Andreas Beck: "Wir brauchen keinen Abstieg"

Von Interview: Fatih Demireli
Andreas Beck (M.) ist im vierten Jahr Kapitän bei 1899 Hoffenheim
© getty

Andreas Beck war schon mit dabei, als 1899 Hoffenheim die Bundesliga im Sturm eroberte. Der Kapitän der Sinsheimer macht sich Sorgen um seinen Klub und übt Kritik an der Vorangehensweise der letzten Jahre. Die Hoffnung hat er vor dem Abstiegs-Endspiel gegen Greuther Fürth (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER) nicht aufgegeben.

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SPOX: Andreas Beck, wann haben Sie eigentlich zuletzt ein Fußballspiel so richtig genießen können?

Andreas Beck: Generell genieße ich jedes Bundesliga-Spiel, das ich bestreiten darf, weil es etwas Besonderes ist, in dieser Liga zu spielen. Auch wenn es zuletzt zugegeben schwer fällt. Besonders genießbar wird es, wenn man gewinnt, wie wir zuletzt gegen Freiburg.

SPOX: Können Sie Fußball im TV genießen, wenn es im Verein nicht sonderlich gut läuft?

Beck: Ich schaue allgemein sehr gerne Sport im Fernsehen. In der Champions League waren jetzt ein paar Leckerbissen dabei: Dortmunds Spiel gegen Donezk oder Manchester United gegen Real Madrid.

SPOX: Kann Abstiegskampf auch genießbar sein oder ist es nur Druck und Kampf?

Beck: Da bin ich zwiegespalten. Druck, Kampf - diese Elemente sind natürlich da, aber man muss die Aufgaben trotzdem angehen und annehmen. Es ist wichtig, Spielfreude zu entwickeln und nicht zu verkrampfen.

SPOX: Können Sie diese Verkrampfung in der aktuellen Situation verhindern?

Beck: Wir haben es zu Beginn der Rückrunde gut gemacht. Da waren wir auch mit dem Rücken zur Wand, haben die ersten drei Spiele gut gestaltet, aber dann hat es sich in den letzten Spielen wieder in die falsche Richtung entwickelt. Das Bayern-Spiel war aber ein Schritt in die richtige Richtung.

SPOX: Sie haben verloren.

Beck: Ja, aber jeder hat erwartet, dass die Bayern uns abschlachten. Das war nicht Fall! Wir haben eine Reaktion gezeigt, hatten Möglichkeiten und die Chance zu punkten. Das muss der Mannschaft Mut geben.

SPOX: Am Wochenende spielen Sie gegen Greuther Fürth. Gehen Sie mit der Gewissheit in die Partie, dass es die letzte Chance sein könnte?

Beck: Es wird natürlich ein vorentscheidendes Spiel, ein direktes Duell gegen einen Konkurrenten im Tabellenkeller, aber die letzte Chance ist es nicht. Der Gewinner hat punktemäßig, aber auch von der Moral her einen Vorsprung. Wir brauchen dringend Punkte, weil die Augsburger derzeit sehr gut spielen und regelmäßig Punkte holen.

SPOX: Fürths Kapitän Mergim Mavraj sagt, dass Hoffenheim mehr zu verlieren hat. Was steht denn alles auf dem Spiel?

Beck: Mir ist es egal, was ein Spieler des Gegners sagt. Es geht um uns, es ist Abstiegskampf und wir müssen alles aus uns herausholen, um die drei Punkte zu holen. Das wird mit Sicherheit kein schönes Spiel, aber ich freue mich drauf, weil wir viel gut machen können.

SPOX: Sie sagen: "Wir müssen alles aus uns herausholen." Aber Andreas Müller bemängelte zuletzt die Einstellung der Spieler. Hat die Mannschaft nicht verstanden, um was es geht?

Beck: Was bedenklich ist, dass mit dem ersten Rückschlag alles zusammenfällt. Das zeigt, dass wir kein stabiles Gerüst in der Mannschaft haben: zumindest nicht in den letzten Wochen. Wir sind auf einem Abstiegsplatz mit fünf Punkten Rückstand und wer nicht begriffen hat, um was es geht, ist hier falsch in der Mannschaft.

SPOX: Also hat Andreas Müller Recht?

Beck: Was den Manager zu den Aussagen veranlasst hat, war vor allem das Spiel gegen Augsburg. Da haben wir nicht den Kampf angenommen, nicht die Tugenden gezeigt, die im Abstiegskampf von Nöten sind. Wir dürfen nicht nur Siege richtig verarbeiten, sondern auch Niederlagen.

SPOX: Trainer Marco Kurz hat Erfahrung im Abstiegskampf, mehr als große Teile der Mannschaft. Hilft das, um den Abstiegskampf in das Bewusstsein zu impfen?

Beck: Der Trainer ist intensiv damit beschäftigt, die Mannschaft richtig einzustellen auf den Abstiegskampf, aber auch mal, um die Wogen zu glätten. Für ihn war die Ausgangslage von Anfang an klar, dass es bis zum letzten Tag um den Nicht-Abstieg geht, vielleicht auch mit der Verlängerung in die Relegation. Das ist ein harter Job - auch für den Trainer.

SPOX: Marco Kurz ist Ihr sechster Trainer in Hoffenheim, die sechste Philosophie, weil fast alle extrem unterschiedliche Trainertypen waren. Fällt es Ihnen schwer, sich jedes Mal neu einzustellen?

Beck: Es hat ja seine Gründe, weshalb die Trainer ständig gewechselt werden. Da ist die hohe Erwartungshaltung, die man in Hoffenheim lange Zeit ganz bewusst gehegt und gepflegt hat. Es ist schwierig, dass eine Entwicklung stattfindet, wenn der Trainer immer gewechselt wird und keine Spielkultur entstehen kann, weil jeder Trainer seine eigene Philosophie und eigene Spieler mitbringt. Deswegen sind wir in den letzten Jahren nicht gewachsen. Im Gegenteil.

SPOX: Am 12. Dezember 2008 wurde 1899 Hoffenheim Bundesliga-Herbstmeister. Seitdem ging es nicht kontinuierlich aufwärts, sondern kontinuierlich abwärts. Können wir festhalten, dass die fehlende Konstanz der Grund dafür ist?

Beck: Nach der ersten Saison noch weiter nach oben zu kommen, wäre zwangsläufig das internationale Geschäft gewesen. Das haben wir leider nicht geschafft. Daraus resultierend gab es viele Trainerwechsel. Die Fluktuation auf den Schlüsselpositionen war schon enorm, auch auf dem Managerposten. Und auch die Mannschaft wurde ständig verändert: Ich hatte unfassbar viele neue Mitspieler in den letzten Jahren. Es hat auch der Mannschaft nicht geholfen, immer hohen Erwartungen hinterher rennen zu müssen. Alle Maßnahmen wurden getroffen, mit der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird.

SPOX: Kann es denn besser werden?

Beck: Das etwas passieren muss, ist klar. Mein Kernproblem besteht derzeit einzig und alleine darin, in den letzten zehn Spielen den Klassenerhalt zu schaffen. Klar ist, dass man sich danach mit dem Thema Neuanfang beschäftigen muss.

SPOX: Ralf Rangnick, Schöpfer der einstigen Hoffenheimer Erfolgsgeschichte, sagt: "Der Abstieg ist eine Chance für Hoffenheim", damit der Klub zu den Wurzeln zurückkehren könne. Hat er Recht?

Beck: Von außen betrachtet mag es eine Chance sein, aber wir stecken mittendrin im Geschehen und stehen in der Verantwortung, Hoffenheim in der Bundesliga zu halten. Auch in der 1. Liga kann man einen Neuanfang starten und sich neu ausrichten. Dafür brauchen wir keinen Abstieg.

SPOX: Leidet Ihre eigene Entwicklung auch unter der Situation des Klubs?

Beck: Definitiv. Meine persönliche Entwicklung ging mit der des Vereins steil nach oben. Dadurch konnte auch meine persönliche Leistung in den Vordergrund gestellt werden: Es kamen die Länderspiele dazu, die U-21-Europameisterschaft. Wenn es schlecht läuft, ist man mit im Sog. Ich bin mit einer kurzen Ausnahme seit vier Jahren Kapitän. Ich habe menschlich und charakterlich Fortschritte gemacht, habe viele Erfahrungen gesammelt, wobei ich auf einige von ihnen gerne verzichtet hätte.

SPOX: Verknüpfen Sie Ihre eigene Zukunft die Liga-Zugehörigkeit. Ganz konkret: Sind Sie weg, wenn Hoffenheim absteigt?

Beck: Das werde ich derzeit oft gefragt. Ich habe nach der Saison noch ein Jahr Vertrag und mache mir keine Gedanken über die 2. Liga. Ich bin immer noch überzeugt, dass wir es packen können. Derzeit gilt meine ganze Energie nur dem Klassenerhalt.

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