Der Bremer Weg ins Nirgendwo

Von Für SPOX in Bremen: Stefan Rommel
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© Getty

Werder Bremen steht bereits nach vier Spielen in der Gruppenphase der Champions League vor dem Aus. Nach dem 0:3-Desaster im Heimspiel gegen Panathinaikos Athen muss Werder nicht nur um den Einzug ins Achtelfinale zittern - sondern sogar um Platz drei in Gruppe B und die damit verbundene Qualifikation für den UEFA-Cup. Eine Bestandsaufnahme.

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Am Ende war das große Schweigen. Klaus Allofs schaute gedankenleer in die Ferne, es wollten ihm keine weiteren Worte mehr einfallen.

Allofs lässt Dampf ab

Der Bremer Sportdirektor hatte zuvor schon sehr viel gesagt, fast schon zu viel für einen Vereinsoffiziellen nach einem Spiel in der Mixed Zone, wo für gewöhnlich nur inhaltsleere Phrasen gedroschen und artig Komplimente verteilt werden.

Diesmal aber konnte Allofs nicht still halten. Nicht nach solch einem Debakel. Aber nicht das Ergebnis stand dabei im Kreuzfeuer seiner profunden Kritik, sondern die Art und Weise, wie seine Mannschaft sich von soliden Griechen hatte abkochen lassen.

Selten hatte ein schnödes 0:3 so viele Geschichten zu erzählen und förderte so viele Erkenntnisse ans Tageslicht, die die Werder-Granden zwar insgeheim schon wussten, bisher aber nie öffentlich zugeben wollten.

Bremer Siege als Ausnahmen

Am Wochenende schien die Trendwende nach dem 5:1-Sieg gegen Hertha BSC schon geschafft. Jetzt aber wieder der Rückfall, die nächste Ausnahme. Bisher jedenfalls gehörte es zum Bremer Selbstverständnis, dass es sich bei Niederlagen um Ausrutscher handele.

Im November 2008 ist aber eher anzunehmen, dass der Kantersieg gegen unterirdische Berliner als Ausrutscher nach oben einzustufen ist. Und dass ernüchternde Ergebnisse viel eher an der Tagesordnung sind.

Auch Allofs musste das einsehen und es tat ihm weh. "Ich habe schon einige Spiele gesehen, in denen wir uns schwer getan haben, aber ich kann mich an keins erinnern, dass wir so ohne Gegenwehr, ohne Mumm beendet haben. Das ist das Schlimmste, was man einem Sportler vorwerfen kann, aber über so etwas müssen wir heute reden."

Manndeckung gegen Diego zerstört Bremens Spiel

Der Bremer Weg, in den letzten Jahren so etwas wie ein Gütesiegel für attraktiven und vor allem auch erfolgreichen Fußball - er führt momentan ins Nirgendwo. Und unterwegs verliert die Mannschaft Stück für Stück ihrer eigenen Identität.

Vom verzückenden Offensivfußball ist nicht mehr viel übrig geblieben. Das 4-4-2-System mit der Raute im Mittelfeld nutzt sich langsam ab. Bremen wird immer berechenbarer, aus den unterschiedlichsten Gründen.

Gegen Panathinaikos reichte den Gästen eine verstärkte Mitte und ein Sonderbewacher für Spielmacher Diego, um das Bremer Angriffsspiel locker lahm zu legen.

Ein Manndecker im 21. Jahrhundert, installiert von einem holländischen Trainer, Henk ten Cate - eigentlich ein Treppenwitz. Für Werder Bremen aber ein unüberwindbares Hindernis.

Die Außenverteidiger, egal wie sie heißen, genügen dem System mit der Raute nicht. Die Mittelfeldspieler müssen das Offensivspiel zumeist selbst gestalten und sind so gegen die Vormacht des Gegners im Raum um die Mittellinie permanent in Unterzahl.

Nicht eine einzige zwingende Torchance erspielten sich die Gastgeber. Wann hatte es so etwas zuletzt im Weserstadion gegeben? Die Mannschaft ist de facto viel zu abhängig von ihrem Regisseur und der bricht unter der Last förmlich zusammen.

Baumann: "Ich bin kein Psychologe"

Gegen die cleveren Griechen fehlten Werder aber nicht nur die Ideen seines begnadetsten Kickers. Es fehlte vor allem die essentiellste Zutat, die der Mannschaftssport zu bieten hat: Der Teamgeist.

"Ich dachte nach dem Hertha-Spiel, dass wir auf einem guten Weg sind, aber vielleicht kenne ich das Team nicht gut genug. Das war wieder ein deutlicher Rückschritt", nuschelte Frank Baumann in die Mikrophone- eine Erklärung dafür konnte oder wollte der Kapitän aber nicht abgeben.

"Warum das passiert ist, weiß ich nicht, ich bin kein Psychologe. Es bringt auch nichts, dass wir jetzt damit anfangen, jeder auf jeden zu schauen. Jeder muss sich selbst hinterfragen und sich voll einbringen. Die Qualität ist bei jedem Einzelnen da, aber die Qualität als Mannschaft ist eben noch etwas anderes."

Unterstützung bekam er dabei - anders als noch auf dem Platz - von Per Mertesacker: "Das war keine geschlossene Mannschaftsleistung. Man hat teilweise nicht gemerkt, dass dort eine Mannschaft zusammenspielt."

Sogar der Gruppensieg ist noch drin

Im Gegenteil dazu hat man aber sehr deutlich gemerkt, dass dieser Mannschaft in kritischen Phasen ein Kopf - Ottmar Hitzfeld würde sagen: Ein Leader - fehlt. Fast schon teilnahmslos nahm das Team die Gegentore hin und überstand eine der wichtigsten Partien des Jahres ohne eine einzige Gelbe Karte.

Allerdings wäre es jetzt töricht, alle Fehler der letzten Instanz, der Mannschaft, anzuheften. Auch die Vereinsführung und Trainer Thomas Schaaf müssen ihre Haltung und Denkweise überarbeiten, womöglich modifizieren und den neuen Gegebenheiten anpassen.

Denn noch ist es nicht zu spät. Und, so paradox es nach vier Spielen ohne Sieg in der Königsklasse auch klingen mag, der Einzug ins Achtelfinale immer noch möglich. Mit zwei Siegen aus den letzten beiden Spielen (bei Anorthosis Famagusta und gegen Inter Mailand) stünde Bremen sicher im Achtelfinale.

So recht daran glauben mag im Moment wohl niemand. Aber manchmal ist Fußball sehr einfach. Per Mertesacker hat schon ein einfaches Rezept parat. "Wir müssen uns jetzt aufraffen und zusammenstehen." Aber manchmal ist das Einfache auch das Beste.

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