ist es eine Herausforderung, weil je nach Ausrichtung andere Erfordernisse gegeben sind. Als Nummer zehn benötigt man vor allem Antrittsschnelligkeit, um sich so schnell wie möglich vom Gegenspieler zu lösen. Im defensiven Mittelfeld hingegen geht es mehr um die Grundlagenausdauer, weil die meisten Laufstrecken länger sind, dafür aber nur mit 60 bis 70 Prozent Kraft zurückgelegt werden müssen. Ideal ist es, wenn beide Fasertypen trainiert werden können, aber das ist nicht einfach. Daher gibt auf Dauer die Position die Art des Trainings vor.

SPOX: Mit Rakitic, Peer Kluge, Joel Matip, Christoph Moritz, Lukas Schmitz und Heiko Westermann verfügt Schalke über verschiedene Mittelfeldtypen für die Halbpositionen und die Sechs. Könnte sich die Variabilität als taktischer Trumpf gegen die Bayern erweisen?

Thon: Das ist mir zu viel Theorie. Natürlich ist es nicht schlecht, viele Optionen zu haben, entscheidend wird jedoch sein, wie die Mannschaft insgesamt steht. Schalkes Philosophie definiert sich primär über die Defensive, ähnlich zurückhaltend werden wohl auch die Bayern beginnen. Daher geht es darum, den Gegner zu Fehlern zu verleiten, das zentrale Mittelfeld der Bayern mit Schweinsteiger und Mark van Bommel aus der Defensive zu locken und dann über Kevin Kuranyi und Jefferson Farfan schnell zu kontern.

SPOX: Angesichts der Erfolge gerät Jermaine Jones fast in Vergessenheit. Hat er nach seiner langen Verletzungspause noch eine Zukunft auf Schalke?

Thon: Ich weiß nicht, wie es ihm geht. Momentan ist er auf jeden Fall kein Thema - was schade ist, weil er zu herausragenden Leistungen fähig war. Ich hoffe, dass er sich zurückkämpft und so der Konkurrenzkampf noch einmal angeheizt wird. Davon wird jeder profitieren, auch ein Ivan Rakitic.

Nerlinger kritisiert S04: "Kann nicht Ziel dieses Sports sein"