Jens Keller in doppelter Mission

Von Jakob Kunz
Trainingslager in Doha: Schalke-Coach Jens Keller erklärt dem Team die taktische Ausrichtung
© Getty

Nach gutem Saisonstart ist der FC Schalke 04 vom Bayern-Jäger Nummer eins auf den siebten Tabellenrang abgestürzt. Huub Stevens wurde schließlich entlassen und durch Jens Keller ersetzt. Es folgte das Aus im DFB-Pokal gegen Mainz 05. Nun bereitet Keller seine Mannschaft im Trainingslager auf die Rückrunde vor und hat dabei nur wenig Zeit, um eine Masse an Problemen zu bewältigen.

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Lässig, mit einem Bein auf den Boden gestützt, sitzt Jens Keller auf einem Tisch, der am Spielfeldrand aufgebaut ist. Vor ihm hocken seine Spieler wie Schuljungen im Gras und lauschen den taktischen Ausführungen über Spielzüge und -formationen, die der Fußball-Lehrer via Flip-Chart eindringlich gestikulierend vorträgt.

Im ersten Trainingslager als Chefcoach des FC Schalke 04 bereitet Keller seine Mannschaft bei 25 Grad und Sonnenschein in Katar auf die Rückrunde vor, die richtungsweisend für die Zukunft Schalkes ist und den sportlichen Absturz gegen Ende der Hinserie vergessen machen soll. Keller bleibt dabei nur wenig Zeit, die entstandenen Probleme der letzten Wochen abzuarbeiten.

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Liga-Absturz und Pokal-Aus

Innerhalb zweier Monate haben die Knappen eine gute Ausgangsposition im Kampf um die Champions-League-Plätze verspielt und sind in der Bundesliga vom Bayern-Jäger Nummer eins auf den siebten Rang abgerutscht. Zudem schied man kurz vor der Winterpause im DFB-Pokal gegen Mainz 05 aus und verfehlte damit bereits das erste Saisonziel. Die Gründe für die absteigende Form nach starkem Saisonbeginn sind vielschichtig und teilweise hausgemacht.

Da ist zum einen Horst Heldt, der die Ära Felix Magath zunächst solide abwickelte und Schalke international wieder konkurrenzfähig machte. Doch zum ersten Mal in seiner Amtszeit verspürt er Gegenwind. Schließlich gelang es ihm in der Vorrunde nicht, die Diskussionen um die Zukunft von Huub Stevens, dessen Vertrag am Saisonende ausgelaufen wäre, erfolgreich zu beenden und von der Mannschaft fernzuhalten.

Dieses Versäumnis brachte den Stein ins Rollen und ohne Not Unruhe in die Mannschaft. Wochenlang beherrschten Gerüchte um die Vertragssituation Stevens' und damit einhergehend ein angebliches Schalker Interesse am Mainzer Trainer Thomas Tuchel beziehungsweise Fürths Mike Büskens die Schlagzeilen.

Stevens muss gehen

Von diesem Hick-Hack blieb offensichtlich die Mannschaft nicht verschont: Sechs Spiele in Folge blieben die Knappen in der Liga ohne Sieg. Diese Negativserie, die fehlende Rotation und die Nicht-Berücksichtigung einiger Reservisten wurden Stevens schließlich zum Verhängnis. Kurz vor dem DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Mainz wurde der Holländer entlassen und durch Jens Keller ersetzt.

Auch das war eine unerwartete und zugleich ungewöhnliche Maßnahme Heldts: Zum einen soll Keller immerhin bis Saisonende an der Seitenlinie stehen, sein Verbleib darüber hinaus gilt aber ähnlich dem Fall Lorenz-Günther Köstners in Wolfsburg als äußerst fragwürdig. Damit ist der Brandherd Trainerfrage immer noch nicht vollständig gelöscht und bietet weiterhin Raum für Spekulationen. Auch die bei Königsblau so oft herbeigesehnte Kontinuität blieb nach Stevens Beurlaubung abermals ein Luftschloss.

Keller-Entscheidung riskant

Zum anderen ist die Entscheidung, Keller als Chefcoach zu installieren, durchaus riskant und birgt Gefahrenpotential. Zwar holte der Fußball-Lehrer mit den Schalker U-17-Junioren 13 Siege in 13 Spielen und machte die B-Jugend damit zum unangefochtenen Tabellenführer - die Tauglichkeit, eine Profi-Mannschaft erfolgreich führen zu können, konnte er bisher allerdings noch nicht unter Beweis stellen.

Als Nachfolger des 2010 beim VfB Stuttgart gescheiterten Christian Gross musste Keller nach einer verheerenden Bilanz von lediglich zwei Siegen in neun Spielen nach nur acht Wochen im Amt wieder gehen.

Mit seinem Engagement auf Schalke geht es also auch um die Zukunft Kellers im Profi-Geschäft. Gegen Mainz veränderte Keller als erste Amtshandlung das unter Stevens praktizierte System, statt 4-2-3-1 spielte Schalke 4-4-2. Den schnellen Erfolg brachte diese Maßnahme nicht.

Offene Baustellen

Die neue taktische Ausrichtung ist aber nicht die einzig offene Frage im Schalker Team. Nach dem Bekanntwerden des Wechsels von Lewis Holtby zu Tottenham Hotspur fehlt den Knappen spätestens ab Ende der Saison ein Spielgestalter im Mittelfeld. Sollte der Transfer aber schon im Winter für die kolportierten zwei Millionen Euro über die Bühne gehen, müsste Heldt sogar in diesem Transferfenster noch aktiv werden und entsprechenden Ersatz suchen.

Der vorzeitige Transfer dürfte nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Ibrahim Afellay allerdings vom Tisch sein. Der Niederländer offenbart aber eine weitere Baustelle: Schalkes Kader steckt während der Saison schon wieder im Umbruch. Afellay wird nach Ablauf des Leihgeschäfts wohl nach Barcelona zurückkehren, Christoph Moritz (ebenfalls verletzt) wechselt nach Mainz.

Zu allem Überfluss scheiterte zudem Heldts Versuch, den Vertrag mit Leistungsträger und Kapitän Benedikt Höwedes vorzeitig zu verlängern. "Ich habe keine Eile, keinen Stress wie ein Spieler, dessen Vertrag jetzt 2013 ausläuft", sagte Höwedes dem "Kicker". Interesse von Arsenal, Manchester United und dem FC Liverpool scheint zu bestehen. Für die kommenden Wochen ist allerdings keine Entscheidung zu erwarten, im Sommer hätte Schalke die letzte Möglichkeit, noch eine Ablöse für den Verteidiger zu kassieren.

Das Comeback von Verteidiger Kyriakos Papadopoulos zieht sich derweil auch noch hin - der Grieche ist nach seiner Knie-Operation nicht vor Mitte Februar wieder einsatzfähig.

Huntelaar bleibt

Bei all den Sorgen hatte Heldt zumindest einen Erfolg zu verbuchen und die vorzeitige Vertragsverlängerung von Top-Stürmer Klaas-Jan Huntelaar endlich eingetütet. Nach monatelangem Tauziehen rang sich der Holländer zu einer Unterschrift durch, wohl auch, weil es keine entsprechenden Angebote anderer Vereine gab. Auch Mittelfeld-Talent Marco Höger bleibt den Knappen bis 2016 erhalten.

Diese kleinen Lichtblicke muss Schalke nun nutzen, um endlich wieder in die Spur zu finden. In der Champions League steht das Team gut da und hat auch gegen Galatasaray alle Möglichkeiten, ins Viertelfinale einzuziehen. Allerdings müssen auch in der Liga wieder Erfolge her, den letzten Sieg holte Königsblau Anfang November gegen Bremen.

Denn sonst rückt das erklärte Ziel, die erneute und direkte Qualifikation für die Königsklasse zu schaffen, in weite Ferne. "Wir werden dafür kämpfen, dass wir auf Platz drei kommen und uns direkt qualifizieren. Alles, was nicht für die Champions League reicht, wäre fehlgeleitet", warnt Boss Clemens Tönnies.

Schafft Keller die Wende?

Eine heikle Mission für Keller, der in der ersten Partie nach der Winterpause gegen Hannover auf Huntelaar und Jermaine Jones verzichten muss, die beide gesperrt sind.

Verfehlt der Coach das angepeilte Ziel, müsste er den Cheftrainer-Posten womöglich schneller räumen als ihm lieb ist. Die Schalker B-Junioren würden ihn wohl mit offenen Armen empfangen, seine Karriere als Bundesliga-Trainer hätte aber einen weiteren Knacks.

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