Genugtuung für Mr. Unantastbar

Von Daniel Reimann
Stefan Kießling war beim 4:0 gegen Schachtjor Donezk bester Mann bei Leverkusen
© getty

Stefan Kießling lieferte mit einem Gala-Auftritt beim 4:0 gegen Schachtjor Donezk die Antwort auf die zuletzt ausufernde Kritik an seiner Person. Trotz DFB-Stürmer-Debatte, Fairplay-Kontroversen und persönlichen Anfeindungen bleibt der Leverkusener besonnen - und spielt die Saison seines Lebens.

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Keine wütenden Gesten, keine polemisches Gebärdenspiel, nicht einmal vielsagende Mimik. Zu sehen war reine Freude. Doch es bedarf keiner Hellseherei, um sich vorstellen zu können, welch unvergleichliche Genugtuung Stefan Kießling im Moment seines ersten Tores gegen Schachtjor Donezk heimgesucht haben muss.

Nachdem er schon seit Monaten immer wieder im Zentrum diverser DFB- und Stürmer-Debatten stand, wurde es beim Thema Kießling in den vergangen Tagen besonders laut. Nach dem Phantomtor gegen Hoffenheim wurde ihm von mancher Seite jegliches Gespür für Fairplay abgesprochen - und das teilweise selbst auf höchst unfaire Art und Weise.

Auch diverse Sportprominente schlossen sich dem Aufschrei an, von Mario Basler ("Kießling sollte sich schämen") bis Ralf Rangnick ("Chance auf Fairplay vertan"). Noch gravierender waren die Vorwürfe in den sozialen Netzwerken. Dort wurde Kießling unmittelbar angefeindet und aufs Übelste beschimpft - Distanz und Anonymität des Internets machen es möglich.

"Die perfekte Antwort auf die Diskussionen"

Für derartige Meinungen war gestern kein Platz mehr. Nicht eine einzige negative Stimme war über Kießling zu hören. Mit einem Spiel hatte der Bayer-Stürmer seine Kritiker verstummen lassen - zumindest vorübergehend. Er selbst hatte in den vergangenen Tagen trotz der ausufernden Angriffe nie überreagiert, plädierte für einen "fairen Austausch" auf seiner Facebook-Seite und bat höflich um Respekt.

Die eigentliche Retourkutsche lieferte er - einmal mehr - auf dem Platz. "Das war die perfekte Antwort von Kieß auf die Diskussionen der letzten Tage", freute sich sein Teamkollege Simon Rolfes nach dem Spiel für Kießling.

Auch Sportchef Rudi Völler schloss sich dem Lob seines Kapitäns an: "Ich habe mich unwahrscheinlich für Stefan Kießling gefreut. Was auf ihn in den letzten Tagen eingeprasselt ist, war schon sehr heftig. Da muss man schon hart sein, um das wegzustecken."

Kießling steckt alles weg

Kießling steckte es weg, als wäre er komplett unantastbar. Er spielte sein typisches Spiel, als hätte es die polemische Kontroverse um seine Person nicht gegeben. Er arbeitete, lauerte und war im richtigen Moment zur Stelle.

Wie beim 1:0, als er sich geschickt fallen ließ, um dann mit perfektem Laufweg der Flanke entgegenzugehen und mit Wucht und optimalem Timing die Kugel aus elf Metern im linken Eck zu versenken.

"Ich habe genau hingeschaut, ob er auch richtig drin war", witzelte Völler hinterher. Grund zu lachen gab es ausreichend, schließlich war das 1:0 noch lange nicht das Ende. Es war der Anfang einer Galavorstellung von Stefan Kießling. An jedem Tor war er beteiligt. Er holte den Elfer zum 2:0 raus, leitete das 3:0 per Kopf ein und besorgte die Krönung zum 4:0 selbst. Als wäre nichts gewesen.

Bester Saisonstart als Profi

Was gestern seinen Höhepunkt fand, zieht sich bereits wie ein roter Faden durch die gesamte Saison. Es wird über ihn diskutiert, er wird infrage gestellt und neuerdings auch beschimpft. Doch Kießling blieb stets besonnen.

Statt großer Rhetorik lässt er den Fußballer Kießling sprechen - und liefert kontinuierlich ab. Nach neun Spieltagen steht der 29-Jährige bei zehn Pflichtspieltoren. Einen besseren Saisonstart erlebte Stefan Kießling als Profi noch nie.

Er selbst wollte seine Leistung nach dem Spiel nicht mehr unterstreichen. Die Lobhudeleien übernahmen andere. Auch ein verbaler Gegenschlag in Richtung seiner Kritiker blieb aus. Kießling schwieg. Er hatte seine Antwort bereits auf dem Platz gegeben.

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