"Die letzte Chance zum Überleben"

Von Interview: Haruka Gruber
Der Fürther Innenverteidiger verpasste erst eine Begegnung diese Saison
© imago

Ausgerechnet der unbekannteste Bundesliga-Trainer schenkt Fürth neue Hoffnung. Kapitän Mergim Mavraj (26) über das Abstiegs-Showdown gegen Hoffenheim (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER), Nobody Ludwig Preis und Franz Beckenbauers Empfehlung, Lothar Matthäus einzustellen.

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SPOX: Am Samstag empfängt Fürth als Tabellenletzter den Tabellenvorletzten Hoffenheim. Ist es tatsächlich das von den Medien proklamierte "Endspiel um den Klassenerhalt"?

Mergim Mavraj: Definitiv. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Spiele, die sehr, sehr wichtig waren. So wie am letzten Hinrunden-Spieltag gegen Augsburg. Aber das Spiel gegen Hoffenheim ist ein echtes Endspiel. Wir müssen es gewinnen, um die kleine Chance zu wahren, Augsburg doch vom Relegationsplatz zu verdrängen. Uns muss bewusst sein: Es geht nicht darum, schön zu spielen! Es geht nicht darum, sich taktische Raffinessen auszudenken! Es ist egal, was war. Und es ist egal, was kommt. Wir müssen den Überlebens-Instinkt in uns wecken. Wir dürfen uns bloß nicht vormachen: Das Hoffenheim-Spiel ist eine der letzten, wenn nicht die letzte Chance zum Überleben.

SPOX: Nach Mike Büskens' Entlassung übernahm der unbekannte Ludwig Preis, zuvor für die zweite Mannschaft zuständig, das Amt des Cheftrainers. Seitdem gab es immerhin zwei Unentschieden aus zwei Partien. Was hat sich verändert?

Mavraj: Es ist ein Ruck durch die Mannschaft und das gesamte Umfeld gegangen. Ludwig Preis kam aus der Versenkung und keiner von uns kannte ihn so wirklich. Dennoch hinterließ er vom ersten Tag an einen durchgängig guten Eindruck. Nicht nur bei mir und den Mitspielern, sondern auch bei den Fans. Sie honorierten nach dem 0:0 in Leverkusen unsere Leistung. Mit der gleichen Leistung unter Mike Büskens hätte es womöglich andere Reaktionen gegeben.

SPOX: Preis trainierte noch vor drei Jahren in der Bezirksoberliga den Baiersdorfer SV. Wie bewerten Sie seine Arbeit?

Mavraj: Er stellt uns taktisch sehr gut ein und gibt uns vor einem Spiel Werkzeuge in die Hand, so dass wir wissen, wie wir dem Gegner wehtun können. Außerdem ist er charakterlich ein sehr feiner Kerl, der Mike Büskens in nichts nachsteht. Herr Preis macht das Arbeiten unter ihm sehr einfach.

SPOX: Den neuen Trainer besonders zu loben, kann als indirekte Kritik am Vorgänger interpretiert werden.

Mavraj: Das wäre aber falsch! Es ist nicht fair, zwei Trainer miteinander zu vergleichen. Herr Preis hat genau die Impulse gesetzt, die sich der Verein erhofft hatte. Jedoch können Trainerwechsel grundsätzlich einen solchen Impuls bewirken, ohne dass man es personalisieren muss. Wir hatten unter Mike Büskens eine tolle Zeit und wir können ihm alle nur danken.

SPOX: Was allerdings besonders auffällt: Anders als Büskens setzt Preis vielmehr auf die Talente. Plötzlich stehen mit Felix Klaus, Johannes Geis und Thomas Pledl plötzlich drei Spieler unter 21 Jahren in der Startelf und überzeugen.

Mavraj: Es ist offensichtlich, dass der extreme Verjüngungskurs der Mannschaft gut bekommt. Die jungen Spieler blühen auf, sind wieder lockerer und beherzter. Die Jungs erinnern mich wieder an die Aufstiegssaison: Da hatten sie keine Sorgen und wollten nur Fußball spielen. Nur: In der Bundesliga wurde der Rucksack immer schwerer und schwerer und sie verloren an Dynamik und Unbekümmertheit. Umso mehr freut es mich, wie sie sich durchgekämpft haben. Johannes Geis war zwischendurch nur noch bei den Amateuren, Thomas Pledl war ebenfalls komplett weg und lange Zeit nicht mal mehr im Kader. Dennoch trotzten sie dem Gegenwind und blieben hartnäckig dran. Jetzt bekommen sie ihre Chancen, sind nicht vorbelastet und konzentrieren sich auf den Fußball. Und das spornt wiederum die älteren Spieler an, ebenfalls mehr zu machen, weil die Talente Druck ausüben. Das merkt man in jedem Training.

SPOX: Warum verzichtete Büskens auf die Talente?

Mavraj: Man muss ehrlich sein und sagen, dass sich die Jungs nicht immer aufgedrängt haben. Wenn man die Berichterstattung verfolgt hatte, ging es unter Mike Büskens in jedem Spiel um alles oder nichts und so wurde Druck von außen aufgebaut, mit dem man ohne Erfahrung nur schwer zurechtkommt. Jetzt schreiben uns alle Experten komplett ab - was den Vorteil mit sich bringt, dass es sich leichter Fußball spielen lässt. Man kann nicht alles auf den Trainer schieben.

SPOX: Wie erklären Sie sich dann den Leistungsabfall im Vergleich zur Vorsaison? Fürth wurde Zweitliga-Meister, erreichte sensationell das Pokal-Halbfinale und zeigte sich bei der knappen Niederlage gegen Dortmund ebenbürtig.

Mavraj: Es spielen zwei Faktoren rein. Erstens: Spätestens nach dem Dortmund-Spiel wussten alle Bundesligisten, dass sie uns nicht locker schlagen können. So hatten wir den Überraschungseffekt nicht mehr auf unserer Seite. Zweitens: Wir hängten die Messlatte sehr hoch und viele sahen in uns ein potenzielles Sensationsteam.So viel Gerede macht die Beine schwerer und den Kopf immer voller. Trotzdem wehre ich mich dagegen, unsere Leistungen in dieser Saison schlechtzureden. Wir hatten Begegnungen dabei, in denen wir annährend so gut waren wie bei den Pokal-Erfolgen in Nürnberg und in Hoffenheim.

SPOX: Wie beim 2:1 auf Schalke.

Mavraj: Uns wurde vorgeworfen, dass wir ratlos wären oder kein fußballerisches Konzept hätten. Klar, es ist eine schwere Saison. Aber: Wir sind nicht so schlecht, wie uns einige machen wollen. Wir waren in vielen Spielen ebenbürtig und zeigten, dass wir eine Mannschaft mit Charakter sind und voll hinter Mike Büskens standen. Wenn wir keine Chancen herausspielen würden, könnte man einiges in Frage stellen. Allerdings hatten wir Chancen, die wir nur nicht verwandeln konnten. Gefühlt brauchen wir zehn Großchancen für ein Tor. Was hätte Mike Büskens tun sollen? Irgendwann muss man sich die Frage nach der Qualität stellen. Und sich bewusst machen, dass man eine Straßenbahn nicht mit einem Formel-1-Boliden vergleichen kann. Wir sind nicht so gut besetzt, dass wir Spieler haben, die aus einer Chance ein Tor machen.

Seite 2: Mavraj über Personalpolitik, seine Zukunft und Lothar Matthäus

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