Nicht nur ein Möchtegern-Bushido

Von Marie Heller
Benjamin Köhler spielt seit 2004 bei Eintracht Frankfurt
© Getty

Benjamin Köhler gehört wahrscheinlich zu den meist unterschätzten Spielern der Bundesliga. Doch der quirlige Allrounder von Eintracht Frankfurt fällt nicht nur durch seine Ähnlichkeit mit Rapper Bushido auf. Seit sechs Jahren spielt der Linksfuß nun in der Mainmetropole und ist unverzichtbar für die Eintracht geworden. Das war nicht immer so - bei Fans und Trainer war er oftmals sogar sehr umstritten.

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Auf den ersten Blick könnte man Benjamin Köhler leicht mit Gangster-Rapper Bushido verwechseln: Frisur, Tattoos, Gesichtszüge und Mimik - die Ähnlichkeit ist kaum zu übersehen. Die Fans von Eintracht Frankfurt bezeichnen ihn nicht selten liebevoll als "Bushido-Köhler".

"Benni mag es, mit Bushido verglichen zu werden und er identifiziert sich auch gerne mit ihm. Darüber hinaus kommt er ja auch aus Berlin - dann liegt das nahe", erzählt auch Teamkollege Ioannis Amanatidis im Gespräch mit  SPOX.

Mit Sido drückte er die Schulbank

Dabei drückte Köhler die Schulbank ausgerechnet mit Bushidos musikalischem Kontrahenten Sido. Beide besuchten die Bettina-von-Arnim-Oberschule im Bezirk Reinickendorf und verbrachten manche Pause miteinander.

Bis heute allerdings hört Köhler eher die Musik von Bushido - und trotzdem: Ein "kleiner Badboy" ist er bei gerade mal 1,72 Meter Körpergröße und 66 Kilogramm höchstens optisch. Als Fußballer aber ist sein Stil nüchtern und solide. Mittlerweile.

Seit 2004 spielt Köhler nun für die Eintracht und absolvierte bis jetzt fast 150 Bundesliga-Einsätze. Er ist ein unverzichtbarer Stammspieler in Frankfurt geworden - doch das war nicht immer so.

"Ich war oft hinten, aber habe mich dann doch durchgesetzt"

Köhler musste immer wieder hart um einen Stammplatz im Frankfurter Kader kämpfen, ob dies bei Friedhelm Funkel oder Trainer Michael Skibbe war, der ihn vor einem Jahr fast schon zum Verkauf freigegeben hatte.

Vor nahezu jedem Saisonbeginn wurde Ersatz für ihn verpflichtet. Ob es Selim Teber, Pirmin Schwegler oder Giorgios Tzavellas war, eine feste Position in der Startaufstellung wurde Köhler selten in Aussicht gestellt.

"Es stimmt schon, ich habe die Situation schon zu oft erlebt, auch unter Friedhelm Funkel war es häufiger so, dass ich mal eine zeitlang nicht gespielt habe, aber am Ende stand ich wieder in der Mannschaft. Das verfolgt mich mein ganzes Fußballerleben lang. Ich war oft hinten dran, aber habe mich dann doch durchgesetzt", sagt Köhler.

Der kleine Mann mit dem großen Gefühl im Fuß bewahrte Ruhe und Nerven, drängte sich niemals auf oder beschwerte sich über sein Reservistendasein. Er glaubte immer an seine Chance.

Die "Allzweckwaffe" Benni Köhler

Denn nicht nur wegen verletzungsbedingter Ausfälle seiner Teamkollegen konnte er sich letzten Endes immer wieder für die Startformation empfehlen.

"Er ist ganz wichtig für uns als Persönlichkeit und als Spieler sowieso. Er ist sehr ballsicher, macht immer mal ein Tor. Wir versuchen, den Ball am Boden zu halten und das kann er gut", sagt Eintracht-Keeper Oka Nikolov.

Köhler ist inzwischen zum absoluten Leistungsträger der Mannschaft geworden. Besonders in den letzten zwei Jahren konnte er sich trotz seiner 30 Jahre noch weiterentwickeln und einen Sprung nach vorne machen. In den ersten 13 Bundesligaspielen der Saison fand sich der Berliner Junge immer in der Frankfurter Anfangsformation wieder.

"Er ist ein kleiner, wuseliger Spieler, eine Allzweckwaffe. Wir haben ihn heute schmerzlich vermisst, aber wir hoffen natürlich, dass er nächste Woche wieder spielen kann. Vielleicht läuft es dann wieder besser mit ihm", sagte Marcel Heller nach der 1:4-Niederlage gegen Bayern München.

Vom Stürmer bis zum Linksverteidiger

Vom Stürmer bis zum Linksverteidiger, defensives oder offensives Mittelfeld - der Linksfuß hat bereits alle Positionen bekleidet. Köhler ist flink, quirlig, technisch versiert und geschickt im Kampf um den Ball.

Er besitzt ein gutes Timing im Passspiel und ist umsichtig in der Spieleröffnung. Der Mann mit der Rückennummer 7 verkörpert Ruhe und Sicherheit am Ball. Er versteht es, den besser postierten Mitspieler einzusetzen und handelt selten egoistisch.

"Er ist sehr wertvoll. Er arbeitet viel und ist immer torgefährlich", lobt ihn sein Freund und Teamkollege Alex Meier, der auch seine menschlichen Qualitäten schätzt: "Benni ist ein Supertyp, ich bin seit sechs Jahren mit ihm auf einem Zimmer. Da fehlt schon was, wenn er mal nicht dabei ist."

1998 feierte Köhler sein Liga-Debüt bei Hertha BSC. Bis Sommer 2003 stand der Linksfuß in der Hauptstadt unter Vertrag. Er kam allerdings lediglich auf einen Bundesligaeinsatz in Berlin und das ausgerechnet gegen seinen späteren Verein Eintracht Frankfurt.

Keine Lobby bei den Fans

Über Regionalligist Rot-Weiß Essen zog es Köhler dann in die Mainmetropole. Sein Standing bei den Frankfurter Fans war seither oftmals angespannt. Immer wieder musste er sich Pfiffe gefallen lassen und wurde belächelt. Der Techniker hatte keine Lobby beim Frankfurt Publikum.

Köhler mutierte zu einer Art Sündenbock, wenn es mal nicht so rund lief. In den einschlägigen Fan-Foren der Eintracht galt er als Durchschnitts- und Möchtegern-Kicker und kassierte für verpatzte Standards Spott und Buh-Rufe. Hundertprozentige Torchancen, die er vermasselte, wurden ihm lange nachgetragen.

"Er ist einer, dessen Aufstellung ich nie verstehe. Am Ball ist er immer nervös und scheint teilweise total überfordert. Ein Chancentod. Köhler kann den Durchbruch bei der Eintracht nicht mehr schaffen. Fußball wird zu 50 Prozent im Kopf entschieden und wenn ich Köhler sehe, denke ich eher an einen netten kleinen Bub mit Bushido Frisur", bemängelte ein Fan auf der Vereinsseite.

Köhler wurde häufig überkritisch beurteilt und bekam kaum Anerkennung selbst für gute Spiele. Er wurde nie zu einem Publikumsliebling wie Naohiro Takahara oder Du-Ri Cha, die ihm gerade in puncto Chancenverwertung in keinem Fall voraus waren.

Köhler: "Der Verein weiß, was er an mir hat"

An Köhlers Fähigkeiten und seiner Wichtigkeit für die Eintracht zweifelt in Frankfurt derzeit niemand mehr - auch die Fans nicht, man hofft auf  eine Vertragsverlängerung des Allrounders.

Sein Kontrakt läuft zum Saisonende aus. Gespräche über eine Verlängerung hat es bisher nicht gegeben, aber die Vorzeichen stehen gut.

"Ich fühle mich sehr wohl, ich weiß, was ich hier habe. Und ich glaube, der Verein weiß auch, was er an mir hat", sagte Köhler. Und auch der Vorstandsvorsitzende der Eintracht, Heribert Bruchhagen, hat sich bereits als großer Köhler-Fan geoutet: "Er ist ein wundervoller Spieler, einer unserer werthaltigsten Profis."

Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass Benjamin Köhler auch in der nächsten Saison die Mannschaftskabine der Eintracht mit Bushido-Liedern beschallen wird.

"Und wenn sie meinen, du stehst nie wieder auf, dann lass sie reden, Junge, zeig ihnen: das ist dein Traum, du wirst ihn leben und beweist diesen Leuten, die niemals an dich geglaubt haben, das was sie haben, kannst du auch haben. Denn wenn sie meinen, du hast hier nix verloren, dann zeig es ihnen, zeig es allen, keiner hält dich mehr auf, komm lass dich fallen, heb den Kopf und blick einfach nach vorn und jetzt versuch's, ich sag versuch's, alles wird gut!" So heißt es im aktuellen Album des Rappers. Klingt wie ein Lied von Bushido über "Bushido-Köhler".

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