Rückschritt für den Fortschritt

Von SPOX
Jörg Schmadtke (l.) und Mirko Slomka peilen mit Hannover 96 das internationale Geschäft an
© Getty

Hannovers Reifeprozess geriet in der Vorrunde ein wenig ins Stocken. Sportdirektor Jörg Schmadtke reagierte auf die Verletztenmisere mit schnellem Handeln auf dem Transfermarkt. Trainer Mirko Slomka arbeitete im Trainingslager an einigen grundlegenden Dingen. Greifen die Maßnahmen, sieht sich 96 wieder auf Kurs Europapokal-Teilnahme.

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Eigentlich hatte Hannover 96 den sauberen Schnitt schon vollzogen. Den schlechten Nachrichten, mit denen das letzte Jahr besonders in den Wochen im November und Dezember, geendet hatte, ging langsam die Puste aus.

Verstärkungen in kurzer Folge

Das fing schon vor Weihnachten an, als Mirko Slomka nach einer ausdauernden Debatte doch seinen Vertrag als Trainer bei den Roten verlängerte. Und das fand nach Silvester seine Fortsetzung, als sich Hannover mit Johan Djourou (Leihe), Andre Hoffmann und Franca binnen weniger Tage grundlegend verstärkte.

Es waren einmal mehr die Tage von Sportdirektor Jörg Schmadtke, der dank akkurater Planung innerhalb von kürzester Zeit vier hoffnungsvolle und entwicklungsfähige Spieler für 96 gewinnen konnte und damit einigen seiner Kollegen aus der Liga einen Schritt voraus war.

"Fakt ist, dass wir mit Leon Andreasen, Felipe und Lars Stindl drei Langzeitverletzte haben, die alle operiert wurden. Wir brauchten also für unsere Aufgaben in der Bundesliga und der Europa League guten Ersatz. Insofern sind die Transfers eine Reaktion auf die nicht vorhersehbaren Verletzungen", erklärte Schmadtke SPOX seine Beweggründe für die Transfers.

Ärger um Wszolek-Transfer

Dass die Vorbereitung auf den Rückrundenstart am Freitag beim FC Schalke 04 (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) aber dennoch von ein paar Misstönen gestört wurde, lag am langwierigen und letztlich doch erfolglosen Hickhack um einen 20-jährigen Polen.

Mit Pawel Wszolek war sich Schmadtke einig, reiste dafür extra noch einmal nach Polen. Und musste dann am vergangenen Mittwoch doch wiederum vergeblich auf Wszolek warten. Der ließ auch die zweite anberaumte sportärztliche Untersuchung verstreichen.

Hannover sieht nun von einer Verpflichtung ab und hat stattdessen einen Anwalt eingeschaltet. "Das Verhalten des Spielers ist nicht seriös und inakzeptabel", war Schmadtke am Mittwoch sichtlich angefressen. "Wir werden den Vorgang einem Anwalt übergeben und rechtliche Schritte prüfen."

Blog: Pawel Wszolek - der Wackelpole

Das Laufverhalten trainiert

Aus sportlicher Sicht verlief die Winterpause aber nahezu optimal. Die Vorrunde lieferte Slomka ungewollt einige Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung seiner Mannschaft. Besonders in den letzten Wochen vor der Unterbrechung verlor das 96-Spiel seine Struktur. Aus den letzten zehn Pflichtspielen gab es lediglich drei Siege, aber fünf zum Teil saftige Niederlagen.

Ein großer Punkt war dabei das Laufverhalten der Mannschaft. Besonders im Mittelfeld ließen sowohl die Quantität, besonders aber die Qualität der Laufleistung zu wünschen übrig. Unter den neuen Fitnesstrainern Heiko Sander und Kai Timm waren die Niedersachsen bei den statistischen Laufdaten ins untere Drittel der Liga abgerutscht.

Hannover musste einfach mehr machen, also verordnete Slomka seiner Truppe in den Tagen von Portugal ein satteres Programm im körperlichen Bereich auf. Offenbar mit Erfolg. "Was die Kilometeranzahl angeht, haben wir richtig geschrubbt", sagte er danach zufrieden.

Schmadtke: "Mannschaft im Reifeprozess"

Auf dem Weg zu einem verfeinerten Spielstil musste der Trainer erstmals nach langer Zeit wieder intensiver an der Basis nacharbeiten.

"Wir wollen mit dem Trainer und der Mannschaft unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen und auch künftig für Fußball stehen, der unsere Fans begeistert. Dass sich das Gesicht der Mannschaft dabei verändern wird, liegt auf der Hand. Es wird eine besondere Aufgabe sein, dies harmonisch hinzubekommen", so Schmadtke weiter.

"Die Mannschaft absolviert gerade einen Reifeprozess. Wir hatten bislang kaum Probleme mit schweren Verletzungen, jetzt hat es in der Hinrunde gleich mehrere Spieler getroffen, die länger ausfallen. Ich bin zuversichtlich, dass wir ähnlich erfolgreich spielen wie zuletzt, um eine Chance auf ein internationales Ticket zu haben. Dauerhaft sehe ich uns unter den Top 10 der Bundesliga."

Nachbessern im taktischen Bereich

Um an diese Vorgaben anzuknüpfen, ließ Slomka auch ein aggressiveres Verteidigen einstudieren. Gelenkt von Djourou, der sich im Trainingslager in der Rolle des Abwehrchefs sichtlich wohlfühlte, verschob die Viererkette bei eigenem Ballbesitz und nach der Spieleröffnung schneller und weiter nach vorne.

Durch diese eng gestaffelte Absicherung sollen in Zukunft die beiden zentralen Mittelfeldspieler bei einem möglichen Ballverlust wieder früher stören können und den Druck so auf den Gegner in dessen eigener Hälfte erhöhen. Eigentlich das ABC des Pressings - das in Hannover in Teilen der Vorrunde aber verlernt wurde.

Djourou als Abwehrchef wohl gesetzt

"Es war ein außerordentlich positives Trainingslager. Die Mannschaft war extrem fleißig und hat ohne Murren mitgemacht", zeigte sich Slomka zufrieden. An Alternativen sollte es dem Coach auf seinen Problempositionen trotz des geplatzten Wszolek-Deals nicht mehr mangeln.

Djourou gilt in der Abwehrkette als gesetzt, neben ihm hat Mario Eggimann trotz einiger verpasster Trainingseinheiten zuletzt die Nase vorn. "Dass Johan jemand ist, der uns auf Anhieb weiterhelfen kann, das hat man sofort gesehen", hat Jan Schlaudraff Djourous Vorzüge schnell erkannt.

Hoffmann, der als eines der größten Talente der zweiten Liga galt, hat im Trainingslager seine Tauglichkeit im defensiven Mittelfeld unter Beweis gestellt und macht Manuel Schmiedebach richtig Dampf. Allerdings benötigt Hoffmann unter Umständen noch ein paar Spiele Zeit, um sich an das deutlich höhere Tempo in der Bundesliga zu gewöhnen.

Auswärtsschwäche ein Knackpunkt

Das scheint Franca bereits mitzubringen. Der Brasilianer überzeugte in den wenigen Tagen seit seiner Unterschrift in Hannover rundum. Dem 21-Jährigen werden hervorragende Anlagen und eine nicht minder rosige Zukunft attestiert.

Auch Franca ist ein Kandidat für das zentrale Mittelfeld, wo weder Schmiedebach noch Sergio da Silva Pinto bisher an ihre Leistungen aus der Vorsaison anknüpfen konnten.

Die Hausaufgaben hat Hannover 96 gemacht. Jetzt folgt auf Schalke die erste Standortbestimmung.

"Wir haben in der Winterpause gut gearbeitet, zudem haben wir die Mannschaft personell verstärkt. Unter dem Strich liegen wir drei Punkte hinter dem fünften Rang, sind also in Schlagdistanz", so Schmadtke. "Grundsätzlich müssen wir aber insbesondere unsere Auswärtsspiele besser und erfolgreicher gestalten, um den Kontakt zu den internationalen Plätzen nicht abreißen zu lassen."

Das ist Hannover 96